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Studentisches Brauchtum
und sein Ursprung

Von Ministerialrat Dr. Paul Grabein

Man begegnet häufig in Kreisen von Nicht-
Akademikern der Meinung, daß studentische
Sitten und Bräuche etwas völlig Arteigenes
seien, das sich — losgelöst vom Volksleben —
entwickelt habe.-Aber auch der Akademiker
selber weiß meistens nicht, wie viele Wurzeln
studentischer Einrichtungen und Bräuche zu-
rückführen in den Mutterboden alten deutschen
Volkstums. Dies in Kürze darzutun, ist der
Zweck der nachstehenden Ausführungen.

Eine der markantesten Erscheinungen des
deutschen Studentenlebens von Beginn an ist
der korporative Zusammenschluß, in der älte-
sten Zeit in der Form der „Nationen", dann der
alten Landsmannschaften und Orden, deren
schließlich im 19. Jahrhundert alle die zahlrei-
chen studentischen Bünde folgten, wie sie bis
1932 bestanden. Dieser Zusammenschluß ent-
springt einer völkischen Eigenschaft, dem Ge-
nossenschaftstrieb der Germamen, den schon
Tacitus an ihnen feststellte. Bereits zu seiner
Zeit bestanden bei ihnen Gildeh, d. h. eben Ge-
nossenschaften, die sich durch freiwilliges Zu-
sammentun gleichberechtigter Mitglieder zur
Verfolgung gemeinsamer Zwecke und zur ge-
genseitigen Förderung ihrer Mitglieder bildeten.
Diese Gilden traten bei gegebenem Anlaß zu-
sammen, und es schloß sich — sozusagen an
den geschäftlichen Teil — ein geselliges Bei-
sammensein an, dessen Kosten gemeinsam auf-
gebracht wurden, und bei dem dann der Zu-
trunk in bestimmten, zeremoniellen Formen vor
sich ging. Wir haben also hier das Urbild der
studentischen Korporation und des Kommerses
vor uns. Im Dänischen bedeutet Gilde daher
noch heute ein Mahl oder Trinkgelage.

Aus den Gilden entwickelten sich im Mittel-
»Hor r)io korporativen Zu?" >menschlüsse von
Städten, Standen und einzelnen Berufen zur
Wahrnehmung ihrer besonderen Interessen, wie
die Ritter-, Städte- und Bauernbünde und die
Zünfte der Kaufleute und Handwerker. Die Aka-
demiker folgten also nur einem alten Brauch,
wenn sie sich an den neugegründeten Universi-
täten nun auch ihrerseits zum Schutz ihrer In-
teressen zusammentaten, denn ihre ältesten
Korporationen, die Nationen oder Landsmann-
schaften, bezweckten in erster Linie Rechts-
schutz und soziale Fürsorge für ihre Mitglie-
der.

Schon die Gilden nahmen ihren Mitgliedern
einen Schwur ab, mit dem diese sich zu werk-
tätiger Mithilfe bei Verfolgung der Zwecke der
Vereinigung und zum Gehorsam gegen ihre
Satzung verpflichteten. Das gleiche geschah
dann auch bei den alten studentischen Lands-
mannschaften und Orden, und dieser „Burschen-
eid" fand sich daher auch noch bei den moder-
nen studentischen Korporationen. Auch eine
Rangabstufung mit Bevorrechtung der alten
Mitglieder gegenüber den Neueingetretenen
war bei den Zünften des Mittelalters üblich.
Man unterschied deren Mitglieder als Jung-
gesellen, Altgesellen und Meister, eine Glie-
derung, die die studentischen Korporationen
als Jungbursch, Altbursch und Alter Herr über-
nahmen. Die Bezeichnung Bursch kommt von
dem mittelhochdeutschen Wort „Burse", das
ursprünglich den Geldbeutel (Börse), aber auch
einen gemeinsamen Haushalt bedeutete, näm-
lich den der in einem Studentenheim unter
Aufsicht eines Magisters zusammenlebenden
Akademiker, das dann aber später auch die
Gesamtheit der Insassen wie auch den einzel-
nen Insassen einer solchen Burse bezeichnete.
Man nannte ihn also einen Bursen, woraus dann
Bursch wurde.

Die Schwurbruderschaft

Schon im frühen Mittelalter findet sich die
Form der Bruderschaft solcher genossenschaft-
lichen Zusammenschlüsse, und zwar nicht bloß
etwa bei kirchlichen Korporationen. Es darf
hierbei an die uralte, auch bei den Germanen
gepflegte Sitte der Schwurbruderschaft hinge-
wiesen werden, daß sich Männer durch feier-
liche Ablegung eines Eides zu treuem Zusam-
menhalten in Kampf und Gefahr verpflichteten,
wie es auch noch die alten dithmarsischen Freien
im Kampf um ihre politische Selbständigkeit
taten. Dies geschah auch sonst noch im Mittel-
alter vielfach, z. B. bei Schiffsleuten, ehe sie
ihre Ausreise antraten; aber auch die alten
Zünfte der Steinmetze, Bauleute, Schmiede usw.
bezeichneten sich als Bruderschaft und das
einzelne Mitglied als Bruder. Als später ste-
hende Heere auftraten, machten es die Offi-
ziere und Soldaten nicht anders, und ebenso
hielten es die durch ihre kühnen Kanerfahrten
berühmt gewordenen Vitalienbrüder. Die Volks-,
tümlichkeit dieser Bezeichnung eines besonders
engen und getreuen Zusammenschlusses geht
auch aus der noch heute üblichen Anrede als
„Kegelbruder" hervor. Solchem alten Brauch
folgten also auch die korporierten deutschen

Studenten, wenn sie sich als Bruder betrach-
teten und anredeten.

Auch das zeremonielle Bruderschaftstrinken
ist alter Zunft- und germanischer Volksbrauch
und vom Akademiker also nur von dort über-
nommen worden. Ähnlich wie später beim
„feierlichen Landesvater" sagte ein Handwerks-
gesell zum andern, wenn er mit ihm Bruder-
schaft trank: „Hörst du meinen ehrlichen Na-
men beschimpfen, so thu ihn defendieren", und
er gelobte seinerseits, sich, falls er beleidigt
würde, selber zu stellen und seinen ehrlichen
Namen gegen jeden, der ihn beschimpfen
sollte, zu defendieren, „wie es einem braven
Steinmetz zukommt". — „Halten will ich stets
auf Ehre, stets ein braver Bursche sein", so
hieß es im Landesvate.rlied. Die gemeinsame
Wurzel des Brauchs ist also unverkennbar.

Wie die Gilden und Zünfte

Das gesellige Beisammensein der Zünfte
vollzog sich etwa in den Formen der studen-
tischen Kneipe: zwischen Gesprächen, gemein-
samer Gesang, besonderer Fachlieder — hier
bauhandwerkliche, dort akademische — und
zwischendurch Zutrunk in festen, altüberliefer-
ten Formen unter Beachtung bestimmter Zere-
monien. Diese Sitten des Zutrinkens kannten ja
schon die alten Germanen bei ihren feierlichen
Trinkgelagen, wie Tacitus erwähnt. Namentlich
war die Totenfeier für den verstorbenen Vater
oder sonstigen Erblasser üblich, dessen Besitz
nun der Erbe antrat. Unter ganz bestimmten
Formen wurde die „Minne" des Toten getrun-
ken, d. h. es wurde ihm ein ehrender Gedächt-
nistrunk dargebracht. Aber auch sonst war das
zeremonielle Zutrinken in der ultgermanisohen
Halle üblich namentlich wenn es einen Gast
zu ehren galt. Aus jenen ältesten Zeiten über-
trug sich dann dieser Brauch in die Gilden-
häuser der Kaufleute und Handwerker und kam
schließlich auch zu den Studenten.

Wie der Bursch die Farben seiner Lands-
mannschaft und später seiner Korporation, ur-
sprünglich am Degengriff, Hut oder Schärpe
und später an Band und Mütze trug, so hatten
auch die Gilden und Zünfte schon ihre beson-
deren Erkennungszeichen.

Der hier gegebene Überblick erweist also,

Der nationalsozialistische Student — die Krönung und Erfüllung der studentischen Geschieht«

Aufn.: Hof [mann

wie die früheren Bräuche der deutschen Stu-
denten vielfach ihren Ursprung in altem Volks-
tum hatten. Es känn das auch nicht über-
raschen. Von jeher haben sich ja, deutschem
Bildungsdrang entsprechend, unsere Hochschu-
len überwiegend aus Angehörigen der bürger-
lichen und handwerklichen Kreise rekrutiert;
Adel und städtisches Patriziat stellten doch

immer nur einen Bruchteil dar. Jene, dem werk-
tätigen Leben nahestehenden Studierenden, in
denen das Gefühl der Volksverbundenheit noch
lebendig war, haben dann eben altes Brauch-
tum, das sie bei ihren Vätern oder in ihrer
Sippe erlebten, übernommen und, entsprechend
abgewandelt, in das akademische Leben hinein-
getragen.

Der geistige Kämpfer im Kriege

Von Otto Heinz Rüb, Vorsitzender der Gemeinschaft „Der junge R/ng"

Der Krieg bringt zwangsläufig auf allen Ge-
bieten des Lebens gewaltige Veränderungen
mit sich. Er stellt nicht nur Forderungen an
Blut und Leben, er legt uns nicht nur Ent-
behrungen und Opfer auf, er verlangt auch
vom geistigen Menschen insbesondere, daß er
gewisse Bezirke seines Geistes und seiner
Seele mit dem Schleier des Nichtdarandenken-
wollens verhüllt.

Wenn wir hier vom „geistigen Kämpfer"
sprechen, so bedarf es bei der Verschiedenheit
der Wertschätzung, die man ihm in führenden
und durch diese auch in breitesten Kreisen
entgegenbringt, einer genaueren Definierung
dessen, was wir hier darunter verstehen wol-
len. Ich verstehe unter dem Begriff des geisti-
Kämpfers den Menschen, dessen Lebensbild
sich gerundet hat aus der Erkenntnis der
physischen Kräfte und der psychischen Mächte
des Lebens.

Zu dieser Erkenntnis führen zwei Wege, ein-
mal der des Insichhineinhorchens — eines
reichen Innenlebens also —, und zum anderen
der des eifrigen Bemühens und Ringens um die
gefundenen Erkenntnisse unserer Genien und
Meister — eines reichen Wissens also.

Einen Menschen mit reichem Innenleben
wird es zum Künstlerischen drängen, den Stu-
dierenden und Wissenden zur Forschung und
Wissenschaft, wobei oftmals das eine das an-
dere überschneidet.

Man hat oftmals versucht, den geistigen
Menschen mit einer Handbewegung oder der
Bezeichnung „Intellektueller" abzutun. So ein-
fach läßt sich dieses Problem natürlich nicht
lösen! Und wie falsch wäre es doch auch, in*'
einer Zeit der Einigung und Vereinheitlichung
eine künstliche Kluft aufreißen zu wollen
zwischen sogenannten Intellektuellen und den
übrigen. Um dem geistigen Menschen gerecht
werden zu können, muß man seine Persönlich-
keit, sein Schaffen und seine Bedeutung für die
Nation und die Menschheit im rechten Licht
sehen und erkennen.

Es ist ungleich schwerer, den geistigen Men-

schen zu gewinnen als den geistig noch nicht
Erweckten. Letzterer folgt dem lauten Ruf, sein
Gesetz ist das Gebot des Augenblicks — der
geistige Mensch richtet seinen Blick in die Zu-
kunft aus den Lehren der Geschichte und den
Erfahrungen der Vergangenheit. Die Gegenwart
ist ihm nur Überleitung, nur eine Epoche im
Lebensalter seines Volkes und dieser Welt. Er
kann und darf sich nicht ganz an die Gegenwart
hängen, damit er sich nicht an sie verliert. Sei-
nes Amtes ist es, nicht nur für die Stunde, son-
dern Ewiges, Werke bleibenden Werts zu ge-
stalten.

Hat das Neue aber von seiner Seele Besitz
ergriffen, ist es in innerem Verarbeitungsprozeß
zu seiner eigenen Sache geworden, so steht er
aus vollster Überzeugung und mit ganzer Kraft
dazul Und das macht ja erst den Wert des Ge-
folgsmanns aus: daß er überzeugt ist von der
Idee und von der Rechtschaffenheit seiner
Sachel

Immer gebiert die Allmacht Genien unter uns
und begnadet sie mit dem Licht der tieferen
Erkenntnis und des größeren Wissens, nicht um
es für sich zu behalten, sondern die Gnade der
Allmacht ist ihnen Pflicht der Menschheit ge-
genüber. Oder wie es der Führer auf dem
Reichsparteitag 1933 so seherisch kündete:

„Wer von der Vorsehung ausersehen ist, die
Seele eines Volkes der Mitwelt zu enthüllen,
sie in Tönen klingen oder in Steinen sprechen
zu lassen, der leidet unter der Gewalt des all-
mächtigen, ihn beherrschenden Zwanges, der
wird seine Sprache reden, auch wenn die Mit-
welt ihn nicht versteht oder verstehen will,
wird lieber jede Not auf sich nehmen, als auch
nur einmal dem Sterne untreu werden, der. ihn
innerlich leitet."

Schöneres ist wohl nie über den Künstler und
seine höhere Bestimmung gesagt worden. Was
wären uns und der Welt heute Geister wie
Goethe und Nietzsche, hätten^sie nur ihrer Zeit
gedient? Sie wären vergessen und die Mensch-
heit hätte die schönsten Früchte ihres Seelen-
gartens nie geerntet. So aber leben sie in uns

fort als herrlichste Zeugen des Geistes ihrer
Zeit, als Offenbarer menschlicher Seelenland-
schaften.

Für den geistigen Menschen bringt der Krieg
die Kernfrage seiner geistigen Existenz. Jedes
künstlerische und geistige Schaffen setzt ein
hohes Maß von Idealismus voraus, Idealismus
aber birgt in jedem Falle Glaube, Vertrauen,
Uberzeugung und Liebe in sich. Ist aber nicht
jeder Glaube an das Gute im Menschen, jede
Liebe zum Menschen Irrsein angesichts der
Greuel und Grausamkeiten des Krieges?

Auch ich stand im Rußlandfeldzug vor der
Frage: wird es dir nach deiner Rückkehr aus
dem Felde, nachdem du das Furchtbare gesehen
hast, nachdem du weißt, wie tierisch der
Mensch sein kann, wird es dir da jemals mög-
lich sein, trotz allem den Glauben an den Men-
schen wiederzufinden? Du arbeitest ja nicht
mehr unter den gleichen Voraussetzungen wie
vor dem Kriege, du gehst ja nicht wieder an
den Pflug oder an die Drehbank. Du willst
doch aus dem schöpfen, was in dir ist — und
in dir sind Bilder des Grauens, des Todes und
der Hoffnungslosigkeit eingebrannt. Und ihr
Brennen sengt weiter in der Seele. Können die
Quellen des Glaubens und des früheren seeli-
schen Reichtums den Brand dämmen oder ver-
siegen sie in der Glut des Brandes?

Der große Schauspieler, Dichter und Philo-
soph Friedrich Kayßler schrieb mir damals
an die Front: „Versuche die Kraft aufzubringen, ■
allem den Schleier des Vergessens umzuhän-
gen. Schließ es wie in eine Kapsel ein und
versenke sie unauffindbar in Dein Inneres —
es bleibt kein anderer Weg!"

In einer Reihe neben dem Solda-
ten und dem politischen Kämpfer
muß der geistige Kämpfer stehen
— jeder an seinem Platz — keiner
den andern hemmend oder nei-
dend, sondern jeder am andern
wachsend, zum Wohle unseres Vol-
kes und der Menschheitl

Folge 7 / Die Bewegung / Seite 3
 
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