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Kriegsschauplatz Wirtschaftskrieg

E/ne seekr/egsrecfif/iche Betrachtung von K/aus Mafhy
Amtsleiter in der Gaustudentenführung Berlin

Immer häufiger kündet die Englandfanfare
im Großdeutschen Rundfunk von neuen Sie-
gen unserer U-Boote im Kampf gegen die Ver-
sorgungsschiffahrt Großbritanniens. Sie lenkt
damit unsere Aufmerksamkeit ab von den gro-
ßen Geschehen an der Ostfront und verweist
uns auf einen Kriegsschauplatz, auf dem nach
dem Siege im Osten die Entscheidung in die-
sem Kriege fallen wird. Es verlohnt sich daher,
die Lage auf dem Kriegsschauplatz, des Wirt-
schaftskrieges einer Betrachtung zu unterzie-
hen, 'die weniger die militärischen als die
politischen Vorgänge untersuchen soll. Es ist
zwar ein gewagtes Unternehmen, über einen
noch in der Entwicklung befindlichen politi-
schen oder militärischen Vorgang Bericht zu
erstatten. Wenn hier dennoch der Versuch
unternommen wird, nicht nur juristisch, son-
dern auch historisch die Entwicklung des
Wirtschaftskrieges vom 3. September 1939 bis
heute in großen Zügen zu betrachten, so wird
die Berechtigung hierzu von der Tatsache her-
geleitet, daß der von Großbritannien begon-
nene und mit aller Schärfe gegen das Deut-
sche Reich geführte Wirtschaftskrieg durch die
Erfolge der deutschen Kriegführung bereits
einen gewissen Abschluß gefunden hat.

Die Briten sind ihrer jahrhundertelang ange-
wandten und ihrer eigenen Mentalität entspre-
chenden Methode der Kriegführung, andere
Völker für die eigenen Interessen einzuspan-
nen und, wenn nötig, verbluten zu lassen,
auch in diesem Kriege treu geblieben. Dem
unablässigen Bemühen der britischen Diploma-
tie war es in der Vorkriegszeit gelungen, auf
dem Kontinent wie so oft „Kontinentaldegen"
zu finden, die bereit waren, im Kampf gegen
das Deutsche Reich britische Interessen zu ver-
fechten. Ihre Aufgabe sollte es sein, die mili-
tärische Macht Deutschlands zu vernichten,
während die Briten selbst dun ^£Jen Wirt-
schaftskrieg •a."V Widerstandskraft"» deutsche-.n
Volkes von innen heraus zerbi.-iClien wollten.
Welche Bedeutung die Briten dieser Kriegfüh-
rung beimaßen, gab die belgische Zeitung
„Metropole" vom 21. Oktober 1939 in einem
Artikel wieder, in dem die britische Ansicht
vertreten wird, daß die Dauer des Krieges
allein voru-der Stärke oder Schwäche der deut-
schen' Wirtschaftslage bestimmt sei. Sämtliche
von der britischen Regierung zu ergreifenden
Maßnahmen müßten daher von dieser Erkennt-
nis ausgehen.

Die Absperrung von Ubersee

Die britischen Sachverständigen, die Deutsch-
lands wirtschaftliche Widerstandskraft prüften,
haben richtig erkannt, daß sich Deutschland
unter seiner neuen Führung im Gegensatz zu
der Zeit vor dem Weltkrieg auf die englische
Wirtschaftskriegführung umfassend vorbereitet
hatte. Sie haben deshalb in ihren gemeinsam
mit Frankreich ausgearbeiteten Plänen vorge-
sehen, daß die Absperrung Deutschlands von
Ubersee nicht wie im Weltkrieg allmählich,
sondern sofort und mit voller Schärfe durch-
geführt werden sollte.

Das Hauptziel Englands, die Unterbindung
aller nach Deutschland bestimmter übersee-
ischer Einfuhren, sollte wie im Weltkrieg durch
eine völkerrechtswidrige totale Absperrung
Deutschlands von allen direkten und indirekten
überseeischen Verbindungen erreicht werden.

Das geltende, auf der Pariser Seerechts-
deklaration von 1856 und der allerdings als
Vertragsrecht nicht in Kraft getretenen, jedoch
gewohnheitsrechtlich anerkannten Londoner
Seerechtsdeklaration vom 26. Februar 1909
fußende Seekriegsrecht gibt den Kriegführen-
den nur wenige genau umgrenzte Mittel zur
Führung des Seenandelskrieges in die Hand.
Hiernach kann zunächst einmal jedes feind-
liche Handelsschiff sowie dessen im feind-
lichen Eigentum stehende Ladung von den
Seestreitkräften des Kriegführenden auf See
aufgebracht und durch Urteil seiner Prisen-
gerichte entschädigungslos eingezogen werden
(Seebeuterecht). Weiterhin ist der Kriegfüh-
rende berechtigt, neutralen Schiffen unter den
im Prisenrecht festgelegten Bedingungen das
Anlaufen von feindlichen Häfen zu untersagen.
Die neutralen Handelsschiffe, die gegen das
Verbot verstoßen, können aufgebracht und ein-
gezogen werden {Blockaderecht). Vorausset-
zung hierfür ist jedoch, daß der Kriegführende
den Zugang zu den feindlichen Häfen effektiv
absperren kann. Schließlich ist der Kriegfüh-
rende ermächtigt, bestimmte von ihm als Bann-
gut bezeichnete, kriegswichtige Güter auf neu-
tralen Schiffen zu beschlagnahmen. Hierbei
wird zwischen unbedingtem und bedingtem
Banngut unterschieden (Banngutrecht). Wäh-
rend in die Kategorie des unbedingten Bann-
guts nur solche Güter eingeordnet werden dür-
fen, die ausschließlich für kriegerische Zwecke
bestimmt sind, fallen unter den Begriff des be-
dingten Bannguts alle kriegswichtigen Güter,

die auch für zivile Zwecke verwendet werden
können. Die zum unbedingten Banngut erklär-
ten Waren dürfen vom Kriegführenden schon
dann entschädigungslos eingezogen werden,
wenn der Beweis, daß sie nach dem feindlichen
Lande befördert werden sollen, erbracht wor-
den ist. Bei dem bedingten Banngut muß
außerdem noch der Nachweis geführt werden,
daß die Güter für Zwecke der feindlichen
Wehrmacht oder der Verwaltungsstellen des
feindlichen Staates bestimmt sind.

Da England es nicht wagen konnte, Blockade-
streitkräfte vor den deutschen Küsten kreuzen
zu lassen, konnte es über sie keine recht-
mäßige Blockade verhängen. Es blieben ihm
als rechtmäßige Mittel zur Ausübung wirt-
schaftlichen Druckes lediglich das Seebeute-
und das Banngutrecht. England durfte also nur
deutsche Handelsschiffe mit im deutschen
Eigentum stehender Ladung und solche neu-
tralen Handelsschiffe, die Banngut beförderten,
aufbringen und einziehen.

Die völkerrechtswidrige Banngutliste

Bereits am zweiten Kriegstag beseitigte die
britische Regierung durch die Order in Coun-
cil vom 4. September 1939 alle der britischen
Seekriegführung durch das Banngutrecht ge-
zogenen Schranken. Mit dieser Verordnung
veröffentlichte nämlich die britische Regierung
eine Banngutliste, in der sie nicht nur alle für
kriegerische Zwecke bestimmten Güter, son-
dern auch deren. Bestandteile sowie die Mate-
rialen, die zu ihrer Herstellung geeignet find,
also praktisch alle industriellen Rohstoffe und
Industrieprodukte, zum Banngut erklärte. Auf
Grund dieser britischen Liste ist wohl kaum
ein Gegenstand denkbar, der nicht als Bann-
gut dem feindlichen Zugriff unterworfen ist.

Gegen diese völkerrechtswidrige Maßnahme,
eH« jeden Handelsverkehr der Neutralen mit
überseeischen Waren nach Deutschland unmög-
lich machte, erhoben die neutralen Länder lei-
der nur formelle Proteste. Der Gedanke, Gegen-
maßnahmen zu ergreifen, die eine Erzwingung
der Beachtung des Völkerrechts durch die Bri-
ten zum Ziele hatten, lag ihnen völlig fern. Im
Gegenteil, sie fügten sich bereitwilligst der
britischen Kontrolle durch Unterwerfung unter
das bereits im Weltkrieg eingeführte englische
Navicertsystem, d. h. durch Annahme der. in
überseeischen Ausfuhrhäfen für die nach den
Ländern der europäischen Neutralen bestimm-
ten Waren von den britischen Auslandsbehör-
den ausgestellten Passierscheine. Diese werden
nur bewilligt, wenn die Empfänger nicht auf
der englischen schwarzen Liste standen, auf die
alle neutralen Firmen gesetzt wurden, die mit
Deutschland Handel trieben, und auch nur
dann, wenn eine Garantie gegeben werden
konnte, daß die Waren nicht nach Deutschland
wieder ausgeführt wurden. Hatten die Einfuh-
ren eines neutralen Landes in einer bestimmten
Warengattung die neutrale Einfuhrmenge er-
reicht, so wurde die Erteilung von Navicerts
eingestellt. Das Navicertsystem führte also zu .

_imi.ii!'''

Deutsche Kanalbatterien feuern auf einen englischen Geleitzug, der zum Teil vernichtet
und zum Teil in den Hafen zurückgetrieben wurde

Aufn.: Presse-Hoffmann

dem vollständigen Verlust der wirtschaftlichen
und damit letzten Endes auch der politischen
Unabhängigkeit der sich ihm unterwerfenden
neutralen Staaten. Diese gliederten sich restlos
in die britische Wirtschaftsfront ein und lei-
steten den Befehlen der im neutralen Staat ein-
gerichteten englischen Organe der wirtschaft-
lichen Kriegführung willenlos Folge. Darüber
hinaus dient das Navicertsystem nach den
Worten des britischen Ministers für die Füh-
rung des Wirtschaftskrieges, Hugh Dalton, vom
30. Juni 1940 auch dazu, „die britische Blok-
kade zu verschärfen und eine unnötige Be-
anspruchung der britischen Flotte zu vermei-
den". Hier ist von höchster britischer Stelle
ausgesprochen worden, daß die neutralen Staa-
ten durch Entlastung der britischen Seestreit-
kräfte mittelbar der englischen militärischen
Kriegführung dienen.

Der Blockierende wird blockiert!

Der Angriff auf die deutsche Wirtschaft
wäre nur unvollständig gewesen, wenn allein
die Einfuhr nach und nicht auch die Ausfuhr
aus Deutschland unterbunden werden sollte.
Die britische Regierung erließ daher durch die
Order in Council vom 27. November 1939 eine
Ausfuhrsperre für deutsche Waren, indem sie
ihre Seestreitkräfte anwies, neutrale Handels-
schiffe, die ab 4. Dezember 1939 die Waren
deutschen Ursprungs oder deutschen Eigen-
tums nach Übersee beförderten, zu zwingen,
ihre Ladung in britischen oder alliierten Häfen
zu löschen. Auch diese Maßnahme richtete sich
wiederum in erster Linie gegen die neutralen
Staaten, da Verschiffungen deutscher Waren
nach Übersee meist über neutrale Häfen vor
sich gingeh und die neutralen Befrachter in
den meisten Fällen Eigentümer dieser Ladungs-
partien waren.

Diese Maßnahme stand ebenfalls im Wider-
spruch mit dem geltenden Seekriegsrecht, das
neutralen Schiffen den Transport aller aus
kriegführenden Ländern stammenden Waren
gestattet. Dessen waren sich die Briten voll-
kommen bewußt, so daß sie diese Verordnung
als Repressalienmaßnahme gegen den angeb-
lichen völkerrechtswidrigen Minenkrieg durch
die deutschen Seestreitkräfte zu begründen
versuchten. Daß dies lediglich ein nichtiger
Vorwand war, ist auch von neutraler Seite an-,
erkannt worden. Hier bestätigt sich wieder das
Wort von Edward Grey, daß das Seekriegs-
recht „für die Briten nur ein Kampfmittel ist,
das nach der jeweiligen Lage auszuspielen und
wendig zu halten ist und stets nach den wech-
selnden Interessen Englands auslegungsfähig
zu bleiben hat".

Im Gegensatz zu England war die deutsche

Regierung bestrebt, die Normen des Seekriegs-
rechts zu beachten. Das beweist die Fassung
der Deutschen Prisenordnung vom 28. August
1939, die sich genauestens an die Regeln des
Völkerrechts hält. Erst die Erweiterung des
Banngutbegriffs durch die britische Regierung
zwang Deutschland zu einer entsprechenden
Maßnahme, durch die es den in der Prisen-
ordnung festgelegten Banngutbegriff im Gesetz
zur Änderung der Prisenordnung vom 12. De-
zember 1939 dem britischen angeglichen hat.

Auch auf dem wirtschaftlichen Kriegsschau-
platz ging das Deutsche Reich bei Beginn des
Krieges unverzüglich gegen den Gegner zum
Angriff über. Die deutschen U-Boote und Hilfs-
kreuzer griffen die britische Handelsschiffahrt
auf allen Meeren an. Sie brachten die Schiffe
als Prisen in die deutschen Häfen ein oder
versenkten sie, wenn eine Einbringung nicht
gesichert erschien. Der deutsche Seehandels-
krieg veranlaßte die Briten zu dem zeitrauben-
den und die eigene Kriegsflotte stark beanspru-
chenden Geleitzugsystem, das den nach Eng-
land fahrenden Handelsschiffen allerdings nur
einen fragwürdigen Schutz gewährte, und zur
völkerrechtswidrigen Bewaffnung ihrer Han-
delsschiffe.

Im Kampf um die Versorgung Englands ver-
suchten die Briten durch völkerrechtswidrige
Zwangsmaßnahmen gegenüber den Neutralen
dem lähmenden Zugriff der deutschen Streit-
kräfte zu entgehen. .Ihren Bemühungen, im
Norden durch die Besetzung Norwegens sich
Luft zu verschaffen und gleichzeitig den Blok-
kadering um Deutschland zu verengern, kam
der Führer durch eine an Kühnheit und Wage-
mui bisher unerreichte Aktion zuvor. Desglei-
chen vereitelte die deutsche Wehrmacht die

Absicht der Alliierten, durch die Besetzung
Belgiens und Hollands die militärische und
damit wirtschaftliche Front im Nordwesten des
Reiches bis an seine Grenzen vorzuschieben,
durch den machtvollen Gegenschlag, der in
sechs Wochen Belgien, Holland und Frank-
reich zu Boden warf und das Wirtschaftspoten-
tial dieser Länder in den, Dienst der deutschen
Kriegführung stellte. Damit ist zugleich
Deutschland bedrohlich in die Nähe der eng-
lischen Insel gerückt. Es kann von seinen
Atlantikhäfen aus das Seegebiet um England
beherrschen und die ohnehiti schon stark ge-
drosselte Einfuhr in das Mutterland weiterhin
bekämpfen.

Der Seekrieg um England erfuhr eine we-
sentliche Verschärfung, als die deutsche
Reichsregierung, durch die anhaltende völker-
rechtswidrige Kriegführung der Briten zur See
gezwungen, am 18. August 1940 die totale
Blockade in Form einer Erklärung der Gewäs-
ser um England zum Sperrgebiet verkündete.
Deutscherseits wird danach in Zukunft aus-
nahmslos die Verantwortung für alle Schäden,
die Schiffe und Personen in diesem näher be-
zeichneten Gebiet zustoßen sollten, abgelehnt.

Damit haben sich die Fronten auf dem
Kriegsschauplatz des Wirtschaftskrieges ge-
klärt. Sie sind im wesentlichen bis heute die
gleichen geblieben. Der Feldzug in Griechen-
land und Jugoslawien hat die letzten Positionen
der Briten auf dem Kontinent beseitigt und
zugleich den Deutschland zur Verfügung ste-
henden Wirtschaftsraum weiter vergrößert.
Hingegen muß England, mit dem anwachsen-
den Tonnagemangel kämpfend, fast täglich d ...
Verlust bedeutender Wirtschafts- und Indu-
striezentren melden, die die Japaner in ihrem
siegreichen Vormarsch ihnen entreißen. Ein
Wirtschaftskrieg ist kein Blitzkrieg. Chamber-
lain rechnete am Beginn des Krieges unter
Unterschätzung der Kraft des Deutschen Rei-
ches und unter Berücksichtigung der ungeheu-
ren Hilfsguellen, die dem britischen Imperium
damals noch zur Verfügung standen, mit einem
Zeitraum von drei Jahren, die er zur Nieder-
ringung der wirtschaftlichen und damit mili-
tärischen Widerstandskraft des Deutschen Rei-
ches benötigte. Inzwischen haben die Briten
wertvolle wirtschaftliche Positionen und über
21 Mill. BRT. Schiffsraum verloren. Deutsch-
land hingegen kann die Wirtschaft fast ganz
Europas für die Erringung des Sieges einset-
zen und hält mit seinen Luft- und Seestreit-
kräften die britische Insel fest umklammert.
An Stelle der britischen Fernblockade ist die
totale deutsche Gegenblockade getreten. Sie
wird dazu beitragen, daß die britische Wider-
standskraft zerbricht und die Völker des Kon-
tinents zum friedlichen Aufbau eines neuen
Europas antreten können.

^olge 22 / Die Bewegung / Seite 3

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