„Ich helf Dir auch, wenn Du Fährmann bist!“ 101
„O Vren,“ er faßte sie rundum, „Du weißt nicht, wie ich mich freu. Mein Handwerk laß ich
für die Schifferei gern zurück. Daheim ist die Luft, wie wenn man lauter Tau trinkt, in den
Fabriken hab ich nie schnaufen können. Und dann die Stacheldrahtredensarten von den
Kameraden. Unsereiner macht ja mit. Für dumm will man nicht gelten. Wer zufrieden ist,
den verachten die andern. Aber es ist schöner, wenn man nicht immer schimpfen muß. Und
kurz und gut, wenn ich eins ins andere rechne, hat mich doch das Heimweh hergetrieben.
Ich mag halt nirgends anders sein als da am Kaiserstuhl.“
„Der Vater sagt nicht umsonst: „Es wachst Dir Mark in den Knochen“, bestätigte Veronika
glückselig.“
Als sie daheim ankamen, fanden sie Doegg zu Bett liegen. Drei brennende und eine
unangezündete Kerze standen auf dem Tisch. Alles im Raum, in der niederen Stube schien
anders als sonst, feierlich erhellt, geheimnisvoll durchleuchtet. Es lag etwas auf des Vaters
Gesicht, was man sonst nie an ihm gesehen hatte, etwas, das eigentlich außer ihm und über
ihm war, ein Widerschein von anders woher, der nur jetzt eben auf ihm leuchtete und dann
wieder verging.
Sohn und Tochter stürmten mit Reden auf ihn ein.
„Laßt mich. Warum hast mich betrogen, Marti,“ begehrte er müde zu wissen.
Der junge Mann erkundigte sich nicht: „was meint Ihr?“ Er wußte Bescheid. Diese Frage,
der er vor der Hochzeit zitternd entgegen gesehen, brachte ihn heute nicht mehr aus der
Fassung. „Die Lüge könnt ihr aufs eigene Gewissen nehmen, ich beicht sie nicht. Die Vren
und die Heimat hab ich anders nicht behalten können. Gebraucht hab ich aber beide nötig.
Und alle Wetter! — ich will halt, was ich will!“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch,
daß die Lichter flackerten.
Doegg kehrte still sein Gesicht gegen die Wand. Was soll er reden? Mit dem alten Leben
ist er fertig, und zufrieden, daß seine an den Strand gespülte Daseinswelle im Zerrinnen einer
andern Fahrt und Richtung gegeben. Er selbst begehrt nichts mehr. Ein neues Leben fängt
er nicht an. Wer unterlegen ist, hat genug gelebt!
„O Vren,“ er faßte sie rundum, „Du weißt nicht, wie ich mich freu. Mein Handwerk laß ich
für die Schifferei gern zurück. Daheim ist die Luft, wie wenn man lauter Tau trinkt, in den
Fabriken hab ich nie schnaufen können. Und dann die Stacheldrahtredensarten von den
Kameraden. Unsereiner macht ja mit. Für dumm will man nicht gelten. Wer zufrieden ist,
den verachten die andern. Aber es ist schöner, wenn man nicht immer schimpfen muß. Und
kurz und gut, wenn ich eins ins andere rechne, hat mich doch das Heimweh hergetrieben.
Ich mag halt nirgends anders sein als da am Kaiserstuhl.“
„Der Vater sagt nicht umsonst: „Es wachst Dir Mark in den Knochen“, bestätigte Veronika
glückselig.“
Als sie daheim ankamen, fanden sie Doegg zu Bett liegen. Drei brennende und eine
unangezündete Kerze standen auf dem Tisch. Alles im Raum, in der niederen Stube schien
anders als sonst, feierlich erhellt, geheimnisvoll durchleuchtet. Es lag etwas auf des Vaters
Gesicht, was man sonst nie an ihm gesehen hatte, etwas, das eigentlich außer ihm und über
ihm war, ein Widerschein von anders woher, der nur jetzt eben auf ihm leuchtete und dann
wieder verging.
Sohn und Tochter stürmten mit Reden auf ihn ein.
„Laßt mich. Warum hast mich betrogen, Marti,“ begehrte er müde zu wissen.
Der junge Mann erkundigte sich nicht: „was meint Ihr?“ Er wußte Bescheid. Diese Frage,
der er vor der Hochzeit zitternd entgegen gesehen, brachte ihn heute nicht mehr aus der
Fassung. „Die Lüge könnt ihr aufs eigene Gewissen nehmen, ich beicht sie nicht. Die Vren
und die Heimat hab ich anders nicht behalten können. Gebraucht hab ich aber beide nötig.
Und alle Wetter! — ich will halt, was ich will!“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch,
daß die Lichter flackerten.
Doegg kehrte still sein Gesicht gegen die Wand. Was soll er reden? Mit dem alten Leben
ist er fertig, und zufrieden, daß seine an den Strand gespülte Daseinswelle im Zerrinnen einer
andern Fahrt und Richtung gegeben. Er selbst begehrt nichts mehr. Ein neues Leben fängt
er nicht an. Wer unterlegen ist, hat genug gelebt!