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Kriegseinsatz der
deutschen Romanistik

(Fortsetzung von Seite 1)

Frankreichs, zu Deutschland gewesen sei und
noch war. Von dieser Blickrichtung aus wurde
die Forschung wesentlich angeregt, wenn schon
— wie oft bei neuen Bewegungen — gelegent-
lich zu weitgehende Folgerungen gezogen, ver-
einzelte Erscheinungen zu sehr verallgemeinert
wurden. Doch sorgte wie immer so auch hier
die in der deutschen Romanistik ungemein leb-
hafte und scharfe Kritik für die Begrenzung sol-
cher Ergebnisse.

Die Romanistik, die also von sich aus
■— da Sprache und Literatur ihr ureigenes
Forschungsgebiet sind — das gestellte For-
schungsproblem in Angriff nehmen konnte, hat
außer der Zeitungswissenschaft nur noch die
Hilfe einiger juristischer Mitarbeiter in An-
spruch nehmen müssen; alle anderen Untersur
chungen gehen von ihr selbst aus. Der Vertei-
lung der Einzelthemen lag der Wunsch zu-
grunde, daß möglichst alle Dozenten — soweit
sie überhaupt mitarbeiten konnten, und es ist
fast die Gesamtheit! — zur Mitarbeit heran-
gezogen werden sollten, auch diejenigen, die
mit nichtfranzösischen Fragen beschäftigt wa-
i/en, und daß möglichst jeder aus seinem beson-
deren Forschungsgebiet und seiner derzeitigen
Arbeit sich beteiligen sollte, ohne irgendwel-
chen Zwang, durch den höchstens der objek-
tive Wert der Gesamtarbeit gefährdet werden
könnte. Es ergaben sich drei Unterabteilungen,
in denen die zur Diskussion stehenden Probleme
in einer sinngemäßen Ordnung zusammengefügt
sind:

1. Volkstum und S.p räche, 2. Frank-
reichs Weltbild, 3. Frankreich und
Europa. In der letzten Gruppe, die sich nach
ihrem geistigen Gehalt mehrfach mit der zwei-
ten Gruppe berührt, hat das Problem des Ver-
hältnisses Deutschland-Frankreich naturgemäß
die stärkste Bearbeitung gefunden. Eine Über-
sicht über die vorläufig geplanten Untersuchun-
gen läßt die Weite der gesamten Problemstel-
lung erkennen. Es werden also die folgenden
Themen bearbeitet:

In Gruppe I (Volkstum und Sprache): ,
Das französische Volkstum (völkische Ver-
schiedenheit und nationale Einheit)—Regiona-
lismus und Zentralismus in Frankreich. — Die
Insel Korsika (Land, Geschichte, Volkstum,
Sprache). — Die sprachliche Gliederung Frank-
reichs. — Die Anglomanie in Frankreich. — Der
politische Wortschatz der Franzosen. — Der
französische Adel und das Schrifttum. — Der
Primatanspruch der französischen Sprache. —
Die sprachliche Ausstrahlung des deutschen
Volksbodens in Ostfrankreich. — Das Ger-
manentum in Frankreich.

In Gruppe II (Frankreichs Weltbild):
Nation und Religion (der Gallikanismus) in
Frankreich — Die Formung des tischen

"""'iwFr,»,-," -

-,£iehungs- und Bildungsiaeale — Drei Jahr-
hunderte französischer Willensbildung — Die
französische Presse in der Satire von 1600 bis
1940 — Frankreichs Vorstellung von Staat und
Nation — Denkformen der Gemeinschaftsbil-
dung im französischen Schrifttum des 19. und
20. Jahrhunderts — Frankreichs Vorstellung
von der Rasse — Der französische Volksbegriff,
seine Entwicklung im politischen Schrifttum
und seine Staats- und völkerrechtlichen Aus-
wirkungen— Autoritäre Bewegungen im moder-
nen Frankreich.

In Gruppe III.(Frankreich und Eu-
lopa):

a) Deutsche und französische Dichtung im
Mittelalter — Deutsches religiöses Denken
im Frankreich der Reformationszeit—Deutsch-
landbild und Lutherauffassung in Frankreich

— Die französische Klassik und Europa —
Bild- und Wortkunst im Dienste der natio-
nalen Gemeinschaft und der politischen
Propaganda in Frankreich im Zeitalter der
nationalen Festigung (von Franz I. bis Lud-
wig XIV.) — Frankreich und der Geist des
Westfälischen Friedens — Leibniz und Frank-
reich — Frankreich und Preußen — Deutsch-
end in der Begegnung Voltaires und Fried-
richs d. Gr. — Die politische Lyrik der fran-
zösischen Romantiker — Hegel und die
Franzosen — V. Cousin und der deutsche
Geist — Das Paris-Erlebnis der Deutschen
und das Berlin-Erlebnis der Franzosen von
1815—1939 — Eine Arbeit über Taine —
Französische und provenzalische Philologie
in Deutschland und in Frankreich — Pan-
germanismus. Werdegang eines politischen
Schlagwortes — Das französische Deutsch-
landbild der Neuzeit.

b) Frankreich und das kulturelle Selbst-
bewußtsein Italiens — Das Italienbild der
Franzosen — Das Verhältnis Spanien-Frank-
reich vom Mittelalter bis zum 17. Jahrhun-
dert — Frankreich und Spanien im 18. Jahr-
hundert — Das Verhältnis Frankreich-Spa-
nien im 19. und 20. Jahrhundert — Staats-
philosophisches Denken in Spanien — Das
Frankreichbild der Portugiesen — Frank-
reichs Kulturpropaganda in Prag 1918—1939

— Der französische Einfluß in der Verfassung
des Nachkriegs-Österreich — Die ungarisch-
rumänische Frage.

Alle die genannten Themen, nach bewähr-
ter Tradition in objektiver Sachlichkeit und
sorgsamer Kritik behandelt, werden als ein-
zelne Bände, nicht etwa als größere Aufsätze zu-
sammengefaßt in Handbuchformat — ein Hand-
buch der Frankreichkunde besteht schon —,
veröffentlicht; sie wenden sich insgesamt an
ein größeres Publikum, nicht nur an den Kreis
der engeren Fachgenossen.

Seite 2 / Die Bewegung / Folge 8

Was wird mit Indien?

Von Reichshaupiamtsleiter Dr. A. Dresler

Durch die Eroberung der Malaien-Halbinsel
und den Einmarsch nach Burma bedroht Japan
heute- das „Herzstück" des englischen Empire,
Indien. Außerdem hat Japan zu Lande durch
die am 12. Februar erfolgte Erstürmung der von
den Engländern als „Gibraltar des Ostens" be-
zeichneten Festung Singapore auch noch das
Tor zum Indischen Ozean aufgestoßen. Nie-
mals, seit die Engländer ihre Herrschaft über
Indien aufgerichtet haben, hat eine so unmit-
telbare Bedrohung stattgefunden. Alle frühe-
ren Eroberungen Indiens von Alexander d. Gr.
bis zu den Mongolen erfolgten von Nordwesten
und von Norden aus. Aus der gleichen Rich-
tung sind auch die beiden einzigen Bedrohun-
gen gekommen, denen Indien unter englischer
Herrschaft ausgesetzt war. 1798 landete Napo-
leon I. in Ägypten, um von dort nach Indien
vorzustoßen, das er mit Recht schon damals als
eines der mächtigsten Positionen des englischen
Weltreichs ansah. Von Kairo aus trat er in Ver-
bindung mit Tippu Sahib, dem Sultan des süd-
indischen Fürstentums Myrose, der bereits 1790
bis 1792 einen freilich erfolglosen Kampf gegen
die Engländer geführt hatte, bei dem er sein
.halbes Reich verlor. Den Engländern aber gelang
es, Napoleons Vormarsch in den Orient bei Ak-
kon zum Stehen zu bringen, worauf der Korse
1799 seine Truppen verließ, die 1800 kapitulieren
mußten, und ebenfalls 1799 schlug der Gouver-
neur von Indien, Lord Wellesley — übrigens
der Bruder des Herzogs von Wellington, des spä-

teren Siegers von Waterloo, Tippu Sahlb, der
bei der Erstürmung seiner Hauptstadt den Tod
fand. Damit war die erste Bedrohung der eng-
lischen Herrschaft über Indien von außerhalb
abgewandt. Ernster wurde die gegen Ende des
19. Jahrhunderts beginnende Gefährdung durch
die Ausdehnung Rußlands nach Südosten. Das
russische Vordringen gegen Indien, das in Ge-
stalt der Besetzung von Meru 1884, von Pänideh
und des Pamir-Gebietes 1892 geschah, kam erst
durch den englisch-russischen Vertrag von 1907
zum Stehen, durch den Persien in eine russische
und eine englische Interessensphäre aufgeteilt
und so eine weit vorgeschobene Sicherungs-
zone vor Indien errichtet wurde.

Waren die erwähnten Bedrohungen Indiens
von Westen bzw. Nordwesten ausgegangen, so
begann England infolge des Aufstieges und Er-
sta'rkens Japans seit dem Beginn des 20. Jahr-
hunderts auch mit der Möglichkeit einej Be-
drohung Indiens von Osten her durch Japan zu
rechnen. Um dieser möglichen Gefahr vorzu-
beugen, schloß England 1902 ein Bündnis mit
Japan, bei dessen Erneuerung im Jahre 1905
ausdrücklich eine japanische Garantie der Gren-
zen Indiens eingefügt wurde. Tatsächlich ist
durch diese Garantie die Sicherheit Indiens
gegen Osten bis zum Kriegseintritt Japans vom
8. Dezember 1941 gewährleistet gewesen. Der
japanische Vorstoß in den indischen Raum stellt
zum ersten Male die Frage nach der Stärke der
britischen Herrschaft in Indien.

Ein folgsamer Diener Großbritanniens

Im Gegensatz zu Kanada oder Australien ist
Indien nicht von Engländern besiedelt worden,
sondern seine rund 390 Millionen Einwohner
werden von nur wenigen Zehntausenden eng-
lischer Beamten mit Hilfe einer nur wenig grö-
ßeren Zahl englischer Offiziere und Soldaten
regiert, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit wie-
der in die Heimat zurückkehren, um dort in
Ruhe ihre Pension zu verzehren.

Immer wieder ist es den Engländern gelun-
gen, durch eine künstliche Schürung des Gegen-
satzes zwischen den 280 Millionen Hindus und
den 90 Millionen Mohammedanern, durch die
Begünstigung der 562 noch mit einigen Hoheits-
rechten ausgestatteten indischen Fürsten und
die Berufung von 110 Fürsten in eine soge-
nannte Fürstenkammer, durch Verhaftung der
führenden Persönlichkeiten, durch Intrigen und
Ränke jeder Art die indische Nationalbewe-
gung niederzuhalten. So bildet dehn Indien
zwar eine geographische und wirtschaftliche,
aber keine politische Einheit. Völkisch gesehen
zerfällt es, abgesehen von geringfügigen Resten
alter Urbevölkerungen in die im Norden und
in der Mitte überwiegenden Hindus und die im
Süden stark vertretenen Drawide" u ihnen
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hunderts auch noch türkisches und mongoli-
sches Blut in beträchtlichem Ausmaße hinzu-
gekommen. Die völkischen Unterschiede kom-
men vor allem darin zum Ausdruck, daß die
Drawiden die niederste Stufe in der Kasten-
ordnung,' die sogenannten Unberührbaren, die
Unfordables, darstellen. Religiös bekennen sich
von der Bevölkerung Indiens 290 Millionen zum

Hinduismus und 90 Millionen zum Mohamme-
danismus, ein Gegensatz, der sich bei reli-
giösen Festen, Prozessionen usw. des öfteren in
blutigen Zusammenstößen entlädt. Auch sprach-
lich herrscht unter der Bevölkerung Indiens
keine Einheit, aus der alten Literatursprache
des Sanskrit haben sich siebzehn Umgangsspra-
chen herausgebildet, neben denen noch zahl-
reiche Dialekte bestehen, die insgesamt von
etwa 265 Millionen gesprochen werden.

Unschätzbar sind die Dienste, die Indien
England durch Stellung von Truppen geleistet
hat. Da England selbst im Frieden nur über
ein sehr geringes stehendes Heer verfügt, ha-
ben die indischen Truppen seit langem eine
wichtige Rolle gespielt.

Im gegenwärtigen Krieg haben indische Trup-
pen an der Verteidigung von Britisch-Somali-
land, der Eroberung von Abessinien — wobei
sie sich vor allem in den erbitterten Kämpfen
um Keren auszeichneten —, in den beiden Of-
fensiven gegen die Cyrenaica, bei der Nieder-
werfung des Iran und des Irak teilgenommen,
ja, man kann ohne Übertreibung sagen, daß .
die Engländer nur dem rücksichtslosen Einsatz
und dem Hinopfern dieser Truppen ihrer

ten, die ihnen sonst versagt geblieben waren.^
Bei der Verteidigung der Malaien-Halbinsel
aber konnten japanische Berichte Ende Dezem-
ber 1941 zum ersten Male davon berichten, daß
indische Truppen ihre britischen Offiziere er-
schossen und den Kampf einstellten, ja, einige
Abteilungen gefangener Inder sich sogar den
Japanern zum Kampf gegen die Engländer zur

Verfügung stellten. Bei dem Angriff auf Singa-
pore z. B. hat eine indische Artillerieabteilung
erfolgreich mitgewirkt. Es scheint, daß durch
den japanischen Vorstoß in den indischen
Raum zum ersten Male die Treue zum minde-
stens eines Teiles der indischen Armee ins
Wanken geraten ist. Wie wenig sicher sich die
Engländer ihrer Herrschaft in Indien fühlen,
beweist der Umstand, daß sie sich an Mar-
schall Tschiangkaischek mit der Bitte um Hilfe
bei der Verteidigung Indiens gewandt haben.
Statt daß Indien noch weiter Truppen für Eng-
lands außerindische Ziele liefert, muß es also
heute bereits selbst von nichtbritischen Trup-
pen verteidigt werden, eine Umkehrung, die
deutlicher als alles andere den Ernst der Lage
kennzeichnet.

Die Stunde hat geschlagen

Es wäre verfehlt, schon jetzt über die Zu-
kunft Indiens etwas sagen zu wollen. Eng-
land hat die vom National - Kongreß immer
wieder gestellte Forderung eines Dominion-
Statuts bisher abgelehnt und die mehrfach ge-
gebenen Versprechungen einer Selbstverwal-
tung unerfüllt gelassen. Erst unter dem Ein-
druck der Eroberung von Singapore kündigte
der Staatssekretär von Indien, Amery, im Un-
terhause an, die indische Regierung sei aufge-
fordert worden, in das Kriegskabinett und den
Pazifik-Kriegsrat Vertreter zu entsenden, die
im gleichen Range stehen würden wie jene
der Dominien. Selbstverständlich ist mit die-
sem kleinen Zugeständnis das Freiheitsstreben
Indiens in keiner Weise befriedigt. Der indi-
sche Kongreß allerdings hat seine bisherige
Opposition gegen die Zusammenarbeit mit der
englischen Regierung nicht fortgeführt, son-
dern vielmehr mit Marschall Tschiangkaischek
Verbindung aufgenommen. Der geistige Füh-
rer des Kongresses, Gandhi, hat den Ehren-
vorsitz des Kongresses niedergelegt und als
seinen Nachfolger Pandit Jawarhal Nehru,
welcher seit langem mit Sowjetrußland sym-
pathisiert und ein persönlicher Freund des
bisherigen britischen Botschafters in Moskau,
Sir Stafford Cripps ist, ernannt. Außerhalb In-
diens aber haben sich zahlreiche Inder zu ent-
schlossenem Kampf gegen die Unterdrückung
und Ausbeutung ihrer Heimat zusammenge-
schlossen. So ist in Bangkok ein freies indi- ,
sches Hauptquartier gebildet worden, um das
sich eine Truppe indischer Freiwilliger ge-
schart hat. Die 400 000 auf der Malaien-Halb-
insel wohnender Inder haben sich offen auf
die Seite der Japaner gestellt, und in Tokio
hat eine Versammlung hinduistischer und rno-
hammedanischer Inder die Beilegung der sie
trennenden Gegensätze erklärt und die volle
Freiheit Indiens gefordert. Nachdem bereits Ka-
nada und Australien aus dem Bereich des
Er/,r"ire mehr und rrphr in den d<->r USA. hin-
übeVgieiten,•■ droht'"■ äüreh die si&'/e' der Hvut'-
glieder des Dreimächtepaktes nunmehr auch
der Verlust des Herzstückes des Empire, In-
diens. Die Stunde hat geschlagen, in welcher
das weltumspannende, auf plutokratischer
Raffgier und brutalster Ausbeutung fremder
Völker aufgebaute britische Reich seinem un-
aufhaltsamen Verfall entgegengeht.

iiiiii.......iimiminimmiiiMiimtiiMiimi.........iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiTiiiiiiiiiiitiiiiiiiniiiiiii......mnmiiiiiiiiim......imiiiiiiiiiiiimiimimimmintuiiiiimiiiiiiiiiiHiiiiiiiii.........miiiiiiiiiininimiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii

Es ist selbstverständlich, daß bei dieser durch
den jetzigen Krieg, aber auch durch die voran-
gehenden spannungsreichen Jahrzehnte aus-
gelösten Forschungsaufgabe die rein ästhetisch-
formalistischen oder philologischen Fragen
nicht als autonomer Selbstzweck im
Vordergrund des Interesses stehen. Sie kön-
nen aber keineswegs ausgeschaltet werden,
weil ja gerade der außergewöhnliche Sinn des
Franzosen für eine geschmackvolle Form in
wichtigen Bezirken des kulturellen Lebens —
bis zu der keineswegs gering zu achtenden Ge-
schmackskultur des Essens und Trinkens! —i
ebenso charakteristisch ist, wie ihr in scharfem
Gegensatz dazu stehendes Versagen in hygieni-
schen und rassischen Fragen. In keinem an-
deren Lande wohl sind so erbitterte Kämpfe um
neue literarische oder sprachliche Ideale aus-
getragen worden wie hier; sie spielen natür-
lich ihre nicht geringe Rolle auch beim Zu-
sammentreffen mit fremdnationalen Werten.
Aber diese Kämpfe, seien sie nun entbrannt bei
solchen Berührungen, z. B. zwischen französi-
scher und deutscher Literatur und Kunst oder
bei der Ablösung veralteter Formen durch neue
innerhalb des französischen nationalen Kunst-
und Geisteslebens, nehmen in ihrer kompromiß-
losen Heftigkeit und in ihrer Zuordnung zum
gesamten kulturpolitischen Dasein eben die
Form politischer Auseinandersetzungen
an. Politisches Denken und Wirken durchpulst
das literarische wie sprachliche Leben Frank-
reichs in einem Maße, wie wir es in Deutsch-
land nicht gewöhnt sind. Die staatliche Förde-
rung des Sprachlebens im 17. Jahrhundert
durch Gründung und Statuierung der Academie
francaise (1635) war ebenso eine politische
Aktion wie alle spätere Pflege und Unterstüt-
zung der französischen Sprache und Literatur
in den europäischen Ländern; sie dienen da-
zu, Frankreichs Ansehen im Frieden zu bewah-
ren und zu erweitern. Mit seiner von der Uni-
versitätsgründung bis zum Kino reichenden
Kulturpropaganda hat Frankreich ebenso ziel-
bewußt wie erfolgreich in friedlicher Weise
für seine Vorherrschaft geworben. Und erst
recht politisch deutbares Kämpfertum spricht
zu uns aus allen Widerständen und Abwehr-
bewegungen, die der französische Geist gegen-
über den oft zuerst — dank seiner beweglichen
Aufgeschlossenheit — rasch und begierig auf-
genommenen, besonders deutschen Gütern auf-
gebracht hat. Aber selbst bei den seit über ein

Jahrhundert währenden heißen, rein literari-
schen Kämpfen um die Werte der Klassik oder
Romantik handelt es sich um nationalpolitische
Auseinandersetzungen, die überaus aufschluß-
reich für französische Art sind. Aus der
Summe all dieser Kräfte läßt sich schließlich
eine breite Grundlage schaffen, von der aus
der Weg zur völkerpsychologischen Betrach-
tung, zur Erschließung der bestimmenden
Mächte im französischen Volk eröffnet werden
kann. Damit würde die Forschung vor dem

letzten ersehnten Ziel stehen, mit dessen Ver-
wirklichung der denkbar größte nationale Nut-
zen auch von Seiten unserer Disziplin erarbei-
tet wird. Von dieser letzten und höchsten
Warte aus: tiefe Erkenntnis der Wirklichkeit
des Nachbarvolkes, um desto sicherer das un-
bedingt nötige vernünftige Verhältnis zwischen
beiden Nationen herzustellen, ist auch dieser
geistige Kriegseinsatz eine nicht geringe Leir
stung zup Aufbau des kommenden neuen
Europa.

Die deutsche Forschungsgemeinschaff

Eine letzte Frage, die vielleicht gerade von
studentischen Kreisen erhoben werden kann,
ob es sich bei dem ganzen Kriegseinsatz nicht
ausschließlich um ein Unternehmen handle, bei
dem allein der Hochschullehrer auf seine Ko-
sten käme, aber nicht seine Hörerschaft, ist
leicht zu beantworten. Gewißlich wird, wie am
Eingang betont, jeder Dozent seinen „Einsatz"
in der Zurückgezogenheit seiner Studierstube
formen, aber es wird keinen unter ihnen geben,
der nicht gerade von der Größe und Verant-
wortungsschwere dieser seiner Aufgabe der-
art gepackt wäre, daß er seinen Hörern in
Vorlesungen oder Seminarübungen nicht ent-
scheidende Kenntnisse davon übermitteln
würde. Forschung und Lehre haben gerade in
neuerer Zeit einen Bund geschlossen, von dem
für beide Teile immer nur die allergünstigsten
Wirkungen ausgestrahlt sind; Forscher und
Lehrer sollen und müssen auch in Zukunft die
harmonische Einheit bilden, durch die er im-
stande ist, die Forschung ebenso zu bereichern,
wie die ihm anvertraute Jugend. Und diese
heutige Jugend, die mehr denn je für das
flutende kämpferische Leben der Völker in-
teressiert ist, wird gerade bei diesen Proble-
men stärkste Anregung empfangen und leicht
die Begeisterung aufbringen, die immer wieder
rückstrahlend dem Dozenten den edelsten Lohn
seiner Arbeit beschert, mag diese sich nun
in der einfachen Form der rezeptiven Aneig-
nung wertvoller Erkenntnisse oder in der höhe-
ren Form der praktischen Mitarbeit von Disser-
tationen äußern, zu denen die gewaltige Weite
und Tiefe des zur Diskussion gestellten Grund-
problemes wahrlich reichlich fesselnde Gele-
genheiten bietet und schon geboten hat.

So wie hier die Möglichkeit der kamerad-

schaftlich-vertrauensvollen Zusammenarbeit er-
höht wird, so hat der „Kriegseinsatz" — das
sei zum Schluß in dankbarer Freude betont —
eine enge Fühlungnahme innerhalb des großen
Kreises der Romanisten, also der Hochschul-
lehrer, zur Folge gehabt wie nie zuvor, ins-
besondere auch zwischen der älteren und
jungen Generation, die geschlossen an der
Arbeit sich beteiligt, soweit sie nicht im
Felde steht. Aber auch deren Mitarbeit soll
später Wirklichkeit werden, da alle Maßnah-
men von der „Deutschen Forschungsgemein-
schaft" in großzügigster Weise getroffen sind,
um die unter ihrer Führung und kraftvollen
Unterstützung einmal begonnene Zusammen-
arbeit auch in Zukunft weiter zu gestalten und
zu bewahren. Der Zusammenhalt wird auch
weiterhin durch Tagungen, wie sie die Roma-
nistik im vergangenen Jahr zweimal mit stärk-
stem Erfolg und in vorbildlicher Harmonie (in
Berlin und Weimar) abgehalten hat, ebenso
aufrechterhalten werden, wie der Kontakt mit
den benachbarten Disziplinen, damit der Be-
griff der „Gemeinschaftsarbeit" nicht verloren
geht. Der „Deutschen Forschungsgemeinschaft"
und Prof. Ritterbusch ist der Dank aller Betei-
ligten gewiß, für jetzt und in der Zukunft!

Haupt5Chriftleiter: Dr. Heinz W o 1 f f. Anschrift der Haupt-
schriftleitung: München, Schellingstr. 39. Fernruf 20801. Für
den Anzeigenteil verantwortlich Joh. Bartenschlager.
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