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Altertumsverein zu Wien [Hrsg.]
Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu Wien — 5.1861

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Perger, Anton von: Über den Alraun
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https://doi.org/10.11588/diglit.68343#0302
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268

A. I?. v. Perger.

In früheren Zeiten glaubte man nämlich von der Gestaltung einer Pflanze auf ihre Kräfte schliessen
zu müssen, und weil man das erwähnte Fasernnetz einem Panzer ähnlich fand, trug man die Wurzel als
ein Schutzmittel gegen Verwundungen ’). An diesen beiden Alraunen der k. k. Hofbibliothek ist übrigens
nichts gekünstelt. Es sind die Wurzelschösse des Sieglauchs, wie sic in der Natur vorkommen, nur
dass sie verkehrt gelegt wurden, so dass die aufstrebenden Schösse nach abwärts gerichtet sind und die
Arme und Bein vorstellen.

Anders hingegen steht es mit

Figur C.

Die Nase ist sehr gross und an-


dern Alräunchen, welches in der Aus-
stellung des Wiener Alterthumvereins
zu sehen war und das zur schönenSamm-
lung mittelalterlicher Gegenstände im
Besitze des Herrn Karl Lemann,
gehört. Es ist jedenfalls aus einer
späteren als der Rudolphinischen Zeit
und grösstentheils künstlich gefertigt.
Es misst beiläufig 2*/2 Zoll Höhe. Nur
der Leib und die Füsse sind wieder
Wurzelschösse von Allium Victoriale.
Der Kopf, welcher so gross ist, dass
er fast ein Drittel der Länge des ganzen
Alrauns einnimmt, scheint aus einer
Brioniawurzel geschnitten zu sein, was
sich übrigens nicht genau bestimmen
lässt, da der Alraun in ein Kästchen
von Pappe eingeschlossen ist, welches
eine nähere Untersuchung verwehrt.

geleimt. Die Augen bestehen aus Glas-
perlen, welche eingesetzt wurden. Der
schwarze Schnurbart und der blonde
Knebelbart sind aus feinen geraden
Borsten (vielleicht aus den Spreuen
eines der grösseren Syngenesisten?)
gebildet. Der Kopf wurde mit einem an-
geleimten Bande an den Stamm be-
festigt, der von einem kleinen Mäntel-
chen von rothem Seidenstoff umhüllt
wird. Der kleine Pappkasten mit einem
giebelartigen Dach ist innen mit Rausch-
gold gefüttert und vorn durch eine Glas-
tafel geschlossen, durch welche der
Alraun mit seinen Glotzaugen, auf eine
wirklich etwas abenteuerliche Weise
hervorguckt. Woher dieser Alraun
stammt, ist nicht bekannt. Er befand
sich schon in der genannten Sammlung

als diese noch dem Vater des jetzigen Besitzers angehörte.
Meine Vermuthung, dass der Kopf dieses Alrauns aus Bryoniawurzel geschnitzt sei, gründet sich
darauf, weil mehrere Autoren dieser Wurzel als Verfälschungsmittel des echten Alrauns erwähnen. In
den „Secrets du petit Albert“ 1 2) wird ebenfalls eines Alrauns gedacht, der aus Bryonia geschnitzt ist,
und den ein Bauer verfertigte, dem eine Zigeunerin das Geheimniss anvertraut hatte. Er zog eine Bryonia-
wurzel bei einer günstigen Constellation des Mondes mit der Venus und dem Jupiter an einem Montag
im Frühling aus dem Boden, pflanzte sie in den Grabhügel eines eben verstorbenen Mannes und begoss
sie vor Sonnenaufgang einen Monat lang mit Molken von Kuhmilch, in welcher er drei Fledermäuse
ertränkt hatte. Dann zog er sie aus. Sie war nun der Gestalt eines Menschen weit ähnlicher geworden
als früher: Dann heizte der Bauer seinen Ofen mit Jsenkraut (Verbena officinalis), trocknete sie und ver-
wahrte sie hierauf in einem Säckchen aus einem Stück Leinwand, in welche eine Leiche gehüllt war.

So lang er diese Wurzel besass , war er glücklich im Handel, gewann im Spiel, fand verschiedene Dinge
auf dem Wege und nahm täglich an Wohlstand zu. — Schade, dass diese Alraune in neuerer Zeit ihre
Wirksamkeit verloren! —

1) Perger. „Studien deutscher Pflanzennamen; Monocotyledouen.“ In den Denkschriften der k. Akademie der Wissensch.
zu Wien. 1860. XVIII. Bd. 72.
2) Lyon 1718. A. 169. Aldrovandi, de monstris, f. 669, bildete einen solchen aus Bryonia geschnitzten Alraun ab.
 
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