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Bernoulli, Johann Jacob
Die erhaltenen Darstellungen Alexanders des Grossen: ein Nachtrag zur griechischen Ikonographie — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1010#0039
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36 ETHISCHE BILDNISSE

Azaraherme allein lässt sich der Beweis der Alexanderbedeutung
ganz unmöglich basieren. Ich wüsste nicht einen einzigen Zug nam-
haft zu machen, der direkt auf sie hinwiese. Die ungefähr gleiche
Länge des Haares kann doch nicht als ein solcher angesehen werden,
denn die Anlage desselben ist ganz verschieden; vollends sind es
die Grössen Verhältnisse des Gesichts zum Schädel, die Gestalt des
letzteren selber, der Charakter des Stirnhaars. Ich muss beinahe ver-
muten, dass in erster Linie nicht diese unerkennbare Ähnlichkeit,
sondern der Fundort und das Diadem an Alexander haben denken
lassen. Aber ob die schleifenlose Binde wirklich ein Diadem ist und
ob dieses schon dem Knaben oder Epheben Alexander gegeben
wurde, ist sehr die Frage. Nur der Fundort und die über der Stirn
auseinandergehenden Locken, welche an dem gleich zu besprechen-
den Sieglin'schen Köpfchen wiederkehren, geben der Deutung noch
einen gewissen Halt.

Und nun die Urheberschaft des Lysipp. Es muss Einem
seltsam vorkommen, dass der Künstler, der den Alexander vorzugs-
weise jugendlich dargestellt hatte — denn Lysipp konnte ja vor-
aussetzlich nur bis zum Perserzug, dem 22te» Lebensjahre des
Königs, persönlich mit ihm verkehren —, nach dessen Tode Anlass
genommen haben soll, ein Bildnis des Mannesalters (die Azaraherme)
wieder in das eines Jünglings umzugestalten. Es lag doch gewiss
näher, sich dabei einfach an die früheren Jugendbilder, event. sogar
an die von anderen Künstlern zu halten. Und worin soll sich der
lysippische Stil dokumentieren? Hauptsächlich in der charakter-
istischen Querteilung der Stirn, welche das Köpfchen mit dem
Apoxyomenos gemein hat. Aber an der Azaraherme, die auch
lysippisch sein soll, fehlt sie oder ist sie kaum für das Auge vor-
handen, ohne dass Schreiber daran Anstoss nimmt, während sie
doch hier, an dem älteren Kopf, viel besser und natürlicher am
Platze gewesen wäre, als an dem Jünglingskopf.1 Auf so prekäre
Merkmale hin, noch dazu bei einer verkleinerten, flüchtig gearbeiteten
und vielfach verstossenen Copie ist es m. E. gar nicht möglich, die
Schule und den Meister zu bestimmen.2

1 Darauf macht, wie ich sehe, auch Kopp in seiner Anzeige des Schreiber'schen
Buches, in den Neuen Jahrbb. für das klassische Altertum 1904. p. 166 aufmerksam.
* An anderem Orte (Stud. p. 215) gesteht Schreiber selber zu, dass diese kleinen
Marmorrepliken stilistisch wertlose Nachbildungen sind.
 
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