Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 44.2011

DOI issue:
Nr. 1
DOI article:
Bałus, Wojciech; Tintoretto [Ill.]: Mac Dvořák betrachtet Tintoretto oder über den Manierismus
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31179#0043

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Portraits von Oskar Kokoschka waren hingegen
von Bildern Tintorettos oder El Grecos weit entfernt
und wir finden bei unserem Autor keine Bemerkun-
gen über eine morphologische Gemeinsamkeit von
Werken aus dem 16. und dem 20. Jahrhundert. So
fällt es schwer, der von Edwin Lachnit akzeptierten
Feststellung Otto Kurz' zuzustimmen, Dvořák habe,
indem er über El Greco sprach, in Wirklichkeit doch
Kokoschka gemeint.^
Der modernistische Charakter von Dvořáks
System äußerte sich in seinem konsequenten Ratio-
nalismus. Die Ansichten des Gelehrten ließen das
scheinbar Unlogische in der Geschichte, wie etwa
Ausbrüche des Irrationalismus, Abwendung vom
Schönen und Vollkommenen oder die Niederla-
ge des Positivismus vernunftmäßig erklären. Die
Verschwommenheit seiner Interpretation sowie
Umwertungen, die er ständig vornahm, ergaben sich
aus dem Willen, eine umfassende Konstruktion zu
schaffen, fähig, alle künstlerischen Erscheinungen
in sich zu schließen, die je in der Geschichte des
Westens entstanden sind.
VIII.
Max Dvořák sitzt also in der Scuola di San Roc-
co vor dem Bild Tintorettos. Das rationalistische,
modernistische Wissen über Wandlungen, die sich
in der Kunstgeschichte vollziehen, über Verhältnisse
zwischen Weltanschauungen und Stilformen, über
den Manierismus als Ausdruck einer Krise, die zu
einem geistigen Weltumbau führt, keß ihn das Unge-
wöhnkche jenes Werkes erklären. Trotzdem beginnt
das leuchtende Dreieck in der ihn erneut
zu beunruhigen. „Er /E2777E0E/ EA ^E TAErE/o,"
schrieb er, „77777 E770 A7v<?gE AHnr..., EE oZ%ý)7ÉA A?77
RyA/pTA^ E77rAEo/E. DE K7*077^7777grj*^0770 rEŘE yypE/A
A 777Ar^oEpEoEo77." Die Gestalten scheinen sich also
zu bewegen. Sie bilden ein einheitliches Ganzes,
das gleichzeitig in mehrere Episoden gegkedert ist.
In diesen Formulierungen steckt ein Paradoxon,

'4 SCHMITZ 1993 (wie Anm. 65), S. 406-407; LACHNIT,
B.: D?7 ITA^r ÖV/A Ar Kr/TMTgřjrEbEř 77772/ A'<? K2272V Er^r ZA.
I fEÆü ÆEoA 22/2E
Ar AEArw. Wien - Köln - Weimar 2005, S. 96.
ARNHEIM, R.: DE AÍ222V Ar Af/TE. LbA KoTrywAETrA/wy%r
Af A/A72A7? IG/AE. Köln 1983.

denn wie kann etwas Einheitkches zugleich einer
Gkederung unterliegen? Hinzu kommt, dass die
Hauptszene in den Vordergrund, in die direkte
Nähe des Betrachters, verschoben wurde. Die Mitte
bleibt also leer. Und gerade dieser weitgehend men-
schenleere Bereich, eine Steile, die die Teilnehmer
des Geschehens auf Golgatha umkreisen, füllt sich
um vier Uhr nachmittags mit Licht. Aus Dvořáks
Beschreibung geht eindeutig hervor, dass Tintoret-
tos Werk um etwas gebracht wurde, was in einer
Bildkomposition gewöhnkch am wichtigsten ist: um
„EEAf27A7*Eo7*ÁÍ7Eo"V Das Zentrum zieht freikch die
Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich, und zwar
sehr stark, doch ausschkeßkch als rein „Sichtbares",
ein leuchtendes Dreieck, das keine geschlossene, mi-
metisch bestimmte Form darstekt. ITrAE Av AÍÉE?
Offensichtkch ja! Und dazu noch als eine Leere, die
jene elkptische Bewegung „dirigiert" — eine Bewe-
gung, die zugleich eine Aufgliederung der sowohl
geschlossenen, wie auch in Episoden zerfakenden
Masse ist.
Die Bewegung und den Verlust der Mitte fand
Dvořák auch bei Michelangelo. In der BAAr7777gP277/E
ist „EE AÍ7/E Af/wEn??? Á^o77o, ^E Eor 7772777 FE BöE^ATETTg
77077 GíwEAA p/EiE, --- E27 ?E 777/7*
/VpEr^A? fyVE, An* REEr 27/g07V07/077 /G/, 27E A 2777
AA<?f iE A E77 BE'A EEEq Ar A% Z//g 7727A
AEG? ÁEE// 27//íE//2777Eo7EfED. Po^T* 7772777 4?77 E77^0T77077 Go-
E27A77, J*0 %A*E7772777 E//7*A ATT GoE077 77270/^ 0^077^077*7^077."
In der K7*o7/^7/77yPo/E hingegen „TTAEEÁÍE/roATT^oE 0277
EE77EA0Í ÁoEo77727 77^E 7777 j7/77gE077 LEEA/*.' 0277077 Pog077 7*077
EEÁí 27/EEEíT7?A77, fOoE/t 27EEo^077Eo77 P^2/7*077. Í77 E20Í072
Pog077 EE77g/ W77 oEo77 77*20 0277 KE/ E77 DfEřA 0277/ 7^*0 J*22*E
Eo7* Pog077 7777E E27J* DfoEoÁ roE7702Eo77, 2E EoT* PÍ077Eo7^*27Á7*
Eo/T^oEo/A, Eor EE D7*oE27oEto Eor Ko/rAv^oT? E22E0A" ^ Und
obwohl das Kreuz mit dem heikgen Petrus die Mitte
einnimmt, bildet es nicht das Zentrum des Bildes,
denn der Apostel „AE EoroEr 777ÉEo/27 L0E077 27EgoroEErro77
7277E 2E 77777* EorH77Art Eotro77, 72^ EEr^oEE^^otoEEEE' — der
Schwerpunkt hat sich auf die oberhalb dargestekte
Gruppe verschoben. ^ Im AÍ27TA77J*7^7777Eo7*Tintorettos
7' DVOŘÁK 1928 (wie Anm. 2), S. 130.
Ibidem, S. 133.
's Ibidem, S. 134.

41
 
Annotationen