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Bernoulli, Johann Jacob
Die erhaltenen Darstellungen Alexanders des Grossen: ein Nachtrag zur griechischen Ikonographie — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.1010#0154
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DER ALEXANDER-HELIOS DES CHARES 151

Die anderen Künstler, von denen Darstellungen des Philipp er-
wähnt werden, Euphranor und Leochares, waren beide Zeit-
genossen desselben.

Was sodann die Schreiber'sche Herbeiziehung der zwei kleinen
Bronzen betrifft, so kann ich nur das oben Gesagte wiederholen: Ich
halte die Rückführung der Londoner Bronze auf das Original des
capitolinischen Kopfes für eine zwar mögliche (weil in dieser Be-
ziehung Vieles möglich ist), aber typisch nicht gerechtfertigte und
daher nicht wahrscheinliche Hypothese. Nacktheit und Schritt-
stellung mögen jenem Original ebenso wie der Bronze eigen gewesen
sein; die körperliche und seelische Bewegung aber war stärker und
die Haltung der Arme, wie man aus der voraussetzlichen Schulter-
höhe entnehmen muss, die umgekehrte.

Bei der Berliner Bronze ist zu unterscheiden zwischen der all-
gemeinen Deutung auf Helios und der speziellen auf den Coloss des
Chares. Jene ist durch die Gemme, den Aufblick, das Stirnhaar, die
mutmasslich in der Linken zu ergänzende Peitsche so mannigfach
empfohlen, dass man wohl geneigt sein kann, ihr beizustimmen,
obgleich die von den Befürwortern angeführten Gründe für das
Fehlen des Strahlenkranzes, des Viergespanns und der Zügel1 über-
aus schwach sind. Diese beruht einzig auf der Verwandtschaft des
Körpermotivs mit dem der Londoner Bronze, woraus auf die Urheber-
schaft des gleichen Künstlers geschlossen wird. Der Grund hat
aber natürlich bloss Sinn unter den drei unerwiesenen Voraussetzungen,
dass die Londoner Bronze ein Alexander-Helios, dass sie von Chares,
und dass sie später als der Coloss entstanden sei. Denn an sich
spricht die Gleichheit des Körpermotivs durchaus nicht für die
Gleichheit des Künstlers, zumal nicht eines solchen, der einiger-
massen auf Originalität Anspruch macht. Indes wenn einmal Alexan-
der als Helios sollte dargestellt werden, so durfte Chares am Ende
das Körpermotiv des Colosses wiederholen. Man muss sich nur
wundern, dass er das Körpermotiv beibehalten, dabei aber den eigent-
lich künstlerischen Vorwurf eines rosselenkenden Sonnengottes mit
Zügel und Peitsche2 aufgegeben hat. Aber die Beziehung der Berliner
Bronze auf den Coloss des Chares ist einfach unmöglich. Die
schweren Formen,8 das Motiv der Arme und die doch eigentlich sehr
massige Originalität der Erfindung sprechen gleichermassen dagegen.

1 Schreiber p. 269. * Vgl. Schreiber p. 12S.

3 Eurtwängler Jahrb. d. Inst. VI. Anz. p. 123.
 
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