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Berger, Hermann
Zwei Probleme der mittelindischen Lautlehre — München, 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.20586#0019
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EINLEITUNG

Bei der Durchsicht unserer Handbücher des Mi. fällt dem Sprachwissen-
schaftler eine merkwürdige methodische Inkonsequenz in der Behandlung der
Lautlehre auf. Während in den übrigen idg. Sprachen die endlose Diskussion
über Ausnahmen in den Lautgesetzen längst wichtigeren Problemstellungen
der Stammbildungslehre und Syntax gewichen ist, hat es die mi. Sprach-
wissenschaft vielfach überhaupt noch nicht zu eigentlichen Lautgesetzen
gebracht, sondern für eine ganze Reihe von lautlichen Veränderungen werden
einfach zwei oder mehrere Möglichkeiten zur Auswahl gestellt. Eine tiefere
Einsicht in die sprachgeschichtliche Entwicklung ist ohne Kenntnis der
Gesetze, nach denen sich die lautlichen Veränderungen vollziehen, bei keiner
Sprache möglich; bei den mi. Sprachen aber macht sich das Fehlen einer
gründlichen Durcharbeitung besonders schmerzlich fühlbar. Eine genauere
sprachwissenschaftliche Kenntnis des Mi. ist nicht nur für das Studium der
neui. Sprachen, sondern auch, wie heute mehr und mehr erkannt wird, für
die Beurteilung des Ai. von der größten Wichtigkeit, und auch die für die
Kulturgeschichte so bedeutsame Lehnwort forschung wird sich in vielen Fällen
nicht über das bloße Nebeneinanderstellen von ähnlich klingenden Wörtern
erheben können, solange die innere Entwicklung der arischen Sprachen noch
nicht gründlich genug erforscht ist. Der Grund für die Vernachlässigung
gerade der mi. Lautlehre ist aber leicht einzusehen. Das bisherige Interesse
der historischen Sprachwissenschaft war fast ausschließlich auf die Erschlie-
ßung der idg. Ursprache gerichtet und zog die späteren Entwicklungsstufen
der indischen Sprachen nur insoweit in den Kreis ihrer Betrachtung, als sie
für die Erklärung älterer Sprachstufen von Bedeutung sein konnten. Da nun
alles darauf hinweist, daß die historischen Prakrits samt und sonders auf
sprachliche Vorstufen zurückgehen, die mit dem Skt. zwar nicht identisch,
ihm aber doch zum Verwechseln ähnlich gewesen sein müssen, und die Iden-
tifizierung eines mi. Wortes mit dem verwandten Sanskritwort meistens keine
Schwierigkeiten bereitet, interessierten die weiteren Einzelheiten nicht mehr,
zumal da das Hauptvergnügen der älteren Sprachwissenschaft, die Rekon-
struktion nicht belegter prähistorischer Formen, dabei nicht nötig war. Dazu
kommt ein weiterer Grund. Schon bald nach dem Beginn der modernen mi.
Forschung hat sich die Meinung festgesetzt und bis heute gehalten, die mi.
Dialekte seien „Mischsprachen", in denen lexikalische und formelle Eigen-
tümlichkeiten verschiedener Dialekte so sehr miteinander vermengt seien,
daß unsere übliche vergleichende Methode von vorneherein auf geringen
Erfolg rechnen könne1. Wenn sich auch die Unrichtigkeit dieser Auffassung
nur durch systematisch zusammengestellte Einzelforschungen erweisen läßt,
so seien doch jetzt schon einige theoretische Vorbemerkungen über diesen
Punkt vorausgeschickt.
1 Für das Pali betont es besonders Geiger, p. 1. Der Ausdruck ,,Kunstsprache", der in
diesem Zusammenhang oft gebraucht wird, meint im Grund dasselbe.

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