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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 12.1944

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Nr. 1 (Ende Januar 1944)
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ORGAN DER REICHSSTUDENTENFÜHRUNG / MÜNCHEN. ENDE JANUAR 1944 / 12. JAHRGANG / FOLGE 1

Ein Heldenlied aus unseren Reihen

Zeuge besten Studententums

Deutschlands Studenten werden für alle Zu-
kunft Siegfried Grabert vor Augen
haben, wenn sie ihre gefallenen Helden durch
Arbeit und Haltung ehren. Schon 1942 starb
Ritterkreuzträger Hauptmann Grabert im Osten
den Heldentod.

Der Führer hat Jetzt nachträglich Grabert,
der in den Reihen des studentischen Führer-
korps als Amtsleiter Politische Erziehung sich
vor dem Kriege in der nationalsozialistischen
Bewegung besonders bewährt hatte, in Würdi-
gung seines Heldentums an der Ostfront das
Eichenlaub zum Ritterkreuz des
Eisernen Kreuzes verliehen.

Inzwischen wurde Grabert, ebenfalls nach
seinem Heldentod, noch zum Major befördert.
Im Rahmen seiner studentischen Führungs-
aufgaben wirkte er vor dem Kriege von 1937
an zunächst in Tübingen, beginnend mit dem
Aufbau der Kameradschaft „Yorck" des
NSDStB. und wurde später mit der politischen
Erziehungsaufgabe in der Studentenführung
Tübingen betraut.

Der Reichsstudentenführer, Gauleiter Dr. G.
Ä. Scheel, berief Grabert während des Krie-
ges zu sich. Als persönlicher Referent sollte er
später, so wurde bei seiner letzten Anwesen-
heit noch vereinbart, nach dem Kriege seine
hervorragende Leistungskraft an der Seite des
Reichstudentenführers in den Dienst des ge-
samten deutschen Studententums stellen.

Als gafallendr Eichenkiubträger gehört Gra-
bert nun zu den besten Söhnen des deutschen
Volkes. Er gehört der ganzen Nation, so. wie
ihr alle Helden gehören. Das deutsche Studen-
tentum als die. Lebensgemeinschaft, der Gra-
bert sein Schaffen gewidmet hatte, wird das
Gedächtnis an ihn in alle Zukunft besonders
wach halten.

Ergreifender Bericht

■ ^

Ein Kamerad Graberts, der mit ihm in Tü-
bingen studierte und in seiner Kompanie im
Osten mit ihm kämpfte, hat einen Beriebt
verfaßt, der den Weg dieses Eichenlaubträgers
des Studententums so schildert, wie das wohl
nur aus dem unmittelbaren Erlebnis heraus
möglich ist.

Wir geben den Bericht im Wortlaut wieder:

„Ein riesiges Sumpfgelände legt sich zwi-
schen Rostow und Bataisk. Nur ein einziger
Damm, darauf Straße und Eisenbahn, über-
brückt es. Kein Wunder, daß der Feind seine
Artillerie und Granatwerfer auf jeden Punkt
dieses einzigartigen Verbindungsweges einge-
schossen hatte. In der Abenddämmerung tritt
die Marschgruppe Grabert, etwa in Stärke
einer Infanteriekompanie, zum Vormarsch an.
In langen, dichten Reihen geht es am Damm
entlang vorwärts. Unausgesetzt steigen Leucht-
kugeln auf, peitschen messerscharf Einzel-
schüsse und MG.-Garben über den Damm.
Schwer keuchen im Vorwärtsstürmen die
schweren Waffen unter ihrer Last. Doch heute
muß die Brücke von Bataisk in unsere Hand.

Endlich erreichen wir den diesseitigen Brük-
kenkopf. Eine tiefe Mulde unmittelbar vor
dem Fluß nimmt uns auf. Mit dankbaren Au-
gen empfangen uns die paar Kradschützen, die
hier vorn seit Stunden bemüht sind, den Feind
durch ihr Feuer in Schach zu halten. Im Nu
sind die Stellungen für unsere Waffen erkun-
det. Der Chef orientiert sich und weist seine
Unterführer an. Es sieht nicht gut aus hier.

Die Eisenbahnbrücke, 200 Meter links von
uns, brennt lichterloh. Ein SMG. muß noch im
Brückenpfeiler sitzen. Immer wieder hackt es
in unsere Flanke. Der Flußarm vor uns, gut
hundert Meter breit, ist restlos vom Feinde
eingesehen. Beiderseits der Brücke aber geht
alles in Sumof über. Der Entschluß des Chefs
steht fest: Noch vor Tagesanbruch muß die
Brücke in unserer Hand und ein Brückenkopf
gebildet sein. Führer: er selbst.

Gegen ein Uhr setzt von drüben rasendes
Granatwerferfeuer ein. Schon die ersten Ein-
schläge kosten Tote. Der eigene schwere Gra-
natwerfer erhält Feuererlaubnis. Wie ein Luchs
äugt der Truppführer aus seiner B-Stelle in die
Nacht hinaus. Da, Mündungsfeuer! „Abschuß!"
ruft er laut, als drüben der dumpfe Knall er-
tönt. Die Köpfe der Kameraden ducken sich,
bis im Geprassel des Einschlag« die Gefahr
verrauscht. Zwei schwere Feindwerfer wer-
den erkannt und, obwohl die eigenen Ein-
schläge nur mit dem Ohr wahrzunehmen sind,
sfhon mit dreizehn Schuß zum Schweigen ge-
kracht.

Kurze Besprechung beim Chef. Die Spitzen-
gruppe tritt an. Lautlos, Gespenstern gleich
huschen sie über die Brücke; mit Abstand fol-
gen die beiden Züge.

Noch hat der Feind nichts bemerkt; Mit
weit aufgerissenen Augen hocken die SMG.-
Schützen an ihren Gewehren, Finger am Ab-
zug. Da — der Gegner schießt! Sämtliche
eigenen Waffen feuern los. Kein Wort ist mehr
zu verstehen. Nach langen, heißen Minuten
steigen die ersten Leuchtkugeln hoch. Gott
sei Dank, sie haben's geschafft! Weitere
Leuchtkugeln folgen: „Munition nach vorn!"
„Feuer vorverlegen!" „Hier sind wir!" Der
Feind ist geworfen, der Brückenkopf gebildet.
Um das Halten braucht keinem bange zu sein,
denn drüben führt unser Hauptmann Grabert.

Doch der Feind gibt nicht nach. Er weiß,
was er verlor. In der Morgenfrühe überschüt-
tet er die Flußufer stundenlang mit Granat-
feuer. Ein MG. nach dem andern fällt aus, zu-
letzt auch die Pak. Die Verwundeten häufen
sich, daß Arzt und Sanitäter allein nicht mehr
durchkommen. So springen andere beherzte
Männer mit ein.

In einer Gefechtspause dringt von drüben
der Ruf „Munition". Wo bleibt nur der Nach-
schub? Die schweren Waffen haben fast selbst
nichts mehr. Trotzdem stellen wir, als der Geg-
ner wieder etwas Ruhe gibt, mit den Kästen der
ausgefallenen MG. eine Munitionskolonne zu-
sammen. Doch f.ia v.-ird untc;rwe'£» res;,''-? *l;
sammengeschossen. Wo bleibt nur der Nach-
schub? Wir können es nicht fassen, daß die
Kameraden uns im Stich lassen sollten.

Erst viel später erhalten .wir die Aufklärung:
der Feind hat acht Kilometer hinter uns gleich
nach unserem Angriff aus der Flanke einen
Bandenangriff vorgetragen mit dem Ziel, die
Donfähre bei Rostow zu überrennen und uns
von hinten abzuschneiden. Dann hätten wir
vorn langsam, aber sicher unsere Stunden zäh-
len können. Doch so weit kam es nicht.

Als schließlich die Verbindung zwischen bei-
den Ufern aus Mangel an Signalmunition im-
mer mehr abriß und in all dem Lärm nur noch
der Ruf durchkam: „Eine Spritze Morphium zum
Chef!", entschlossen sich kurzerhand der Stabs-
arzt und ein Unteroffizier, den Fluß zu durch-
schwimmen. Trotz schwerstem Scharfschützen-
feuer glückte dies. Der Arzt versorgte die zahl-
reichen Verwundeten, während Hauptmann
Grabert, durch Kopfstreifschuß leicht ve^'.Jtzt,
dem Unteroffizier den Ernst der Lage auflegte.
Dieser schwamm nun, gehetzt von Schützen-,
Pak- und MG .-Feuer, wieder zurück, und es
gelang ihm, nur leicht verwundet, bei dem in-
zwischen eingetroffenen Bataillonskommandeur
der Infanterie und dem vorgeschobenen Artil-
leriebeobachter die dringendsten Maßnahmen
zu veranlassen.

Da lag plötzlich unser Hauptmann vor uns.
Im tollsten Feuer war er mit einem schweren
Bauchschuß über die Brücke gelangt. Ruhig
und gefaßt verlangte er Morphium. Dem Arzt,
der ihn beim Verbinden hatte trösten wollen,
hatte er nur geantwortet: „Machen Sie mir
nichts vor, Doktor. Ich bin Mediziner und
weiß genau, daß ich sterben muß." Seine
nächsten Worte galten dem Verlauf des
Kampfes und dem Schicksal seiner Männer.
Stolz war er auf sie, und fast erschien es ihm
als Gnade, daß er nicht einer der wenigen
bleiben mußte, die diesen heldenhaften Opfer-
gang überlebten.

Die Stunde der Vollendung

Währenddessen ging zum zweitenmal die
Hölle los. Auf unserer rechten Flanke brachen
in dichten Rudeln durch Wasser und Sumpf
die Bolschewisten vor. Die Gefahr, abgeschnit-
ten zu werden, stand uns riesengroß vor Augen,
Da gab es nur noch ein einziges Handeln. Die
letzte Patrone wurde aus dem Dreck gezogen,
Beutewaffen zusammengetragen. Und . als ge-
schähe ein Wunder, aus allen Löchern erhoben
sich Verwundete, hinkten oder krochen hin-
über an den Straßendamm und bildeten mit
ihren blutenden Leibern den Wall nach rechts.
Einer, ein Oberschütze, dem vor Stunden beim
Munitionstransport der rechte Arm lahm-
geschossen war, stand nun aufrecht in seinem
Loch und feuerte ruhig Schuß um Schuß aus
seinem Beutegewehr. Da erschienen, als die
ersten schon auf 200 Meter heran waren, un-
sere Stukas. Durch Funkspruch genau ein-
gewiesen, stürzten sie sich mitten, in die
Feindrudel. So gut saßen ihre Bomben, daß

\

SIEGFRIED GRABERT

„Ihr Sohn war ein wahres Vorbild für jeden jungen Deutschen und ein wirklich wunderbarer
Gefolgsmann des Führers. Möge es Ihnen ein kleiner Trost sein, daß er schon in jungen Jah-
ren so Großes für Deutschland leisten konnte. Deutschlands Studenten werden im besonderen
sein Erbe weitertragen.

Ich selbst verliere einen meiner besten Kameraden. Ich habe mich mit Siegfried Grabert so
wunderbar verstanden. Er hat mir bei meinem letzten Zusammensein mit ihm seine berufliche
Zukunft in die Hände gelegt."

Reichsstudentenführer Dr. G. A. Scheel an die Mutter

wir selbst noch mit Erde und Steinen über-
schüttet wurden. Der Angriff zerschellte.

Inzwischen hatte Hauptmann Grabert, nach-
dem er . noch einiges Persönliche aufgetragen
hatte, in ruhigem Schlaf die Augen geschlossen.
Und diese Ruhe breitete sich nach dem Zer-
schlagen des Angriffs auf den ganzen Ab-
schnitt aus. Vollkommen erschöpft lagen die
Männer in ihren Löchern und versuchten —
vergebens — zu schlafen.

Wer von den Jägern noch stehen konnte,
wankte hin, Abschied zu nehmen von seinem
Chef. Dann legten wir ihn behutsam in eine
Mulde und bedeckten ihn mit Blumen und
Gras. In der Nacht, wenn wir abgelöst wür-
den, wollten wir ihn mit uns nehmen, wie
einst die Goten ihren toten König. Doch es
sollte nicht gelingen. Nachdem drei Mann ver-
wundet waren, mußten wir den Versuch auf-
geben. So ruht er nun inmitten seiner Männer
unter dem Pfeiler seiner Brücke.

Erschreckend groß war zunächst die Zahl
unserer Vermißten, doch bis in die folgende
-Nacht - hinein kamen immer wieder einzelne
zurück, oft schwer verwundet. Ein Linteroffi-
zier hätte .— getreu dem Befehl — die ganze
Nacht im Vorfeld der Brücke ausgehalten,

rings umgeben vom Feind. Als am nächsten
Morgen die Infanterie nach gründlichster Ar-
tillerievorbereitung gegen Bataisk stürmte,
ging er mit und führte einen Stroßtrupp vor,
bis er im Feuer zusammenbrach. Ein Sani-
tätsunteroffizier kroch in der Nacht, als der
Unteroffizier schwer getroffen um Hilfe rief,
bis zu den vordersten Sicherungen vor und
starb durch Kopfschuß mit ihm zusammen.

Ein Heldenlied müßte man schreiben, ein
Nibelungenlied der Tapferkeit und Treue, und
an seiner Spitze stünde als leuchtender Sieg-
fried und todtrotzender Hagen zugleich unser
alter Studentenführer Ritterkreuzträger Haupt-
mann Siegfried Grabert.

Meine Gedanken aber gleiten zurück in jene
besonnte Tübinger Studentenzeit, wo uns bei-
den Freunden an so manchen Sonntagmorgen
ein Verweilen am Grabe unseres großen Höl-
' derlin schönster Gottesdienst war. Immer wie-
der entzündeten sich dort unsere Herzen an
diesem unvergänglichen Wort:

Im heiligsten der Stürme falle
Zusammen meine Kerkerwand,
Und herrlicher und freier walle
Mein Geist, ins unbekannte Land!"
 
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