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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 12.1944

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Nr. 6 (Juni 1944)
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https://doi.org/10.11588/diglit.6620#0055
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Uberhaupt Spielt der Wechsel von Erhitzen und
Abkühlen eine sehr große Rolle in der chemischen Arbeit
des Laboratoriums und der Technik. Erinnert sei in diesem Zu-
sammenhang an das Destillieren, Sublimieien, Lösen, Schmel-
zen und Kristallisieren.

Neben der Beherrschung eines weiten Tempe-
raturbereicheshat sich als sehr wesentliches
Mittel der stofflichen Gestaltung das Arbei-
ten bei hohen Drucken erwiesen. Die Verbiii-
dungbeid erArten der Einwirkung: gesteiger-
ter Temperaturen und hoher Drucke, ist die
Voraussetzung chemisch-technischer Ver-
fahren von gewaltiger Ausdehnung und größ-
ter Bedeutung für das Leben unseres Volkes in
Friedenund Krieg. Auf ihr beruhtdie Synthese
von Ammoniak, von Lösungsmitteln und von
Treibstoffen. Die Erzeugung der dazu erfor-'
derlicher. Temperaturen ist nicht besonders
schwierig, ebensowenig die Erzielung der er-
forderlichen Drucke.

Neben Temperaturen und Drucken setzt die Chemie als eines
ihrer großen Hilfsmittel die elektrischen Kräfte ein.
Ihre Wechselwirkung mit stofflichem Geschehen bildet den Ge-
genstand der „Elektrochemie"; diese bildet einen Teilbereich
der „Physikalischen Chemie", der sich mannigfach verzweigt.
Elektrische Kräfte bestimmen die Eigenschaften von Säuren,
Basen, Salzen, und ihren Lösungen. Ihr Leitvermögen für den
elektrischen Strom ist ein besonders leistungsfähiges Mittel
ihrer Erforschung, Kennzeichnung und Anwendung. Bei vielen
stofflichen Umsetzungen entsteh* elektrische Arbeit; ein Bei-
spiel dalür bieten die galvanischen Elemente. Umge-
kehrt erzwingt elektrische Arbeit Art und Verlauf vieler che-
mischer Prozesse; dahin gehören die Gewinnung wichtiger
Stoffe wie des Chlors, von reinem Sauerstoff und Wasserstoff
sowie die Reinigung des Kupfers aus Lösungen und die Dar-
stellung der Leichtmetalle Aluminium und Magnesium aus den
Schmelzen ihrer Salze. Diese
bildet den Gegenstand sehr
ausgedehnter Industriezweige,
deren gegenwärtige Bedeu-
dung jedem von uns allent-
halben entgegentritt. Elektro-
chemische Vorgänge schaffen
die Grundlagen der Ver-
nickelung und Verchromung.
In elektrischen Feldern lau-
fen- Umsetzungen ab, die mit
anderen Mitteln kaum oder
gar nicht erzwungen werden
können; ein Beispiel dafür ist
die Bildung von Ozon aus
Sauerstoff.

Die elektrischen Kräfte sind
eng verknüpft mit den Kräf-
ten, die zwischen den einzel-
nen Bausteinen der Körper
bestehen, den sogenannten
„Bindungskräften". Sie
äußern sich unter anderem
sehr stark in den Ober-
flächen. Da diese die Gren-
zen der Körper gegen ihre
Umwelt darstellen, sind sie
„Grenzflächen", und die von
ihnen ausgehenden Kräfte
werden als ,,G r e n z f 1 ä -
chenkräfte" bezeichnet.

Ihre Wirkung äußert
sich unter anderem
darin, daß sich Atorhe
und Moleküle von Ga-
sen, Flüssigkeiten und Lösungen an Ober-
flächen anreichern. Darauf beruht die Grund-
lage vieler wichtiger Verfahren, z. B. des Ab-
fangens gewisser schädlicher Bestandteile
der Ateminft imFilter derGasmaske, der Tren-
nung v o n'G a s g e m i s c h e n , der Kennzeichnung,
Gewinnung und Reinigung empfindlicher
Wirkstoffe, von Waschvorgängen und der
Schmierung von Maschinenlagern.

Die Auswirkungen der Oberflächenkräfte

Die Grenzflächenkräfte treten um so mehr in Erscheinung,
je ausgedehnter die Oberflächen sind. Sie kennzeichnen daher
entscheidend die Vorgänge an den „Kolloide n". Unter die-
sen versteht man Körper so feiner Zerteilung, daß die Durch-
messer der Teilchen zwischen zehntausendsteln (10—') und
millionste! (10—8) Millimetern liegen. Solche Zerteilungen be-
stimmen die Vorgänge bei der Bildung von Wolken und Ne-
beln ebenso wie die Entstehung der Ackererde und das Haften
der Pflanzen-Nährstoffe an deren Teilchen. Aus Kolloiden be-
steht der überwiegende Teil aller lebenden Substanz der Tiere
und Pflanzen. Oberflächenkräfte nehmen dabei einen entschei-
denden Anteil im verwickelten Zusammenspiel der Lebensvor-
gänge.

Ähnliches gilt für die Wechselwirkung zwischen der Ener-
gie von Röntgenstrahlen und Elektronen einer-
seits und Gefüge und Umsetzung der Körper andererseits. Hier
liegt ein noch junges Forschungsgebiet vor; indes lehrt die bis-
her gewonnene Erfahrung bereits, daß es hier voraussichtlich
gelingen wird, besonders nahe an die Wurzel stofflichen Ge-
schehens heranzukommen.

Die hier erörterten Zusammenhänge zwischen Kraft und
Stoff behandelten nur einen schmalen Ausschnitt aus der Fülle
der vorhandenen Erlahrung und ihrer Anwendung. Sie sind in
Wahrheit nahezu unendlich vielgestaltig. Die zunehmende Be-
herrschung ist die Folge ihrer gedanklichen Durch-
dringung.

Als besonders bekanntes Merkmal chemischen Gedanken-
gutes gilt weiten Kreisen die chemische Formel. Sie
wird dabei in der Regel als eine der Schranken angesehen, die
das allgemeine Verständnis für die Chemie hindern. Sie genießt
diesen Ruf indes völlig zu Unrecht! In Wirklichkeit ist sie eine
einfache Symbolsprache sehr großer Leistungsfähigkeit und
sicherlich weniger verwickelt, als die zünftige Ausdrucksweise
vieler Spoitzweige.

Die chemische Formel ermöglicht mit Hilfe weniger Zeichen
eine klare Vorstellung von Zusammenhängen, für deren Er-
läuterung man sonst viele Sätze schreiben müßte. Sie gibt da-
bei vollständig Auskunft über die Zusammensetzung eines
Körpers nach Art und Menge. Ebenso erlaubt sie eine erschöp-
fende und völlig eindeutige Beschreibung stofflicher Umset-
zungen, ebenfalls nach Art und Menge der beteiligten Körper.
Weiterhin gewährt sie die Möglichkeit, die mehreren hundert-
tausend bekannten chemischen Verbindungen zu übersehen, zu
ordnen und einzuteilen. Die Formel gibt mit gewissen Ein-
schränkungen auch Auskünfte über die Eigenschaften der Kör-
per; sie läßt :— ebenfalls unter gewissen Vorbehalten —
schließlich Aussagen über die Wirkung der Körper zu.

Aus der einfachen Formel entstand die Strukturformel.
Diese stellt eine vereinfachte und schreibgerechte Projektion
der räumlichen Architektur eines Gebilds-s mit atomaren Bau-
steinen dar. In ihrer Darstellungsweise erscheinen etwa die
Moleküle von Motor-Benzin als gestreckte und gelegentlich

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Seite 4 / Die Bewegung / Jnni 1944

verzweigte Ketten von Kohlenstoff atomen, die ein-
fach oder mehrfach verknüpft sind. Das Benzol erscheint dabei
als ein geschlossenes regelmäßiges Sechseck, an dessen Ecken
Kohienstoffatome stehen (B e n z o 1 r i n g), abwechselnd durch
einfache und doppelte Bindungen verknüpft. Der Gedanke, das
Benzol in dieser Gestalt zu sehen, hat sich als unerhört
fruchtbar für die weitere Forschung und ihre Anwendung
erwiesen.

Die Strukturformel wurde schließlich zum räumlichen
S t r u k t u r m o d e 11 erweitert. Diesem läßt sich bereits für
eine Reihe sehr verschiedenartiger Verbindungen angeben. Be-
sonders ergiebig wurde es in der Kohlenstoffchemie. Hier
wurde ihm der einfache Gedanke zugrunde ge-
legt, das K o h 1 e n s t o f f a t o m in die Mitte eines
regelmäßigen Vi erfläch ners (Tetraeder) zu
setzen, dessen Ecken die Ansatzpunkte dervier
gleichwertigen Einheiten der Bindungskräfte
des zentralen Atoms bezeichnen. Werden an
diesen Ecken vier verschiedenartige Atome
oder Atomgruppen (Substituenten) gebunden,
so e r g e b e,n sich räumliche Anordnungen, die
sich wie Gegenstand und Spiegelbild oder
wie rechte Hand und linke Hand verhalten.

Im Zusammenhange mit der Möglichkeit, durch die Formel
Umsetzungen nach Art und Menge erschöpfend darzustellen,
ergibt sich die Berechtigung, aus ihr auch die maximale
Ausbeute einer chemischen Reaktion abzulesen.
Uber die wirkliche Ausbeute gibt indes die Formel
ebensowenig Auskunft, wie über die Triebkräfte der Umsetzun-
gen oder über die Beständigkeit der beteiligten Körper.

Die Grundlage für Antworten auf diese Fragen bietet die
chemische Thermodynamik. Sie ist noch weniger
volkstümlich, als die chemische Formel. Die für einen breiten
Leserkreis bestimmten Schriften über chemische Fragen, Ent-
wicklungen und Aussichten gehen ihr durchweg aus dem

Unsere Tradition:

„An dem, was die Zeiten der Not gelehrt haben, sollen die Burschen festhalten,
so daß sie als Brüder und als Söhne eines und desselben Vaterlandes eine eherne
Mauer bilden gegen jeglichen äußeren und inneren Feind.

Mit solchen Grundsätzen wollen wir einst zurüd<treten in das bürgerlidie Leben,
fest und unverrückt €or den Augen als Ziel das Gemeinwohl und unvertilgbar im
Herzen die Liebe zum eigenen deutschen Vaterlande. Verderben aber und Haß
der Guten allen denen, die in niedriger Selbstsucht das Gemeinwohl vergessen,
die lieber im Staube kriechen, als ihre Stimme frei erheben gegen Unbill, die der
heiligsten Gefühle des Volkes spotten, Begeisterung und vaterländischen Sinn und
Sitten für Hirngespinste und überspannte Gedanken ausschreien."

Der .Student Riemann in seiner Weiherede beim burschenschaftlichen Wartburgfest 1817

Wege, oowohl das in ir^B^iartenefrGeu.Tröecaigut ^ine ''"'b™
wesentlichen Grundlagen chemischer Gestaltung ist. In cior^w

Unbestechlichkeit ihrer Folgerungen ist sie geradezu als das

„gute Gewissen der Chemie" anzusehen.

Die chemische Thermodynamik lehrt unter anderem, daß das
Gesetz von der Erhaltung der Energie (I. Haupt-
satz der Thermodynamik) auch für stoffliche Umsetzungen un-
eingeschränkt gilt. Welche Wege auch immer in der Folge
der Reaktionen eingeschlagen werden, welche Einwirkungen
vorgenommen und welche Auswirkungen auch immer beob-
achtet und genutzt werden: die Summe der Energie bleibt
stets unverändert. Sie ändert lediglich ihre Formen und er-
scheint als Arbeit, Wärme, Licht, elektrische Energie in viel-
fältigem Wechsel. Infolge der Möglichkeit einer — dem Be-
trage nach vollständigen — wechselseitigen Umwandelbarkeit
der einzelnen Energieformen ist es möglich, aus der Messung
einer Form den Betrag einer anderen Form zu ermitteln.

Unabhängig von der Form der Energie bei stofflichen Um-
setzungen ist es nötig zu wissen, in welchem Sinne diese auf
den Einsatz äußerer Kräfte wie z. B. auf Steigerungen der Tem-
peratur oder des Druckes reagieren. Dafür gilt das Gesetz, daß
diejenigen Umsetzungen eintreten, welche die Wirkung des
äußeren Einflusses vermindern (Gesetz des kleinsten
Zwanges). Das bedeutet z. B., daß von den grundsätzlich
möglichen Umsetzungen eines reaktionsfähigen Gemisches bei
Steigerung der Temperatur die Reaktionen auftreten, die
Wärme verbrauchen; bei Steigerungen des Druckes laufen die
Umsetzungen ab, bei denen das Volumen abnimmt Als Bei-
spiel sei die Wechselwirkung von Stickstoff, Wasserstoff und
Ammoniak angeführt, also das Verhalten eines stofflichen Sy-
stems, wie es bei der Synthese von Ammoniak vorliegt. In
einem solchen Gemisch könnte sich grundsätzlich sowohl Am-
moniak in Stickstoff und Wasserstoff zerlegen, als auch Stick-
stoff und Wasserstoff zu Ammoniak verbinden. Beim Zerfall
von Ammoniak in seine Bestandteile nimmt das Volumen des
Reaklionsgemisches zu, im Falle der Bildung von Ammoniak
aus den Elementen nimmt es ab. Technisch erwünscht ist der
zweite Vorgang. Da er mit einer Verminderung des Volumens
verbunden ist, muß er nach dem Prinzip des kleinsten Zwanges
durch Steigerung des Druckes gefördert werden.

An diesem Beispiel wurde erkennbar, daß die Richtung stoff-
licher Umsetzungen nicht unter allen Umständen von vorne-
herein festliegt. Die Erfahrung lehrt, daß die zwi-
schen den Teilnehmern einer Reaktion ein-
geleitete Umsetzung keineswegs soweit ab-
zulaufen braucht, bis die anfangs vorhande-
nen Partner verbraucht sind. Als Beispiel sei-
wieder die Synthese von Ammoniak benutzt.
Dieses entsteht, wie es eben erörtert wurde,
durch Zusammentritt von Stickstoff und Was-
serstoff. Die Umsetzung geht indes nicht be-
liebig weit; in dem Maße, in dem Ammoniak
entsteht, zerfällt es teilweise wieder in seine
Bestandteile. Wenn Bildungund Zerfall gleiche
Geschwindigkeiten erreichen, wird ein Gleich-
gewichtszustand erreicht.

Es wurde bereits erwähnt, daß die Geschwindigkeit stoff-
licher Umsetzungen sich sehr stark mit der Temperatur ändert.
Steigende Temperaturen beschleunigen die Umsetzungen, fal-
lende Temperaturen verzögern sie. Als Regel kann dabei
geilen, daß eine Erhöhung der Temperatur um 10 Grad Celsius
die Geschwindigkeit der Reaktion jeweils verdoppelt Aus die-
ser Erkenntnis ergibt sich für die Leitung stofflicher Umset-
zungen manche sehr ernsthafte Folgerung. Es gibt viele chemi-
sche Reaktionen, bei denen Wärme frei wird. Werden diese
einmal eingeleitet und wird die entstehende Wärme, nicht ab-

geleitet, so steigt die Geschwindigkeit der Umsetzung infolge
der zunehmenden Temperatur ständig an und kann schließlich
zu explosivem Ablauf der Reaktion führen. Solche Vorgänge
liegen der Wirkung von Sprengstoffen und Treibmitteln für
Geschosse zugrunde. Sie können indes auch da auftreten, wo
sie durchaus unangebracht sind. Besonders beachtet werden
müssen sie bei der Übertragung neu aufgefundener chemischer
Prozesse aus dem Laboratoriumsmaßstabe in die großtech-
nische Fertigung. Durch sorgsame Überwachung und Regelung
der Temperaturen bei chemischen Umsetzungen lassen sie sich
indes völlig beherrschen. Die Möglichkeit dazu ist sehr oft
gegeben; in allen diesen Fällen ist die Nutzung der Erkennt-
nis der Zusammenhänge von Temperatur und Reaktions-
geschwindigkeit eines der wesentlichsten Mittel stofflicher Ge-
staltung. Sie ist als „Reaktionskinetik" ein Teil der physikali-
schen Chemie. Ihre Wirkung erstreckt sich auf die Verschie-
densten Bereiche der chemischen Forschung und ihrer An-
wendung. Als Beispiele seien nur genannt die Vorgänge der
Verbrennung der Treibstoffe im Motor, der Ablauf der groß-
technischen Gasreaktionen, die mit der Verflüssigung der Kohle
zusammenhängen, und die Entstehung der großen Moleküle,
die den Kunststoffen zugrunde liegen. Die Forschung auf die-
sem Gebiete ist gegenwärtig sehr intensiv. Trotz erheblicher
Erfolge steht sie indes noch im Anfang, so daß ihr Einfluß
mit zunehmender Erkenntnis noch erheblich steigen wird.

Die Erscheinungen einer Reaktions-Beschleunigung durch
sehr geringe Mengen einer Fremdsubstanz, die im Umsetzungs-
produkt nicht erscheint und sich praktisch bei der Reaktion
nicht verbraucht, werden als Katalyse zusammengefaßt.
Die gedankliche Leistung, die mit der Erfas-
sung und Anwendung de. Begriffes der Kata-
lyse vollbracht wurde, ist eine der folgen-
reichsten für die gesamte Chemie in allen
ihren Teilen.

Trotz ihrer großen Bedeutung ist das Wesen der Katalyse
keineswegs aufgeklärt. Wesentliche Ansätze dazu sind indes

vorhanden. Die Vorgänge bei
der homogenen Katalyse wer-
den beleuchtet durch Erfor-
schung der sogenannten Ket-
tenreaktionen; da-
bei werden die energetischen
und statistischen Voraus-
setzungen erkundet, unter
denen eine zusammenhängende
Folge von Umsetzungen ein-
treten kann und abbricht. Für
die Erkenntnis der heteroge-
nen Katalyse verspricht die
Erforschung der Besonderhei-
ten von Grenzflächen ent-
scheidende Grundlagen zu
geben. Wissenschaftliche For-
schung hat uns gelehrt, daß
in der molekularen Architek-
tur und in der Energievertei-
hing von Grenzflächen (Ober-
flächen) besondere Verhält-
nisse vorliegen, die von denen
aller anderen Bereiche eines
Körpers verschieden sind. In
ihnen wird eine der wesent-
lichen Ursachen für die Kon-
taktwirkung aui Reaktionen
gesehen. Die Verhältnisse sind
im einzelnen noch nicht ge-
klärt. In dem Maße, in dem
die Erforschung der Grenz-
flächen mit unserem modern-
sten gedanklichen und metho-
dischen Rüstzeug fortschreitet,
wird auch, die Erkenntnis und Beherrschung der heterogenen

Katalvse zuneiiimsä.." " "° - "'V:

ist „

Die Voraussetzungen dazu bVtt&räi&h in dem zunehmenden
Wissen vom atomaren und molekularen Feinbda

der Körper. Dieser beeinflußt unter anderem in einer sehr
klaren und eindeutigen Weise Röntgenlicht und Elektroneh-
strahlen. Aus den Erscheinungen, die dabei auftreten, lassen
sich in zuverlässiger Weise Schlüsse auf die Anordnung und
Art der Bausteine der Körper ziehen. Die Ergebnisse solcher
.-orschungen reichen sehr weit. Sie lassen den Aufbau metalli-
scher Werkstoffe ebenso erkennen wie den von natürlichen
und künstlichen Fasern. Sie geben ferner Aufschluß darüber,
wie sich das Gefüge der Körper bei mechanischen Beanspru-
chungen oder chemischem Verschleiß (Korrosion) ändert.
Auch lehren sie, wie sich die kleinsten Bausteine der Körper
bei steigenden Temperaturen zueinander verhalten.

Schließlich geben.sie sogar Aufschluß über
das Wesen und die Richtung der Kräfte, welche
die stofflichen Bindungen zwischen den Ato-
men sichern. Dabei bilden diese Zusammen-
hänge nur einen kleinen Teil der tatsächlich
angewandten und einen noch wesentlich klei-
neren Teil der an sich möglichen Wege der Er-
kenntnis. Wir wissen, daß die Bindungskräfte
elektrischer Natur sind. Wie im -einzelnen
indes elektrische Ladungen nach Betrag und
Vorzeichen mit den Massen der Atome dabei
zusammenwirken, ist noch Gegenstand, einer
eifrigen und rasch fortschreitenden For-
schung.

4

Erkenntnis vom Wesen und Bau der Atome

Das gleiche gilt für die Erkenntnis vom Wesen und
Bau der Atome selbst und ihrer Bestandteile. In diesem
Bereich hat gerade die jüngste Zeit wesentliche Ergebnisse ge-
bracht, vor allem durch die Erforschung der natürlichen und
künstlich erzwungenen Radioaktivität. Wir verstehen
heute den Sinn und die Ursache für die Erfahrung, daß sich
die Grundstoffe einem natürlichen System fügen, innerhalb des-
sen ihre Eigenschaften sich in sinnvoller Ordnung ändern. Wir
können mit Sicherheit sagen, daß neben 90 bekannten Grund-
stoffen noch zwei Elemente der Entdeckung harren, deren
Eigenschaften sich bereits voraussehen lassen. Wir wissen, daß
weitere Elemente als beständige Stoffe nicht möglich sind.

Es scheint, als würden die neu auftretenden Fragen immer
verwickelter und verzweigter. Sie mit dem gedanklichen und
experimentellen Rüstzeug anzugehen, das jeweils einem ein-
zelnen oder nur wenigen Forschern zur Verfügung steht, hieße
ihre Lösung in ferne Zukunft vertagen. Es ist kein Zufall, daß
sich heute mehr und mehr Forscher verschiedener Richtung
des Denkens und Arbeitens zu gemeinsamem Werk zusammen-
finden, um weiträumige Probleme gleichzeitig von verschie-
denen Seiten anzufassen. Diese Gemeinschaftsarbeit
erweist sich als überaus fruchtbar.

Weite Bereiche stofflichen Neulandes harren noch der Er-
schließung. Der zuverlässigste Wegweiser wird dabei die For-
schung bleiben, mächtig angetrieben durch das Suchen der
Menschen nach Wahrheit. Manchem in der Ferne erkannten
Ziele streben wir zu. Wir wissen aber nicht, was die Natur
uns noch verborgen hält. Wir ziehen daraus die Folgerung,
die Wissenschaft nicht nur auf den Zweck auszurichten, son-
dern die Forschung auch zweckfrei zu treiben. Nur indem wir
beiden Forderungen genügen, erfüllen wir die Aufgabe die uns
der Führer für die Sicherung der Gegenwart und Zukunft
unseres Volkes gestellt hat.
 
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