Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 44.2011

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Heft:
Obsah / Contents
DOI Artikel:
Żuchowski, Tadeusz J.: Erwägungen zur Interpretationsmöglichkeit der Wandmalerei: am Beispiel der Stanzen im Vatikanischen Palast
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.31179#0205

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
war außergewöhnlich. Julius II. hat noch in seiner
Zeit als Kardinal im Palast bei SS. Apostoli solche
neucosmateske Pavimente auftegen gelassen. Man
kann nur vermuten, dass julius II. sich beim Ent-
schluss, eine solche Art des Fußbodens zu legen, auf
die Pavimente in Alt St. Peter und in der Sixtinischen
Kapelle berufen haben könnte. Ein ähnliches Pavi-
ment, was sicherlich von Bedeutung war, ist in der
oberen Kapelle des Bramanteschen Tempietto zu
finden. Der Fußboden in ist also
ein Paviment, das bestimmte Assoziationen mit dem
.MrTW/T? auslöst. Die Stanza della Segnatura bemächtig-
te sich dieser Konnotationspotenz. Hier wurde das
symbolische Feld personalisiert und privatisiert. Der
Fußboden in der Residenz bleibt immer eine Fläche,
auf der die zeremonielle Bewegung sich ab spielt.
In der päpstlichen Residenz ist der Fußboden ein
Sinnbild des irdisches Seins päpstlicher Macht. Die
himmlische symbolische Entsprechung des Fußbo-
den ist das Gewölbe (die Decke). Die oben erwähnte
kassettenähnliche Dekoration lässt sich auch auf
das Innere von Kirchen beziehen. Die Kasettierung
der Kirchendecken war um 1500 besonders in Rom
sehr verbreitet, um nur Santa Maria Maggiore zu
erwähnen. In der Stanza della Segnatura ist ein be-
sonderes Merkmal von Bedeutung. Die Strukturen
des Gewölbes und des Paviments sind fast organisch
miteinander verbunden. In beiden Fällen werden
die Kompositionszentren ausdrücklich angedeutet,
aber — was zu überraschen scheint — die irdische
Mitte deckt sich nicht genau mit der himmlischen.
Die erste, mit dem die Peterschlüssel enthaltenden
Kreis im Zentrum und mit dem Namen des Julius
als Pontifex Maximus in externen Eckkreisen, ist
gering nach Norden zu der zwischen den Türen
entstanden Fußgangzone verschoben. Die andere,
mit den Schlussstein tragenden Engeln, ist kaum
sichtbar näher an der Südwand lokalisiert, wo sich
wahrscheinlich der Sitz für den Papst befand. Der
Schlussstein mit dem Wappen des Nikolaus V ist
real, die ihn haltenden Engel schon gemalt und die
achteckige Umrahmung für diese zentrale Darstel-
lung wieder plastisch-real [Abb. 7], Der Effekt dieser
Verbindung des Plastischen und des Malerischen
- etwa in der Nachfolge des Quadratura-Konzepts
Mantegnas in der Mantuaner Camera degli Sposi
— re-dehniert den Status der Architektur in diesem
Raum. Bei Mantegna jedoch sind die Engel, dar-


7. Ar GwJPw Ar A Az IVtzGAvAf
PíGyt. IbAr T. J. ZzGčwj-V.

gestellt in starker perspektivischer Verkürzung, am
Rande zwischen der Wand und der illusionistisch
gemalten Struktur verortet, und ein solches Kon-
zept war nicht nur eine malkünstlerische Darstel-
lungsweise, sondern auch ein Versuch, bewusst zu
machen, was für eine Rolle die malerische Illusion
in der Architektur spielt. In der Stanza dagegen ist
ein dynamisches Spiel zwischen dem Malerischen
und Architektonischen veranschaulicht. Die Engel
versuchen, das gewichtige Symbol der päpstlichen
Würde im Zentrum der Decke zu halten.
Die päpstliche Macht überhaupt, in ihrer provi-
denziellen Tragweite, symbolisiert das Wappen des
Nikolaus V. (gekreuzte Schlüssel), das in diesem
Raum auch als das Zeichen der Petrus-Nachfolger
überhaupt fungiert. Die zeitliche Macht des Julius
II. wird im Programm der Fußbodenmitte und in
der Dekoration architektonischer Elemente der

201
 
Annotationen