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100 „So. Auch Du,“ Doegg verändert seine Haltung nicht, er spricht nur vor sich hin. „Im Martin
ist Feuer. Er kann recht werden, wenn das Mark in den Knochen und im Hirn ihm noch
wächst.“
„An des Herrn Schiffers Stelle würde ich darauf weniger bauen, als auf die Heirat. Man hat
gehört, daß Weiber die Meisterschaft im Hause führen. Ist manchmal schlecht, manchmal
gut; wie die Invalidenrente, die dem Herrn Tschummi so ein schönes Einkommen gibt, ohne
daß er etwas spürt vom Kranksein!“
Invalidenrente!!! In das Wort blickte Doegg wie in einen Abgrund.
„Nur schade“, fuhr Laban fort, „sie hört auf, die Rente. Der Bezirksarzt hat den Patienten
für gesund erklärt. Gott, was fragt er darnach. Die Frau kann ihm Keiner mehr nehmen!“
Ganz ruhig, ohne Zucken, empfing der Alte den Todesstoß. Das Erkennen kam hernach, als
der ewige Jude reptiliengleich in der Nacht verhuscht war.
Unterlegen!!
Grob, plump war der Viellebige überlistet von dem träge, schlau, bestimmt sein Ziel verfolgenden
Martin. Das gerühmte Einkommen bestand aus der Invalidenrente. Zu solch einem Mann
brachte es die Schiffer-Vren mit dem Lorleyhaar, das schönste Mädchen von Burkheim!
Kindlich, einfältig hatte der kluge Riese nicht gemerkt, was alle andern wußten. Sein Urteil
wurzelte in der Vorzeit, drum war er dem im Großstadtgetriebe gewürfelten, pfiffigen Burschen
von heutzutage unterlegen.
„Das ist Weltlauf. Weg mit den Originalen, den dem Boden entsprossenen und drin wurzelnden,
alle Höcker der Eigenart wachsen lassenden Heimatmenschen. Wir haben ein neues Wort:
„zeitgemäß.“ Wer das nicht auf seine Lebehsfahne schreibt, kommt unter den Schicksalspflug.
Er unterliegt.
*
❖ *
Verglommen das knatternde Raketenfeuer, verglüht die bunten Flammen ums alte Gemäuer,
zerstreut der Menschenschwarm. Nur die Weltenlichter funkelten noch. Weit draußen über den
Vogesen flammte ein Gewitter. Fahles Blitzgeflacker huschte schattenhaft in bleicher, wilder
Jagd über den Horizont. Der Rhein kochte vom Wetterleuchten überloht in strudelndem Gischt.
Es war Mitternacht.
Da landete das Boot.
„Der Vater ist fort!“ sagte Veronika schwer enttäuscht.
Martin nahms gleichmütiger: „Die Zeit wird ihm lang geworden sein!“ meinte er und kettete
den Nachen fest.
„Glaub mir, es ist etwas Böses passiert, sonst wär er nicht vom Posten gegangen, eh er gewußt
hätt, daß er Dir Dein neues Amt bestätigen kann.“
„S’wird ein Ding sein, ob er das daheim macht, oder da. Ich bin froh, daß die Reise vorbei
ist. Wenn Du mir nicht geholfen hättest, wären wir noch nicht da.“
 
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