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Studenten - Ehe ?

Von Hans-Dietrich Kahl

Gerade den Frontstudenten, der nun schon
seit drei und mehr Jahren sein Studium
unterbrochen hat, pewegt heute die Frage
einer Familiengründung. Kann er heiraten,
auch wenn er nach seiner Wehrdienstent-
\ lassung erst tertigstudieren muß? Wer wird
dann die finanzielle Unterstützung der Fa-
milie gewährleisten?

Das Sozialpolitische Amt der Reichs-
studentenführung "befaßt sich seit langem
mit der Lösung dieses vordringlichen Pro-
blems und teilt uns als ersten positiven Ent-
scheid dazu mit, daß der Reichsfinanz-
minister bereits seine Zustimmung zur Son-
derförderung verheirateter
Kriegsteilnehmer gegeben habe. Den
entsprechenden Erlaß des Reichserziehungs-
ministeriums werden wir bereits in einer det
nächsten Ausgaben veröffentlichen können.

Wir geben heute dem Brief eines Kame-
raden, des Frontstudenten Hans-Dietrich
Kahl, Raum, der sich mit dieser Lebens-
frage unseres akademischen Nachwuchses
eingehend auseinandersetzt und sie einer
möglichen Lösung näherbringt:

Münster (Westf.), im Juli 1942

An die

Studentenführung der Westfälischen Wilhelms-
universität

Als zuletzt an der Westfälischen Wilhelms-
universität immatrikulierter, seit fast zwei
Jahren unter den Waffen stehender Student
trete ich heute mit einer Frage an Sie heran,
in der ich glaube, mich zum Sprecher vieler
deutschen Studenten machen zu dürfen.

Von jeher sind, die Angehörigen der aka-
demischen Berufe den übrigen Volksgenossen
gegenüber dadurch im Nachteil gewesen, daß
die Länge ihrer Ausbildungszeit sie erst spät
zu Eigenverdienst und Familiengrüny'.ung kom-
men ließ. T 1 " '-

Solange die Universität im wesentn9hen nur
den von Haus aus Begüterten offen stand,
außerdem die öffentliche Meinung mehr oder
weniger von den Grundsätzen möglichst spä-
ter Bindung und weitgehender Kleinhaltung
der Familie bestimmt war, bedeutete das
weiter kein Problem. Anders ist das, seit der
Nationalsozialismus einerseits die Ideale der
Frühehe und des Kinderreichtums in den
Vordergrund gerückt, andererseits in großem
Umfange auch Minderbemittelten den Weg zur
Hochschule geöffnet hat. Für das heutige Stu-
dententum ist die Änderung dieses Zustandes
zu einer Lebensfrage geworden, die auch das
Volksganze und damit das Reich unmittelbar
berührt. Der deutsche Führungsanspruch in
Europa kann auf die Dauer nur aufrechter-
halten werden, wenn unser Volk über eine
nicht nur geistig, sondern auch zahlenmäßig
starke Führerschicht verfügt. Diese ist heut«
jedoch in ihrem Bestände gefährdet unter den
Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung
der letzten Jahrzehnte, die ja nicht etwa durch
einen allgemeinen, auf alle Volksschichten
gleichmäßig verteilten Geburtenrückgang, son-
dern dadurch bezeichnet ist, daß die sog. gei-
stigen Berufe — also diejenigen, die den über-
wiegenden Teil der Führerschicht unseres
Volkes stellen — erheblich weniger Nach-
kommen als die übrigen hatten. Mögen dafür
auch zum guten Teil geistesgeschichtliche Ur-
sachen ausschlaggebend gewesen sein. Ein we-
sentlicher Grund liegt in der späten Eheschlie-
ßungsmöglichkeit der akademischen Berufe.

Wann kann der Akademiker heiraten?

Noch heute heiratet ein ungelernter Arbeiter
bei uns im Durchschnitt mit 21 Jahren, also
in einem Alter, wo" der akademische Nach-
wuchs normalerweise soeben seinen Arbeits-
und Wehrdienst beendet hat und erst in seine
eigentliche Berufsausbildung eintritt, die ihn,
ohne daß er nach ihrem Abschluß sogleich
an die Gründung einer Familie denken könnte,
im allgemeinen noch bis ins 24./26. Lebens-
jahr festhält. Dem entspricht eine durchschnitt-
liche Kinderzahl von 4 je Ehe bei den unge-
lernten Arbeitern, 2 je Ehe bei den höheren
Beamten und freien Berufen (Zahlen nach
Staemmler, Rassenpflege ifh völkischen Staat,
Lehmanns Verlag, München), während doch
die Qualität des von beiden weitergegebenen
Erbgutes im Hinblick auf das Volksganze eher
ein umgekehrtes Verhältnis wünschenswert
erscheinen ließe. Dazu kommt, daß infolge des
späteren Fortpflanzungsbeginns die gehobenen
Berufsgruppen erst zwei bis drei Generationen
hervorbringen können, während die anderen
Volksschichten im gleichen Zeitraum bereits
bis zur dritten und vierten Generation vor-
rücken. Das bedeutet auf die Dauer eine ge-
fährliche innere Umschichtuna im Aufbau un-

seres Volkes, Wir
müssen alles daran
setzen, um sie nicht
nur aufzuhalten, son-
dern umzukehren, so
daß sich beide Teile
wenigstens die Waage
halten.

Der nationalsoziali-
stische Staat hat be-
reits bewiesen, daß
er die Bedeutung die-
ser Fragen erkannt
hat und um ihre Lö-
sung bemüht ist: er
hat die Besoldung der
Referendare und Do-
zenten eingeführt, die
Ausbildungszeiten zu
verkürzen gesucht u.
a. m. Freilich ist.
mit diesen Maßnah-
men noch nicht ein-
mal ein Ausgleich für
die schon in Friedens-
zeiten bestehenden
Härten und Unzuträg-
lichkeiten geschaffen,
geschweige denn für
die weitere Steigerung
derselben infolge der

Kriegsverhältnisse.
Tatsächlich gibt es
wohl keine Berufs-
gruppe, in deren Be-
lange der Krieg so einschneidend eingreift
wie beim akademischen Nachwuchs. Für
wohl fast jeden anderen Volksgenossen be-
deutet die Einberufung zum Kriegsdienst die
einfache Unterbrechung eines Arbeitsverhält-
nisses, das er später ohne weiteres wieder auf-
nehmen kann; zumindest hat er eine abge-
srhl-\"»Ti» T ehrzeit hinter sich, dit -hm für dir
Zukunft ein berufliches Weiterkommen und da-
mit eine Existenzgrundlage verbürgt. Der Stu-
dent hingegen ist nach seiner Entlassung aus
dem Wehrdienstverhältnis nicht nur gezwun-
gen, erst noch seine Berufsausbildung fortzu-
setzen, er muß sich darüber hinaus zunächst
einmal wieder in sein Fachgebiet einarbeiten,
was erheblich schwieriger ist als die Wieder-
aufnahme irgendeiner praktischen Tätigkeit;
seine Ausbildungszeit wird also durch den
Kriegsdienst nicht nur unterbrochen, sondern
auch verlängert. Dazu treten all die Abiturien-
ten, die unmittelbar von der Schulbank zu den
Waffen geeilt sind, namentlich die Jahrgänge,

Das Ideal einer Ehe: Junge Eltern, die froh und sorglos der Zukunft entgegensehen

4 Aufnahme: Weidenbaum

die zu Kriegsbeginn kurz vor dem Abschluß
ihrer zweijährigen Dienstzeit standen und mitt-
lerweile 23—25 Jahre alt geworden sind, ohne
mit ihrer eigentlichen Berufsausbildung auch
nur begonnen zu haben. Für sie alle ist der
Zeitpunkt, da sie einmal an Eheschließung und
Familiengründung denken können, noch erheb-
lich weiter, als es bei dem an sich sciion un-
gesunden Stand der Vorkriegszeit der Fall war,
hinausgeschoben worden — solange der Krieg
noch nicht beendet ist, ins völlig Ungewisse.
Mag auch die Eheschließung für den Waffen-
träger erheblich erleichtert sein — dem Stu-
denten und Abiturienten wird es in den selten-
sten Fällen möglich sein, von diesen Vergün-
stigungen Gebrauch zu machen, da ihm, selbst
wenn er augenblicklich als militärischer Vor-
gesetzter ein ausreichendes Gehalt bezieht,
nach seiner Entlassung vom Wehrdienst die
Mittel fehlen, um eine Familie unterhalten zu
können.

Die unbedingte Erhaltung des akademischen Nachwuchses

Angesichts dieser Lage besteht die Gefahr,
daß ein großer Teil des akademischen Nach-
wuchses nach dem Kriege in andere Berufs-
zweige abschwenkt, in denen zwar seine Kräfte
und Fähigkeiten nicht so vollständig und wirk-
sam eingesetzt werden können wie im akade-
mischen Beruf, in denen aber die Heiratsmög-
lichkeiten günstiger sind. Das aber muß unter
allen Umständen verhindert werden. Nicht nur,
daß unser Volk heute jeden Mann an die Stelle
setzen muß, die er seiner Begabung nach am
besten ausfüllen kann. Schon vc;r dem jetzigen
Kriege herrschte in allen akademischen Be-
rufen ein bedenklicher Nachwuchsmangel, der
sich durch das Einrücken der geburtenschwa-
chen Jahrgänge der Zeit vor der Machtüber-
nahme in die entsprechenden Altersklassen
empfindlich verstärken muß, während der Auf-
gabenkreis, der unser Volk und namentlich
seine geistige Führerschicht nach diesem Krieg
erwartet, den der Vorkriegszeit um ein Viel-
faches übertrifft — eine Lage also, die die Auf-
bietung der lettten geistigen Reserven not-
wendig macht. Das Reich hat mit der Verkür-
zung der Studienzeiten und den Studienvergün-
stigungen für Kriegsteilnehmer schon Maß-
nahmen eingeleitet, die dieser Gefahr steuern
sollen. Es muß jedoch die Frage aufgeworfen
werden, ob das, was damit erreicht ist, ange-
sichts der gefährlichen Konkurrenz, die ver-
schiedene andere Berufsgruppen, namentlich
die Laufbahnen der Wehrmacht, der Wirtschaft
und der Partei, heute für die akademischen Be-
rufe darstellen, genügt. Natürlich macht sich
in unserer alle Kräfte bis aufs höchste anspan-
nenden Zeit auch bei ihnen ein verstärkter
Nachwuchsbedarf bemerkbar, doch muß im
Interesse des Volkes dafür gesorgt werden, daß
dieser bei den verschiedenen Berufsgruppen
nach Möglichkeit gleichmäßig befriedigt und
nicht die eine oder andere zur Hauptleidtra-
genden gemacht wird. Unter diesen Umständen
wird es notwendig sein, die heute noch so be-
sonders ungünstig gestellte akademische Be-
rufsrichtung mit mehr äußeren Vorteilen aus-
zustatten als die übrigen. Dazu gehört u. a.,

daß für das Jungakademike/tum schon vor
dem Eintritt in eine feste Lebensstellung, also
noch während des Studiums, eine Möglichkeit
zur Gründung einer Familie geschaffen wird.

Die schon früher zur Förderung der Ehe-
schließungen geschaffene Einrichtung der
Reichsehestandsdarlehen ist hierzu nicht ge-
eignet. Sie geht von der Voraussetzung aus,
daß die Mittel zum bloßen Unterhalt der Fa-
milie vorhanden sind und nur zur Beschaf-
fung der notwendigen Ausstattung nicht aus-
reichen. Bei den Jungakademikern werden die
Dinge im allgemeinen umgekehrt liegen: die
Ausstattung wird — zumindest in sehr vielen
Fällen — aus eigenen Mitteln beschafft wer-
den können; was jedoch fehlt, ist die Existenz-
grundlage. Der Student verdient ja nicht, son-
dern muß im Gegenteil noch zusetzen.

Vielleicht wäre die Lösung des Problems
durch die Einrichtung einer Reichsehe-
patenschaft zu erreichen, durch die das
Reich zur überbrückung der Zeitspanne zwi-
schen Eheschließung (bzw. bei Kriegsgetrauten
Entlassung aus dem Wehrdienstverhältnis und
damit Fortfall der Familienunterstützung) und
Eigenverdienst des Ernährers der zu gründen-
den Familie die . Zahlung einer monatlichen
R-ente übernimmt und die vollständige Befrei-
ung von sämtlichen Hochschullasten für die
restliche Studienzeit ausspricht. Die Höhe der
Rente wäre von Fall zu Fall unter Berück-
sichtigung der Lebenshaltungskosten des Stu-
dienortes sowie den Bedürfnissen und der
Fachrichtung des Bewerbers, die beim einen
höhere, beim anderen geringere Nebenaus-
gaben zum Studium mit sich bringt (Anschaf-
fung von Lehrbüchern, fremdsprachlichen
Ausgaben, Instrumenten usw.), festzusetzen; ge-
gebenenfalls könnte die Reichsehepatenschaft
mit dem Ehestandsdarlehen und anderen För-
derungseinrichtungen gekoppelt werden. Die
Aufnahme in die Reichsehepatenschaft wäre
von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen,
abhängig zu machen. Vor allem müßte der Be-

werber bereits seine drei Grundsemester abge-
schlossen und in diesen seine fachliche Eig-
nung bewiesen haben, so daß er Leistungen
im erwählten' Beruf erwarten läßt. Vielleicht
wäre die Einführung einer an die drei Grund-
semester anschließenden, etwa dem früheren
Vorphysikum der Mediziner entsprechenden
Vorprüfung für alle Fakultäten zu erwägen
und von deren Bestehen die Gewährung der
Reichsehepatenschaft abhängig zu machen,
ferner die Leistungshöhe in ähnlicher Form
wie bei den bestehenden Förderungseinrich-
tungen des Reichsstudentenwerks laufend zu
überwachen (regelmäßige „Fleißprüfungen" am
Ende jedes Semesters usw.). Im übrigen könn-
ten wohl die einschlägigen Bestimmungen
des Reichsehestandsdarlehens übernommen
werden. Wichtig wäre weiterhin die Aufnahme
einer Klausel, die den Bewerber verpflichtet,
im Fall eines Abschwenkens aus der aka-
demischen Berufsbahn die erhaltenen Ehepate'n-
schaftsgelder vom Uberschuß des Verdienstes
seiner neugewählten Stellung zurückzuzahlen,
damit sie ihrer eigentlichen Bestimmung, der
Existenzsicherung des akademischen Nach-
wuchses, wieder zugeführt werden können.
Eine solche Bestimmung wäre notwendig, um
zu verhindern, daß die Einrichtung der Reichs-
ehepatenschaft auf unlautere Weise ausgenutzt
und damit ihren eigentlichen Zweck, den Nach-
wuchs für die akademischen Berufe trotz der
ungünstigen Verhältnisse der Gegenwart auf
alle Fälle sicherzustellen, verfehlen würde. Sie
soll , natürlich nicht zum Ausdruck bringen,
daß etwa die nichtakademischen Berufszweige
minderwertig und die Fortpflanzung ihrer An-
gehörigen weniger erwünscht wäre. — Die für
die Errichtung der Reichsehepatenschaft not-
wendigen Mittel könnten z. B. durch eine Er-
höhung der bei der Einführung des Ehestands-
darlehens ins Leben gerufenen Ehestandshilfe
(Ledigensteuer) beschafft werden; zur Ent-
lastung des Reiches wäre schließlich zu ver-
fügen, daß bei der Besetzung freier Stellen
unter verschiedenen Bewerbern solchen der
Vorzug zu geben ist, die von der Reichsehe-
patenschaft betreut werden.

Freudiger Einsatz des StudeHtentums

Das deutsche Studententum steht auch im
Ringen unserer Tage mit der gleichen Freu-
digkeit und Selbstverständlichkeit, die es seit
den Befreiungskriegen immer wieder ah den
Tag gelegt und die bei Langemarck ihre
höchste Bewährung gefunden hat. Nichts liegt
ihm ferner als der Wunsch, jetzt abseits stehen
und in einer solchen Zeit nur für sich selbst
arbeiten zu können. Dennoch ist es verständ-
lich, wenn bei längerer Kriegsdauer in seinen
Reihen neben dem Gedanken an die große
Sache des Volkes auch Sorgen um die Ge-
staltung der eigenen Zukunft sich bemerkbar
machen.

Die Einführung einer Reichsehepatenschaft,
die nicht nur die Heiratsmöglichkeiten der
Studierenden nach dem Kriege erheblich ver-
bessern, sondern ihnen auch schon jetzt
Kriegstrauungen ermöglichen würde, könnte
es von einem großen Teil dieser Sorgen be-
freien.

Folge 17 / Die Bewegung / Seite 3
 
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