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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Editor]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Die breisgauische Freiherrenfamilie von Kaltenbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0142
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Unser Schwarzwald müßte an zahlreichen Orten, wo jetzt Viehzucht
und Gewerbthätigkeit blühen, noch unbewohnbare Wildniß seyn, hätten
nicht in jener frühen Zeit die Klöster und Dynasten ihre Leute mit
solchen Gegenden belehnt, welche ihre Lehenstücke schon darum fleißig
bebauen mußten, damit sie neben dem nöthigen Unterhalte den jähr-
lichen Zins erschwängen.

ausführlichere Charakteristik des Adels gab. „Derselbe habe sich von jeher
entschieden vor andern Ständen ausgezeichnet, und mit den blos Freien
Nichts gemein gehabt, am wenigsten das Verdienst der Kultivirung des Lan-
des. Er wäre stets der nämliche gewesen, wie noch; er sey der Bequemlichkeit
nachgegangen, habe bei festlichen Anlässen zu glänzen-gesucht, sich auf den
großen Heerzügen oder in kleinen Fehden hernmgetrieben, und äusser diesem
fast ausschließlich der Jagd ergeben. Seine Leibeigenen hätten Alles thun
müssen, was Gewerbe, Hans- und Landwirthschaft betroffen, und diese übri-
gens auch nichts Mehreres geleistet, als was die Psticht und Nothwendigkcit
gefordert. Die Klostcrstifter könnten es wohl zuweilen gut gemeint .haben,
aber ohne Dauer und tiefere Frömmigkeit; das Bestreben, alles Andere mög-
lichst von sich abhängig zu machen, habe die Herren zu sehr beherrscht. Mit
einem Worte, der Adelige sey allein im Besitze der edleren Menschenrechte,
der Mittel zur Ruhe, zum Genüsse und Glück gewesen."
Allerdings, das ist der leibhaftige Adel der Feudalzeit; aber der ur-
sprüngliche Adel, von welchem ich sprach, war etwas Anderes — es
war der Inbegriff aller freien Grundbesitzer, das heißt, das eigentliche
Volk! Da kam durch die Sklaverei und das Lehenwesen allmählig ein
neuer Adel auf — aus der Knechtschaft, aus dem Dienste, aus der Abhängig-
keit, und dieser (so mußte es geschehen) verschlang den alten oder verdarb ihn.
Jene Dynasten des Schwarzwaldes — sie waren die letzten Neberreste der
freien Bauern dieses Gebirgslandes; ihre vollkommene, althergebrachte
Freiheit war ihre Ehre, ihr Stolz; sie besaßen alle Rechte und den ganzen
Charakter, wie der germanische Wehrmann unter Ariovist, Armin und Civilis.
Jene Grafen aber, welche die Dynasten haßten und verdrängten oder nieder-
drückten — sie waren Bedienstete des Königs, großenteils Emporkömm-
linge des Gefolgcwesens; und vollends jener spätere Adel, welcher so sehr mit
seinen Burgen, Wappen, Stammtafeln und Privilegien prangte — war er
nicht beinahe durchweg aus der D i e u st m a n n s ch a ft mächtigerer Herren
hervorgewachsen?
Ein Dynast, im Bewußtseyn seiner Freiheit an Gut und Blut, ver-
schmähte die Amtsehre des Grafen, und ein freier Bauer, im Bewußt-
seyn seiner persönlichen Unabhängigkeit, verschmähte den Dienstglanz eines
Truchsessen, Schenken oder Marschalks! Aber das Verschwinden des Bewußt-
seyns der gemeinen Ehre und die Reize des Dienstes nahmen mehr und
mehr zu, und hatten die Zeit zur Folge, wo es keine Dynasten im alten
Sinne und freie Bauern mehr, sondern nur hohen und niederen Lehenadel,
und (mit wenigen Ausnahmen) nur hintersässiges und leibeigenes Volk gab.
 
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