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Berger, Hermann
Zwei Probleme der mittelindischen Lautlehre — München, 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.20586#0025
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DIE ENTWICKLUNG DES s IM PALI

Phonetische Vorbemerkungen
Bei der phonetischen Beurteilung des Lautwandels s > Vokal gerät der
Europäer leicht in Gefahr, seine eigene artikulatorische Neigung, vokalischem
r konsonantisches r + Vokal (oder Vokal + r) zu substituieren, auch für den
mi. Lautwandel vorauszusetzen und demgemäß für den Übergang bfyta >
bhata die Zwischenstufen 'bhrdta, *bhrata o.ä. ansetzen zu wollen. Daß aber diese
Auffassung nicht richtig sein kann, ergibt eine einfache Überlegung: wenn
bhsta über "bhrdta zu *bhrata geworden wäre, so hätte sich ein späterer Schwund
des r unter denselben Auswirkungen vollziehen müssen wie bei den in der
Sprache bereits vorhandenen Lautgruppen vom Typus Verschlußlaut + r,
nämlich mit Verdoppelung des vor r stehenden Konsonanten. Die Verdoppelung
tritt aber nirgends ein; es heißt apakata (< apakfta), nicht *apakkata. Der
Ansatz einer Übergangsstufe mit konsonantischem r ließe sich zur Not bei-
behalten, wenn man annimmt, daß der Wandel r > Vokal jünger ist als die
Assimilation in der Gruppe Verschlußlaut + r und im Gegensatz zu dieser
ohne Verdoppelung des vorhergehenden Konsonanten vor sich gegangen ist.
Aber gegen eine solche Annahme spricht zweierlei. Zunächst die phonetische
UnWahrscheinlichkeit, daß eine Liquida als Bestandteil einer Konsonanten-
gruppe völlig kompensationslos schwindet. Für das Indische wäre ein der-
artiger Vorgang doppelt merkwürdig, denn eines der hervorstechendsten
Merkmale der mi. Lautentwicklung besteht ja gerade darin, daß die p r o-
sodische Struktur im einzelnen Wort auch bei den
stärksten lautlichen Veränderungen unangetastet
bleibt15. Die Annahme, ein Wort wie apaksta sei vorübergehend fünf-
morig (*apakrata) gemessen worden, um dann in apakata wieder zu seiner
alten Struktur zurückzukehren, hat also recht geringe Wahrscheinlichkeit.
Ein zweites Argument liefert das Pali selbst. Hier finden wir eine ganze Reihe
von Wörtern, in denen sich die Kombination Verschlußlaut + r noch gehalten
hat, ohne daß Zweifel an der Sprach Wirklichkeit dieser Schreibungen auf-
kommen können. Ein Wort wie brähmana kann man nicht nur wegen seiner
Bedeutung, sondern auch wegen eines doppelten Verstoßes gegen mi. Laut-
gesetze (langes ä vor Doppelkonsonanz, nicht umgestelltes hm) unbedenklich
als gelehrte Entlehnung auffassen, bei citra, bhadra dagegen oder gar einem
Allerweltswort wie tatra „da", fällt es schwer, an einen Sanskritismus zu
glauben18. Die genannten Wörter sind vielmehr Zeugen dafür, daß die Assimi-
lation von konsonantischem r bei der ersten schriftlichen Fixierung des Pali-
Dialekts noch nicht ganz beendet war. Auch die Prakritgrammatiker lassen
für einzelne Wörter noch die Verbindung Konsonant + r zu; gelegentlich
15 Die Silbenzahl kann verändert werden, aber nicht die Morenzahl. pätayati verliert
bei dem Ubergang in päieti eine Silbe, bleibt aber fünfmorig; umgekehrt bleibt paduma
< padma auch nach dem Silbenwachstum durch Svarabhakti dreimorig.
16 Die Asoka-Inschriften, die r hinter Konsonant erhalten haben, sind keine unver-
dächtigen Zeugen, da es sich dabei um historisierende Schreibungen handeln kann
(vgl. p. 52 A 100). Die literarischen mi. Dialekte haben dagegen hinsichtlich der Ortho-
graphie ganz mit der Vergangenheit gebrochen.

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