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Wissenschaft im Kampf
um Reich und Lebensraum

Von Prof. Dr. Paul Ritterbusch

Der Krieg ist und war immer die geschicht-
liche Bewährungsprobe der Völker. Er prüft
sie, wie man zu sagen pflegt, auf Herz und
Nieren, über ihre seelische, ihre geistige und
willensmäßige Verfassung und über ihre poli-
tische und soziale Lebensordnung ist er ein
unbestechlicher Richter. Die Güte und die
Stärke, die geistige und die sittliche Kraft,
aber auch die Schwächen und die Fehler, die
Irrtümer und das Versagen der Volksordnung
läßt er in aller Klarheit hervortreten. Alles,
was nicht echt ist und was seiner Aufgabe in
der Gestaltung der Lebenstotalität des Volkes
nicht gerecht wird, wird einem kompromiß-
losen Urteil unterzogen.

Dies gilt auch für die Wissenschaft und den
wissenschaftlichen Menschen. Auch ihr Wert
für- das Volksganze und ihr Rang innerhalb
desselben werden erst durch den Krieg in kom-
promißloser Weise bestimmt. Auch für sie und
über sie ist der Krieg der allein gerechte Rich-
ter. Gegenüber allem Gerede und Theoretisie-
ren über ihren Wert und Unwert und über ihre
Bedeutung für das Volk ist er vor allem der
in höchster und letzter Instanz zuständige Kri-
tiker.

Kritik an der Wissenschalt

Ohne jeden Zweifel ist die Wissenschaft,
ebenso wie alle anderen Erscheinungen und
Einrichtungen unseres völkischen Lebens, von
jenem Niedergang unseres Volkskörpers be-
troffen worden, den die Aufhebung der ge-
schichtlich-politischen und sozialen Einheit in
einem Pluralismus von Parteien und Wert- und
Weltanschauungen mit sich gebracht hatte.
Man kann sagen, daß sich dieser Auflösungs-
prozeß mit all seinen verderblichen Konsequen-
zen im Bereich der Wissenschaft am klarsten
abgezeichnet hat. Der dem pluralistischen
Parteienstaat notwendige weltanschauliche Re-
lativismus, der jede wirkliche Einheit und All-
gemeingültigkeit von Wert und Wahrheit in
Frage stellte und der, um den Pluralismus von
Parteien und Weltanschauungen geistig zu ret-
ten, Wahrheit und Wert nur als ein vielheit-
liches Wesen anerkannte, hatte sich tief in die
Wissenschaft und die Hochschule eingefressen.
Die i h m eigentümliche Geisteshaltung war es,
die man der Wissenschaft und dem-Wissen-
schaftler zum Vorwurf machte.
. Gegen eine rein negierende Kritik hat sich
die deutsche Wissenschaft jedoch mit Recht
gewendet. Gegen sie mußte* ihre Ehre und
Würde gewahrt werden, nicht zuletzt aus der
verantwortungsvollen Erkenntnis heraus, daß
eine absolut negative Einstellung
zur Wissenschaft, zur Hochschule
und zum wissenschaftlichen Men-
schen sich im Grunde gegen eine
Funktion des völkischen Lebens
wandte, ohne die es überhaupt
nicht zuführen ist. Eine rein negative
Kritik bedrohte ja nicht nur die Wissenschaft
und den Wissenschaftler, sondern zuletzt das
deutsche Volk selbst. Es war daher notwendig,
gegen allzu weitgehende und absolut ver-
ständnislose Kritik einzuwenden, daß die deut-
sche Universität nicht eine Erfindung des Li-
beralismus, und daß der deutsche Professor
nicht an sich das Urbild de_s unkämpferischen
Menschen und der Typ eines nihilistischen, in
sich bodenlosen und charakterlosen Intellek-
tualismus ist.

Eine Funktion des völkischen Lebens

Wenn man nun aus der radikalen und kom-
promißlosen Situation des Krieges die kon-
krete Lage der Wissenschaften überblickt, so
ist gewiß eine Einsicht unbestritten und all-
gemeingültig geworden, d a ß nämlich den
Naturwissenschaften und der
Technik für die Kriegführung die
allergrößte Bedeutung zukommt.

Der Krieg hat diese Einsicht zum allgemeinen
Bewußtsein werden lassen. Infolge des Hoch-
standes der Naturwissenschaften und der Tech-
nik bei den Kulturvölkern und vor allem durch
die Entwicklung der NatuiWissenschaften selbst
bedingt, ist der moderne Krieg weitgehend ein
naturwissenschaitlich-technischer Krieg. Die
seelische, sittliche und geistig-willensmäßige
Haltung der Völker bleibt gewiß das zuletzt
Entscheidende. Aber selbst die größte seelische
Energie und der stärkste Geist und Wille wären
ohne eine auf dem höchsten Stande stehende
Bewaffnung wehrlos. Ein Volk, das heute nicht
auf dem höchsten Stand der naturwissenschaft-
lichen Forschung und ihrer technischen Aus-
wertung steht, kann den modernen Krieg nicht
bestehen. Der Krieg von heute ist nicht nur
ein Kampf der Waffen, sondern darüber hinaus
em Kampf der Wissenschaftler und Forscher.
Diejenige Staatsführung, die die Wissenschaft
vernachlässigte und sie so mangelhaft aus-

stattete, daß sie mit den anderen nicht Schritt
halten könnte, würde verantwortungslos han-
deln. Niemand braucht den Forscher, und zwar
den bestqualifizierten und bestausgerüsteten,
mehr als der Soldat an der Front. Der Wissen-
schaftler soll und muß ihm die beste Waffe
geben. Beide sind aufeinander angewiesen.
Neben dem besten Soldaten der
Welt muß der beste Wissenschaft-
ler derWelt stehen.

Hier tritt klar hervor, daß erst die kompromiß-
lose und radikale Situation des Krieges Wert
und Rang der Wissenschaft und des Wissen-
schaftlers bestimmt. Erst der Krieg öffnet wirk-
lich, die Augen über ihre Bedeutung. Er zeigt
vor allem, daß die Wahrung des Hochstandes
deutscher Wissenschaft und der Stätten deut-
scher Forschung eine entscheidende Aufgabe
der Kriegsrüstung ist, von der auf die
Dauer die Kampf- und Wehrkraft - des Völkes
weitgehend abhängig ist. Dies gilt um so mehr,
je mehr uns Gegner entgegentreten, die über
eine große wissenschaftliche Forschung und
über einen Höchststand wissenschaftlicher Ar-
beits- und Forschungsmittel verfügen.

Unsere Gegner, vor allem die Engländer,
hatten den Weltkrieg auf dem geistigen und
kulturellert Gebiete geführt. Ja, man kann sägen,
daß er von ihnen auf diesem Schlachtfeld ge-
wonnen worden ist. England hat seine
K r i eg e immer auf dem geistigen
und ideologischen Gebiet geführt.
Diese Art der Kriegführung war für es stets aus-
schlaggebend. Immer hat es verstanden, seine
geistige Welt dem Gegner als eine allgemein-
" gültige entgegenzusetzen und ihn dadurch von
vornherein moralisch ins Unrecht zu setzen.
Auch der Weltkrieg war nur die letzte Kon-
sequenz eine?- bereit? seit Jahrzehnten geführ-
ten geistigen und politischen Kampfes, der nicht
nur zu einer außenpolitischen Einkreisung und
wirtschaftlichen Blockade, sondern vor allem
zur geistigen Einkreisung führte. So waren die
geistigen und ideologischen Dinge entschei-
dende Mittel der englischen Kriegführung, und
die militärische Auseinandersetzung war nur
die letzte Steigerang eines Kampfes, den unsere
politische Führung und unsere geistige Welt
überhaupt nie recht erkannt hatten und dessen
Methoden sie aus einem falschen, zu engen Be-
griff von Politik und Krieg wehrlos und hilflos
gegenüberstanden. Als der Weltkrieg ausbrach,
waren wir bereits im Bereich der geistigen
Kriegführung, mit der der Gegner die mili-

Zeichnung: Kögler

Die Universitäten im Großdeutschen Raum
Ein Wort Alfred Rosenbergs: „Nirgends ist der deutsche Gedanke tiefer gedacht
worden, als an den deutschen Universitäten."

tärische vorbereitet hatte, entscheidend ge-
schlagen. Die im Kriege einsetzende Kriegs-
und Greuelpropaganda war nur eine letzte, an
die rohe Sinnlichkeit und primitive Gefühlswelt
appellierende Steigerang der Mittel und Me-
thoden der geistigen Einkreisung.

Heute wissen wir, daß der Krieg von der
Totalität der Volkskräfte getragen werden muß.
Der Krieg ist eben in die geschichtliche Ge-
Ssir.Ü>*U rlss völl"iF~hen Lebens .eingebettet und
nicht aus ihr zu lösen. Er ist nur eine höchste
Steigerung des geschichtlichen Lebenskampfes,
in der alle Kräfte, aufs höchste konzentriert, ein-
gesetzt werden. Gewiß bleibt er vor allem eine
Sache der Waffen, aber dieser Waffengang ist
eben der letzte und höchste Einsatz des Volkes.
Seinen Sinn gewinnt er nur aus der Ganzheit
des geschichtlich-politischen Lebens. Im Krieg
tritt das Volk als geschichtlich-politische To-
talität, als weltanschaulich geistiges und sitt-
liches Wesen mit einer höchsten Steigerung
seiner selbst und all seiner Lebensäußerungen
auf das Forum der Weltgeschichte, um sich
selbst und die Freiheit seiner Selbstverwirk-
lichung durchzusetzen.

Die Geisteswissenschaften im planvollen Gemeinschaftseinsatz

Wenn man zu dem eigentlichen Wesen des
Kriegs und zu den wirklichen geschichtlichen
Gegensätzen, die in ihm ringen, in dieser tiefer-
gehenden Weise vordringt, dann steht man
vor dem, um das eigentlich gekämpft wird:
vor der Welt der Werte und der
Wahrheit, vor den Dingen des Gei-
stes und der Seele, vor Recht und
Unrecht, vor Sittlichkeit und Un-
sittlich k e i t, zuletzt vor Vorse-
hung und Schicksal. Man steht vor letz-
ten entscheidenden Fragen, die der Mensch um
sich, um sein Wesen und um seine Aufgabe
in der Welt stellt. Man steht vor dem Phäno-
men des sittlichen Willens, mit dem er sein
Recht vertritt und die Gerechtigkeit erkämpft.
Man steht vor jenem Letzten, wo das als Wahr-
heit und Wert Erkannte zum Glauben an die
Gerechtigkeit der Vorsehung und des Schick-
sals wird und den höchsten Einsatz zur Freiheit
im allerletzten Sinne macht.

Dringen wir aber in dieses tiefere Wesen des
Krieges ein. dann treten Naturwissenschaft und
Technik in den Hintergrund und die Welt der
Geisteswissenschaften wird zu der, um die es
letzthin im Kriege geht.

Will man das, worum es in diesem Krieg
geht, in einer großen Linie und in einem gro-
ßen Zusammenhang aufzeigen, so sind es drei
große Entscheidungen, die die Zukunft unseres
Volkes, die Europas und die der übrigen Welt
bestimmen werden. Es geht einmal in diesem
Krieg um die endgültige Selbstfindung und
Selbstverwirklichung, um die völkisch-poli-
tische und die seelisch-geistige Totalität un-
seres Volkstums, um das Reich. Mit der
Reichsbildung 'aber steht diejenige Geschichts-
epoche, die wir die Neuzeit nennen, vor ihrem
Ende. Eine neue Epoche unserer Geschichte
beginnt in unseren Tagen, und der Krieg ist
die entscheidende Wende zwischen beiden.

Aber die Reichsbildung ist nicht nur ein
die deutsche Geschichte angehendes Ereignis.
Der Kampf um das Reich ist zugleich ein ent-
scheidender Kampf um eine neue Ord-
nung Europas gegen das von den peri-
pheren Westmächten in der Neuzeit geschaf-
fene europäische System. Auch für Europa

geht die sogenannte Neuzeit zu Ende. Auch
für Europa bedeutet dieser Krieg eine ent-
scheidende Wende. Der Wandel der
Weltordnung, den die kontinentale Ord-
nung Europas bedeutet, ist ein gegen das
zwischenkontinentale britische Weltreich ge-
richteter. Die neue Ordnung der Kontinente
wird und muß es als zwischenkontinentale
Machtbildung zu Fall bringen, denn nicht nur
in Europa, sondern überall steht es dieser
neuen Bewegung der Geschichte im Wege.

Dieses sich in unseren Tagen vollziehende
Geschehen ist aber zugleich eine Revolution
unseres Geschichtsbildes und unserer in Jahr-
hunderten gewordenen geistigen Ordnungen
und Systeme. Der gewaltige Zusammenbruch
eines politischen und weltanschaulichen Sy-
stems, das wesentlich von den Angelsachsen
repräsentiert wird und das das Gesicht Euro-
pas und der Welt bestimmt hat, vollzieht sich
vor unseren Augen und eine neue Ordnung
des Seins und des Werdens bricht an. Die
Lehren und die gedanklichen Systeme von
Jahrhunderten erfahren ihre Revision. Alles
gerät in Bewegung. Die geistigen und die ge-
schichtlichen Perspektiven erfahren eine kaum
dagewesene Erweiterung. Während in diesem
Kriege die eine Epoche, alt und grau gewor-
den, in der Abenddämmerung steht, um ganz
dahinzuscheiden, ist er für die neue Epoche
der Geschichte der Hahnenschrei eines kom-
menden Morgens.

Jedem Einsichtigen ist wohl klar, daß, wenn
wir den Krieg so sehen, er geradezu nach
einem Einsatz der Geisteswissenschaften ver-
langt. Ihre erste und vordringlichste Aufgabe
ist die geistige Auseinandersetzung
mit der geistigen und Wertwelt
des Gegners. Diese wird erst dann über-
wunden sein, wenn sie geistig überwunden '
ist, wenn erkannt und begriffen ist, daß sie
mit der Wahrheit und Wirklichkeit in Wider-
spruch steht und sich erweist, daß ihre Ideen
und Werte nicht mehr die gestaltenden Mächte
des geschichtlichen Seins und Werdens sind.
Dies alles wird zugleich die endgültige Selbst-
befreiung von einem oeistigen Einfluß bedeu- .

ten, mit dem wir nunmehr Jahrhunderte um
unsere eigene Selbstdarstellung und Selbst-
erkenntnis gerungen haben.

Die zweite große Aufgabe aber wird sein,
die Sicherheit und geistige Unabhängigkeit
des eigen e~n Wesens herzustellen. Die
Selbsterkenntnis, die Deutung und die Dar-
stellung des eigenen Wesens und der eigenen
artgemäßen geistigen. Ordnung muß in der

ganz klar air' --'-jtiy sc" ' ü_. vii '
nicht nur um unsere eigene Totalität ringen,
sondern auch die Verantwortung für ganz
Europa übernehmen müssen. Man wird von
uns mit Recht Klarheit, Eindeutigkeit und gei-
stige Geschlossenheit verlangen, wenn wir
Richtung und Ziel der Geschichte bestimmen
wollen. Gerade hier liegt eine ewige Aufgabe,
die immer wieder erfüllt werden muß und vor
der jede lebende Generation von neuem stehen
wird.

Das Dritte aber wird, über die Selbstbefreiung
vom fremden Wesen und die Ausdeutung des
eigenen hinaus, die Formung des neuen
Europas als geistige Ordnung sein,
als geschichtliches und politisches Wesen, als
ein neues Ganzes und eine neue Gestalt der
Weltgeschichte.

Es gibt keine geisteswissenschaftliche Diszi-
plin, die nicht in diesen gewaltigen Aufgaben
ihren Platz finden kann und finden muß. Ja,
die Geisteswissenschaft insgesamt wird beim
Anfassen dieser Aufgaben einen gewaltigen
Umbrtich und Wandel erleben. Sie wird eine
eigene neue Gestalt hervorbringen müssen.
Sie wird in einen langen, neuen Prozeß ihres
eigenen Werdens und ihrer eigenen geistigen
Formung eintreten. Eine neue schöpferische
Epoche deutschen Geistes und deutscher Wis-
senschaft steht vor uns.

Für uns sind Erkenntnis und
Wissenschaft unmittelbare und
p r i m ä r'e Funktionen der Gestal-
tung der Lebenstotalität. Erkennt-
nis, Wissenschaft und Leben sind nicht von-
einander zu trennen, denn so wie Erkennen
und Wissen in der • Gestaltung des Lebens
ihren Sinn haben, so müssen sie immer wieder
aus dem Leben und der Ewigkeit seiner Auf-
gabe und ihrer Bewältigung hervorgehen, um
auf es wirken und in ihm fruchtbar sein zu
können.

Die Aufgabe der Wissenschalt

Es ist eine hohe und große Auf-
fassung von d e r W i s s e n s c h a f t, d i e,
uns heute entgegentritt. Die
deutsche Wissenschaft kann und
muß aber von sich groß denken,
wenn sie ihrem Volk wirklich
dienen will. Es ist kein falscher Fanatis-
mus, der uns bewegt, wenn wir von unseren
Aufgaben groß denken und reden, sondern ein
Fanatismus der Wahrheit, die auszusprechen,
Pflicht ist. Im Reichsforschungsrat hat diese
Auffassung von der gestaltenden, auf das
Leben wirkenden Arbeit der Forschung ihre
institutionelle Gestalt gefunden.

Niemals hat die deutsche Wissenschaft vor
größeren Aufgaben gestanden. Eine Welt
wesentlich mitzugestalten, ist ihr aufgegeben.
Sie ist sich aber auch dieser Aufgabe bewußt.
Daß sie, wie schon oft in ihrer Geschichte,
der beste geistige Gestalter und der klare
Ausdeuter des neuen weltgeschichtlichen Wer-
dens sein wird, ist für uns eine feste Ge-
wißheit.

Folge 6 / Die Bewegung / Seite 3
 
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