24 schlenderte langsam des Weges und brach sich einen Strauß von den schönen Blumen, die
nirgends schöner wuchsen als im heißen feuchten Zwinger. Als sie im inneren Burggraben
angelangt war, hatte die andere noch nicht den Schloßberg erreicht. Aber hier im Burggraben
trug sich eine merkwürdige Sache zu, wodurch die edle Frau eine gute Weile aufgehalten wurde.
Zu ihrer rechten Hand war die epheuübersponnene Mauer, zu ihrer Linken der innere Schloß-
wall und auf seiner Höhe die Hinterseite der Bauwerke, die über den Schloßwall gen Himmel
ragten. Die vier Ecktürme des Schlosses waren aus der Tiefe emporgemauert. Einer von
diesen Türmen war der Gefängnisturm. Seine vergitterten Fensterlöcher schauten wie schwarze
Augen aus dem grünen Epheu.
Die Frau vom Mondgarten ging gerade an dem Gefängnisturm vorüber. Der unterste Mauer-
schlitz war in ihrer Schulterhöhe. Und sie hörte dicht neben sich ein schleifendes, knirschendes
Geräusch, so daß sie stehen blieb und zur Seite schaute.
Da sah sie dicht neben sich einen Mann hinter dem Gitter hocken. Er sah wild und unheimlich
aus, und unter seinen schwarzen, straffen Haaren, die tief in die Stirne hingen, glühten die
Augen in einem irren und tückischen Licht.
Was macht Ihr da? fragte sie erschrocken.
Ich schleife mein Messer. Sie sah das blinkende Messer, dessen Klinge aus dem Gitter
herausschaute?
Schaut es näher an? Ist es scharf genug? sagte der Mann, und die Klinge zog sich ein wenig
zurück, so daß nur noch die Spitze herauslugte.
Unwillkürlich trat die Frau heran, legte ihren Finger auf das Eisen und prüfte die Schneide.
Da zitterte das Messer unter ihrem Finger, wie wenn es lebendig wäre. Es wand sich wie
eine gefangene Schlange, die losfahren will aber nicht kann, weil eine starke Faust sie
umspannt hält, dicht unter dem Kopfe.
Wer bist Du? sagte der Mann mit bebender Stimme. Es ist zum zweiten Male, daß sich
mein Messer scheut. Und es hat doch so Durst!
Ich verstehe Dich nicht, sagte die Frau beklommen. Kann ich etwas für Dich tun, Du
armer Mensch?
Ja. Seht, dort unter dem Epheu sitzt ein Kaninchen. Ich sehe es schon lange. Ihr könnt
es fangen; es ist zahm. Bringt es mir her. Ihr tut damit ein barmherziges Werk. Bringt
mir das Kaninchen.
Die Frau sah das Tierlein im Winkel hocken. Sie ging hin, und hob es in die Höhe und
brachte es an das Gitter. Da fuhr das Eisen wie ein Blitz aus dem Mauerloch heraus dem
Kaninchen mitten ins Herz hinein.
Die Frau schrie vor Entsetzen und ließ das ermordete Tier los. Es glitt aus dem Messer
heraus und fiel tot auf den Boden, der Frau zu Füßen. Das weit hinausgereckte Messer blieb
unbeweglich wie in einem Starrkrampf. Dann wurde es von einem leisen Zittern geschüttelt,
und die letzten Blutstropfen rieselten zur Spitze und fielen nacheinander in das Moos.
nirgends schöner wuchsen als im heißen feuchten Zwinger. Als sie im inneren Burggraben
angelangt war, hatte die andere noch nicht den Schloßberg erreicht. Aber hier im Burggraben
trug sich eine merkwürdige Sache zu, wodurch die edle Frau eine gute Weile aufgehalten wurde.
Zu ihrer rechten Hand war die epheuübersponnene Mauer, zu ihrer Linken der innere Schloß-
wall und auf seiner Höhe die Hinterseite der Bauwerke, die über den Schloßwall gen Himmel
ragten. Die vier Ecktürme des Schlosses waren aus der Tiefe emporgemauert. Einer von
diesen Türmen war der Gefängnisturm. Seine vergitterten Fensterlöcher schauten wie schwarze
Augen aus dem grünen Epheu.
Die Frau vom Mondgarten ging gerade an dem Gefängnisturm vorüber. Der unterste Mauer-
schlitz war in ihrer Schulterhöhe. Und sie hörte dicht neben sich ein schleifendes, knirschendes
Geräusch, so daß sie stehen blieb und zur Seite schaute.
Da sah sie dicht neben sich einen Mann hinter dem Gitter hocken. Er sah wild und unheimlich
aus, und unter seinen schwarzen, straffen Haaren, die tief in die Stirne hingen, glühten die
Augen in einem irren und tückischen Licht.
Was macht Ihr da? fragte sie erschrocken.
Ich schleife mein Messer. Sie sah das blinkende Messer, dessen Klinge aus dem Gitter
herausschaute?
Schaut es näher an? Ist es scharf genug? sagte der Mann, und die Klinge zog sich ein wenig
zurück, so daß nur noch die Spitze herauslugte.
Unwillkürlich trat die Frau heran, legte ihren Finger auf das Eisen und prüfte die Schneide.
Da zitterte das Messer unter ihrem Finger, wie wenn es lebendig wäre. Es wand sich wie
eine gefangene Schlange, die losfahren will aber nicht kann, weil eine starke Faust sie
umspannt hält, dicht unter dem Kopfe.
Wer bist Du? sagte der Mann mit bebender Stimme. Es ist zum zweiten Male, daß sich
mein Messer scheut. Und es hat doch so Durst!
Ich verstehe Dich nicht, sagte die Frau beklommen. Kann ich etwas für Dich tun, Du
armer Mensch?
Ja. Seht, dort unter dem Epheu sitzt ein Kaninchen. Ich sehe es schon lange. Ihr könnt
es fangen; es ist zahm. Bringt es mir her. Ihr tut damit ein barmherziges Werk. Bringt
mir das Kaninchen.
Die Frau sah das Tierlein im Winkel hocken. Sie ging hin, und hob es in die Höhe und
brachte es an das Gitter. Da fuhr das Eisen wie ein Blitz aus dem Mauerloch heraus dem
Kaninchen mitten ins Herz hinein.
Die Frau schrie vor Entsetzen und ließ das ermordete Tier los. Es glitt aus dem Messer
heraus und fiel tot auf den Boden, der Frau zu Füßen. Das weit hinausgereckte Messer blieb
unbeweglich wie in einem Starrkrampf. Dann wurde es von einem leisen Zittern geschüttelt,
und die letzten Blutstropfen rieselten zur Spitze und fielen nacheinander in das Moos.