Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bernoulli, Johann Jacob
Die erhaltenen Darstellungen Alexanders des Grossen: ein Nachtrag zur griechischen Ikonographie — München, 1905

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1010#0040
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SIEOLIN'SCHES KÖPFCHEN 37

Dem angeblich lysippischen Jugendbildnis stellt der Verfasser
der Studien ein anderes alexandrinisches Köpfchen gegenüber, jetzt
in der Sammlung Sieglin in Stuttgart (abgeb. Fig. 7 u. 8), das er
einem attischen Künstler zuschreibt. Dasselbe ist von ähnlich kleinem
Massstab, aber besser, ja vollkommen erhalten und wenigstens im
Gesicht mit grosser Sorgfalt und Empfindung ausgeführt. Der
Hinterkopf ist senkrecht abgeschnitten, d. h. er war von Anfang an
gar nicht vorhanden. Dieses Köpfchen zeigt auffallend ideale Formen,
wie sie im Durchschnitt selbst den vergötterten Fürsten nicht mehr
gegeben wurden. Schreiber begründet seine Deutung auf die Über-
einstimmung mit der Azaraherme in der Stirnbildung, in dem hoch-
sitzenden Auge und namentlich in der Haaranordnung über der
Stirn. Ich kann zwar in all diesen Punkten und zumal in der An-
ordnung der Stirnlocken nur wieder Verschiedenheiten sehen, und
in dem kleinen Köpfchen nur wieder ein ebenso abweichendes und
schwer zu vereinigendes Bildnis wie beim vorigen. Indes auch ich
glaube, dass bei ihm an Alexander gedacht werden kann; nur nicht
wegen seiner Ähnlichkeit mit der realistischen Azaraherme, sondern
weil das Profil und der schwärmerisch aufwärts gerichtete Blick stark
an den Typus der Lysimachosmünzen erinnern, welche hier der ge-
gebene Massstab sind. Und dann ist es vielleicht von einiger Be-
deutung, dass ein ebenfalls aus Aegypten stammendes zweites
Sieglin'sches Köpfchen (abgeb. Schreiber Stud. p. 54), das die
gleiche Person wie jenes darzustellen scheint, wirklich das für
Alexander bezeichnende normale Aufstreben der Stirnhaare zeigt.
Der Kopf der Lysimachosmünzen mag in den besseren Exemplaren
bedeutender erscheinen und etwas Männlicheres haben; bei einem
kleinen idealisierten Marmorköpfchen konnte dieser Charakter
leicht etwas zu kurz kommen. — In der Zuteilung zur attischen
Schule, d. h. in der Annahme, dass es das Werk eines nach Alexan-
dria verschlagenen attischen Künstlers, hat Schreiber wohl Recht.
Eine so zarte Behandlung der Gesichtsformen geht eben doch über
das sfumato der Alexandriner hinaus und erklärt sich am leichtesten
als praxitelische Tradition.1

Wenn das Sieglin'sche Köpfchen Alexander darstellt, was nicht
positiv entschieden werden kann, so wäre man veranlasst, das Motiv
der über der Stirnmitte auseinandergehenden Locken, obgleich es
an sich sehr verschieden von dem stramm aufsteigenden linksseitigen

1 Vgl. Amelung Dell' arte alessandr. im Bull, cornun. 1897. p. 138.
 
Annotationen