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Des Sohnes Heimkehr.

Kriminalerzählung
von
Fr. Friedrich.
(Fortſetzung.)

Seit langer Zeit war Steinberg nicht mehr im
Stande geweſen, ſich über die Natur zu freuen, jetzt
verſtand er ſie wieder, denn in ſein Herz war das
lange entbehrte Gefühl des Glückes zurückgekehrt. Der
Sohn ſchlief wieder ünter ſeinem Daͤche, und er ſelbſt
hielt den Schlaf noch lange ferne, gleichſam als ob er
über dem Schlafe ſeines Kindes wachen müſſe.

Ein heiterer ſchöner Morgen folgte dem ſtillen
Abende. Neues Leben ſchien in Stein—
berg eingekehrt zu ſein, denn ſchon
früh war er wieder auf und faß
auf der nach dem Parke hinführenden
Veranda, ſich durch die warmen
Sonnenſtrahlen erfriſchend. Schon
zweimal hatte er Alma gefragt, ob
ſeine Kinder noch nicht wach ſeien, er
ſchien die Zeit nicht abwarten zu
können, bis er ſie wieder ſah. Viel—
leicht konnte er jetzt in dem vollen
Tageslichte die Züge ſeines Sohnes
deutlicher erkennen.

„Alma, es iſt jetzt der eigentliche
Herr in das Haus zurückgekehrt,”
ſprach er zu ſeiner Pflegerin;, welche
ihm den Kaffee brachte, „Du wirſt
indeß auch noch ferner bei mir bleiben,
denn an Dich Habe ich mich gewöhnt
und Du fennft meine Schwächen wie
meine Bedürfniſſe.“

„Ich bleibe gerne bei Ihnen,“ gab
Alma zur Antwort und eilte fort, es S
ſchien faſt, als ob ſie dem Geſpräche —
ausweichen wollte.

Steinberg bemerkte es nicht, ſein
Herz war ſo voll der Freude, daß
keine andere Empfindung darin Raum
fand.

Endlich trat Toni zu ihm. Er
erhob ſich und eilte ihr entgegen.

„Komm, fomm, Toni, ich habe
bereits fange auf euch gewartet,“
jprach er und 3z0g die junge Frau zu
dem Platze, an welchem er faß.

„Herbert ſchläft noch,“ bemerkte
Toni. „Ich moöchte ihn uicht wecken,
denn es iſt ſelten, daß er ſo ruhig
ſchläft; das Gefühl, wieder im Vater
hauſe zu ſchlafen, ſcheint ihm wohl
zu thun und ihn zu beruhigen.“

„Laß' ihn ruhig ſchlafen,“ warf
Steinberg ein,













„Es iſt mir ſogar lieb, daß er noch fchläft und
daß ih Dich allein treffe,“ fuhr Toni fort, indem fie
ſich an der Seite des Alten niederließ.
in Betreff der Bitte, welche ich geftern Wberd an Dich
richtete, noch Aufklärung JHuldig und ich kann. fie Dir
nur geben, wenn wir allein find,“

„SO bedarf derfelben nicht,“ unterbrach fie Stein
berg, „ich Habe ohne diefjelbe Deine Bitte gerne erfüllt.“

„Du mußt Alles wiſſen, Vater, fonit wirft Du
Herbert nicht mehr verftehen, Du würdeft ihn ver-
fennen, denn der äußere Schein ijt oft gegen ihn und
doch ift fein Herz gut. Sind wir ungejtört?”

„Es wird Niemand hieher kommen,“

„Ich kenne Herbert ſchon ſeit Jahren,“ fuhr Toni
fort, „ſchon ſeit der Zeit, als er in Amerika anlangte,




(S: 106.)













































obgleich ich damals noch ein Kind war. Er war fill


werben, Einige Zeit lang arbeitete er in einer Fabrik,
dann fing er jelbit ein Gejdhäft an, mit welchem er
jedoch wenig Glück hatte, Schon nad) einent Jahre
mußte er e8 wieder aufgeben. Er verließ dann die
Stadt und Lehrte erft nach faſt zwei Jahren zurüc,
Wo er während der Zeit gewejen ft, Habe ich nie er—
fahren und habe ihn nicht darum befragen mögen.
€ Ichien ihnı jedoch nicht gut ergangen zu fein, denn
fein Seficht war bleich, feine Kleidung abgetragen.
Wieder irat er in einer Fabrik als Arbeiter ein, er-
franfte jedoch bald und wurde in ein Krankenhaus
gebracht, und als cr wieder genejen war, da brachte
man idn zu meinem Vater, der eine Anftalt für
Geiſteskranke beſaß.“

„Er war geiſteskrank geworden?“
rief Steinberg.

Toni nickte
Kopfe.

„Er tobte während der erſten Zeit
entſetzlich,“ fuhr ſie in ihrer Erzäh—
lung fort. „Alles in ſeiner Umgebung
vernichtete er, ſo daß er oft mit ®e-
walt gebunden werden mußte. All-
mählig wurde er ruhiger, aber eine
tiefe. Schwermuth Hatte ihn erfaßt.
Tage lang Jaß er ruhig auf einer
Stelle und blidte ftarr vor fih hin,
Eſſen und Trinken mußten ihm faft
mit Gewalt aufgenöthigt werden. So
blieb cr mehrere Jahre. Ich fühlte
Mitleid mit ihm und fprach oft mit
ihm. Anfangs Hörte er nicht auf
mich, dann fchien e8 ihm wohl zu
thun, Denn fein, Auge verlor den
{tarren Ausdruck und wurde belebter,
wenn ich mit ihm ſprach. Mein Vater
ſetzte hierauf die Hoffnung ſeiner Ge—
neſung, und während der letzten Zeit
verkehrie ich faſt den ganzen Tag
mit ihm, ich erzählte ihm und las
ihm vor, und aufmerkſam hörte er
mir zu. Nur wenn ich einen Tag
lang verhindert war, mit ihm zu ver—
kehren, ſchien er in ſeinen früheren
Tiefſinn zurück zu fallen. Mein Vater
entließ ihn endlich als geneſen, aber
auch dann noch brachte er jede freie
Stunde in unſerem Hauſe und unſerer
Familie zu. Er begann auf's Neue
ein Geſchäft und dieſesmal war ihm
das Glück günſtiger. Er beſaß eine
unermüdliche Ausdauer und einen raſt⸗
loſen Fleiß, und je mehr ſein Geſchäft
blühte, um ſo heiterer wurde er. Ich
ſelbſt erkannte ihn oft kaum wieder,
denn unſerem Hauſe blieb er treu.

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bejahend mit dem
 
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