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Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 44.2011

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Żuchowski, Tadeusz J.: Erwägungen zur Interpretationsmöglichkeit der Wandmalerei: am Beispiel der Stanzen im Vatikanischen Palast
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https://doi.org/10.11588/diglit.31179#0216

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Hierfür mussten die Stanza Heliodors und Stanza
des Brandes, die nicht nur dem engen Papstumgang,
sondern auch dem hohen Klerus und der Aristokra-
tie zugänglich waren, in ihrem Programm auf dem
völlig von solchen Empfängern verstehbaren Grund-
wissen gebaut sein. Die kompetenten und wohl die
einzigen Empfänger waren das päpstliche Hof und
die Kardinale, das heißt, sie verstanden den Sinn
der Wandgemälde in Saal Konstantins, den Stanzen
Heliodors und des Brandes. Wenn sie die Möglichkeit
gehabt hätten, könnten sie auch die Symbolik der
unzugänglichen Stanza della Segnatura deuten. Der
Adressat, an welchen das Programm gerichtet war,
stammte aus der damaligen höfischen Gesellschaft^ '
Er war nicht nur mit dem allgemeinen Zeremoniell
überhaupt vertraut, gut bekannt war ihm vor allem
das päpstliche Zeremoniell. Er nahm höchstwahr-
scheinlich in den Kavalkaden oder anderen Prachtzü-
gen teil. Der nicht erfahrene Teilnehmer wurde wohl
entsprechend durch den über
die geltenden Regeln und die Besonderheiten des
päpstlichen Hofes unterrichtet. Als Kirchengläubige
war er vertraut mit der kirchlichen Liturgie, worin er
während seines Aufenthaltes in Rom eingezogen war,
in der beispielsweise teilnehmend.
Der Pöbel könnte die Innerräume nur zwischen
dem Tod des Papstes und der draufkommenden
Konklave besichtigen. Sie waren jedoch damals
verwüstet, großenteils mit provisorischen Wänden
geteilt und deswegen visuell unzugänglich.
Daraus ergeben sich einige Fragen zur Ikonogra-
phie. Erstens, das gesamte Programm müsste der
Zeremonienmeister (damals war es Paris de Grassis)
akzeptieren; zweitens, die Erzählung in einzelnen
Szenen sollte die Grundelemente der Liturgie und
das Zeremoniell berücksichtigen; drittens, die Aus-
gewählten Darstellungsmomente sollten insofern
wesentlich sein, als die Übermittlung der konkreten
Darstellungen zweifellos klar wäre.

Der Begriff „Hofgesellschaft" benutze ich nach Elias, aber
etwas vereinfacht. Siehe ELIAS, N.: DP GerAfAA?.
Neuwied 1969.
^ Siehe DYKMANS, M.: PUíWMr A P^thyf PPtAo/AA tw p
YráwAApápAAp7v%7<?7T Bd. 2. Cittá del Vaticano
1982.

Deswegen sind die einzelnen Hauptgemälde
eine Synthese einiger liturgischer bzw. zeremonieller
Akten. Raphael ist es gelungen, in den einzelnen
Szenen die Spannung zu konstruieren, und gleich-
zeitig das Kulminationsmoment entsprechend zu
betonen. Zum Beispiel in der Szene der Krönung
Karls d. Großen scheint eine konkrete Sequenz
aus der Krönungszeremoniell anzuklingen: „Mmýx?
Infolge solcher Eingriffe sprechen die einzelnen
Szenen den Betrachter an, und ihre Anknüpfungen
rufen das Grundwissen hervor. Sie sprechen den
Zuschauer an, mit fast exakten in Bild umgestal-
teten Zitaten oder Devisen, die für die höfische
Gesellschaft, und vor allem für den päpstlichen Hof,
offensichtlich waren.
Zwischen der Stanza Heliodors und der Stanza
des Brandes wurde dasder päpstlichen
Tagesaktivität platziert. Es ist schwer zu entscheiden,
was für eine Bestimmung hatte diese Camera in der
Mitte unter Nicolaus V und unter seinen Nachfol-
gern bis Julius II. Man kann nur vermuten, dass
diese Funktion analogisch zu jener war, die in
A/iwrř die entsprechende Sala im Borgia-Apartment
erfüllte.^
Julius 11. ließ den Zwischenraum, vielleicht wegen
einer günstigen Lokalisierung, also wegen der Nähe
zum r^Ak/Aw, in eine ausschließlich private Bibli-
othek umwandeln. Er war im Grunde genommen
noch unzugänglicher als die verschlossene A'MohAn?
jwfčA? und die sich im Parterre des Nord-
Hügels befandA Der „eiserne Greis" freute sich
über diesen ungewöhnlichen Raum sehr kurz. Nach
seinem Tod, und der Auswahl Giovanni de Medici
zum Papst als Leo X., akzeptierte der neue Bischof
von Rom die Bestimmung des Raumes und berei-
cherte seine Funktion geringfügig, in dem er hier ein
Musikkabinett errichtete, was die Intarsiendekoration
auf die Türen betont.
^ Die Räume inpMw des Nicolaus-Baues dienten vor
allem als Gästewohnungen. Siehe ŽUCHOWSKI 1999 (wie
Anm. 1), S. 187-188.
^ Unter dem Saal Konstantins und Sala dei Pon-
tefici (KAM A/üAG- Dazu siehe CLARK, J. W: The Vatican
Library of Sixus IV In: PnvgAAgr A TA
hMAy, 10, 1898 — 1899, S. L52, Mer S. 12; RED1G DE
CAMPOS 1967 (wie Anm. 1), S. 57-63.

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