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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 26.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.27775#0398
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1910

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11


Beamtenwohnhaus
in Weißensee.

Architekt: Gemeindebaurat Carl J. Bühring
in Weißensee.

bestehend aus sechs Brause- und zwei Wannenbädern, und die Wohnung
des Turndieners.
Da die Halle nicht nur Turnzwecken, sondern auch festlichen Ver-
anstaltungen dienen soll, ist auf der dem Eingang gegenüberliegenden
Schmalseite eine 8:5,4 m große Bühne angeordnet mit Ankleide- und
Toilettenräumen zu beiden Seiten. Unterhalb der Bühne befindet sich der
Raum für Turngeräte.
Die Halle faßt einschließlich der Galerie 1000 Personen, es mußten
deshalb besondere Ein- und Ausgänge und Garderoben für das Publikum
geschaffen werden, indem das Kellergeschoß unterhalb der Turnergarderoben
zu einem Untergeschoß umgestaltet wurde. In diesem Untergeschoß wurde
eine große Eingangshalle mit Kleiderablagen und Toiletten untergebracht
und mit der Festhalle durch zwei breite, an den Längsseiten der Halle
gelegene Treppen verbunden.
In einem Anbau ist der Turnhalle noch ein Restaurationsraum nebst
Vereinszimmer und Gartenterrasse hinzugefügt worden. Im Untergeschoß
dieses Anbaues befinden sich die Wirtschaftsräume, Küche, Spülküche,
Anrichte, Kühlräume usw., und die Wohnung des Wirtes.
Nach dem Kreuzpfuhl zu sind ein kleiner Restaurationsgarten, durch
eine Treppe mit der Terrasse verbunden, und ein ausreichend großer Turn-
hof von den umliegenden Anlagen abgezäunt.
Das Äußere des Hauses ist mit roten Verblendziegeln und in teil-
weisem Verputz der Hauptflächen mit grauem Rauhputz ausgeführt. Der
Sockel wurde mit Granitsteinen (alten Bordschwellen) verblendet, das
über der Halle tief heruntergezogene Dach mit Falzpfannen eingedeckt.
Die Turnhalle nebst angrenzenden Räumen wird durch Niederdruck-
dampfheizung erwärmt, während für die Räume der Restauration eine
Warmwasserheizung eingebaut ist. Die Kosten sind auf 148000 Mk. be-

rechnet; hierzu kommen noch die Kosten für die innere Einrichtung, für
die Regulierung und Einfriedigung des Turnhofes und des Restaurations-
gartens.
2. Verwaltungsgebäude und Beamtenwohnhaus.
Für die Unterbringung der vielen notwendig gewordenen neuen Ämter
waren Mieträume in geeigneter Lage nicht zu haben. Die Gemeinde
entschloß sich daher, ein eigenes Haus auf dem Grundstück neben der
bereits im Bau begriffenen Gemeindeturnhalle zu erbauen. So konnten
noch weitere, in Miethäusern bereits untergebrachte Verwaltungszweige
darin aufgenommen und aus dem Neubau und der Turnhalle ein architek-
tonisches Ganzes gebildet werden.
Da es sich aber nur um vorübergehende Benutzung zu Verwaltungs-
zwecken, d. h. bis zur Errichtung eines neuen Rathauses, handelte, wurde
die Einteilung so getroffen, daß die Räume jederzeit zu Wohnungen sich
umgestalten lassen. Dadurch waren für die Stockwerkshöhen die bei
Wohnhäusern üblichen gegeben.
Bei der Entwurfsbearbeitung war zunächst darauf zu achten, daß die
beiden Brandgiebel des benachbarten Vorderhauses und Quergebäudes
durch den Neubau gedeckt wurden, damit nicht von dem am Kreuzpfuhl
angrenzenden, parkartig auszugestaltenden Gelände sich ein unschöner
Blick in den Hof des Nachbars und auf dessen Brandgiebel ergebe. Die
hierdurch bedingte Grundrißform führte zu der Anlage einer kleinen Privat-
straße oder Sackgasse, die sich zwischen die beiden Häuser des Verwaltungs-
gebäudes und der Turnhalle hineinschiebt und den Verkehr sowohl zu
beiden Häusern als auch zu dem unteren Gelände am Kreuzpfuhl vermittelt.
Das Haus gliedert sich in zwei durch einen Zwischenbau miteinander

Gemeinde-Turn- und Festhalle Architekt: Gemeindebaurat Carl J. Bühring


in Weißensee. in Weißensee.

Beamtenwohnhaus in Weißensee. Architekt: Gemeindebaurat Carl J. Bühring
Eingangsportal. in Weißensee.


verbundene Hauptteile. In dem an der Pistoriusstraße liegenden
Hauptteil sind, da nicht das ganze Gebäude von der Verwaltung
in Anspruch genommen wurde, Beamtenwohnungen von drei
bis sechs Zimmern nebst Küche und Zubehör untergebracht;
der im Erdgeschoß angelegte Laden fand für die Zwecke des
Kanalisationsbureaus Verwendung. Der Zwischenbau und der
am Kreuzpfuhl gelegene Hauptteil, beide von der Privatstraße
aus zugänglich, haben außer vier Wohnungen und der Säug-
lingsklinik folgende Verwaltungszweige aufgenommen: Hoch-
und Tiefbauamt nebst Vermessungsbureau, Wohlfahrtsamt,
Rechtsauskunftstelle, zwei Fürsorgestellen, Realsteuerbureau,
Bauverwaltungsbureau, Armenbureau und das Fleischbeschau-
amt. Im Keller befindet sich noch eine Wohnung für den Haus-
meister.
Das Äußere des Hauses ist in grauem Rauhputz aus-
geführt mit Architekturteilen in roten Verblendziegeln. Das Dach,
das über den beiden Hauptteilen zu zwei großen Dachkegeln
herausgeholt ist, wurde mit roten Falzpfannen eingedeckt. Die
Kosten sind auf 240000 Mk. veranschlagt.
Über die formale Behandlung des Backsteinbaues
an beiden Gebäuden schreibt uns der Architekt: »Anregung
zum Schaffen gaben mir die alten Bauwerke Lüneburgs. Ihre
Formenwelt stammt aus einer Zeit, da das konstruktive Prinzip
verlassen war. Von den gerippten Rundstäben, die tauartig ge-
wunden in vertikaler und horizontaler Richtung wie auch in
Kranzform die ganzen Fassaden rein dekorativ zusammenfassen,
entspringt ein wunderbarer Quell neuer Möglichkeiten für die
Behandlung des Materials. Man braucht nicht zu befürchten,
 
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