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Hie Arm — hie Reid!
Roman
von

Heinrich Riff.
1. Ju armer Hütte.

Am äußerſten Ende des Dorfes,
an ſteilem Abhange, lag ein kleines,
ärmliches Haus. Wind und Wetter
halten arg daran genagt und ge—
rüttelt, ſo daß es dem nächſten
Sturme kaum noch widerſtehen zu
können ſchien. Armuth blickte aus
dem ſchadhaften Dache, aus den
kleinen Fenſtern, die zum Theil
zerbrochen und mit Papier verklebt
waren, von bitterer Armuth zeugte
Alles im Innern der erbärmlichen
Hütte.

Es gibt einen Grad der Armuth,
der ſich nicht mehr verſchleiern und
verdeden läßt, der jede äußere
Hülle abwirft und wie mit Hohn
dem Auge entgegentritt, Dieſe Ar⸗
muth will nicht mehr ander8 er-
ſcheinen als fie ift, fie hat längft
ſtumpf und gleichgiltig gemacht, ſie
hofft nicht mehr, ſondern knirſcht
nur noch verzweiflungsvoll, wenn
die Noth allzu bitter herantritt.

Sn dem engen niedrigen Zimmer
dieſes Hauſes lag auf ärmlichem
Lager eine junge Frau, welche kaum
einige zwanzig Yahre zählen Konnte,
Ihre Wangen waren bleiH und
abgezehrt, die großen dunklen Augen
lagen tief, Krankheit und Noth ſpra—
chen aus den Zügen, waren jedoch
nicht im Stande gewefjen, die Spu-
ven der Schönheit ganz. zu ver-
wilden. Mochten die Augen auch
mit Zhränen gefüllt fein, ſo ſchim⸗
merte doch aus ihnen ein tiefer,
ſtiller Glanz.

In einer Ecke an der Erde neben
dem Ofen kauerten zwei kleine Mäd⸗
hen von vier und fünf Jahren. Sie
hatten die Köpfe an einander, ge-
lehnt und blidten mit den großen
Augen halb bang und Halb traurig
auf die Franfe Frau, ihre Mutter,
Was das Herz derjelben ſo ſchmerz⸗
lich bewegte, begriffen fie nicht, fie
waren indeß {till und rührten fich
nicht, weil die Mutter weinte,

An dem Fenfter Jaß ein junger
Burſch von vielleicht ſechsehn Kah-













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| ven und blickte ftarr hHinauZ auf das Dorf und auf | die Noth noch nicht gebeugt war, Er Hatte den Kopf
| den nahen Wald. Er war eine Kräftige, gedrungene auf die geballte Hand geſtützt und auch ſein Inneres
| Geſtalt. Auch feine Wangen waren bleich, doch ſprach ſchien ſich zu ballen, um ſich trotzig der Härte des
aus ſeinen Zügen ein feſter, trotziger Sinn, der durch Geſchickes entgegen zu ſtemmen.

Der Tag war rauh und ſtürmiſch
geweſen, gegen Abend hatte ſich der
Himmel geklärt und die bereits
ſcheidende Sonne warf noch einige
freundliche Strahlen auf die Erde,
Dieje Strahlen, faſt die einzige
Wohlthat, welche über Arme und
Reiche ſich gleichmäßig vertheilt,
drangen auch durch die Heinen Fenz
jter in das enge Zimmer und la-
gerten fich friedlich auf einem Klei-
nen Sarge, welcher auf einem Stuhle
inmitten des engen Gemaches {tand,
als wollten fie dem jungen Wejen,
welches zwijdhen den einfachen Brets
tern rubhte, noch einen freundlichen
Blick zuwerfen, bevor e8 in die
Erde gefenkt werde.

Auf dieſem kleinen ärmlichen
Sarge ruhte der Blick der jungen
Frau. Es war ihr Kind, welches
in demſelben lag, und doch vermochte
ſie kaum um den Tod des jungen
Weſens zu trauern. Nur wenige
Wochen war daſſelbe alt geworden.

Noch hatte es keine Freude des
Lebens kennen gelernt, der Tod
hatte es auch vor den Schmerzen
deſſelben bewaährt. Was würde aus
ihm geworden ſein, wenn ſich der Tod
jeiner nicht erbarnıt hätte? An das
erfte Bewußtfein würde fich dauernd
die Erinnerung der Armuth und
Noth geknüpft haben und vielleicht

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0 / © N WM N 2 d fein, weldes dem Herzen der Mut-
u CK AN N N ter foldde Gedanken eingab, und
I N NN N d N erdrückend ſchwer ruhte das Un-
/ NENNEN glüß auf der Armen. So weit

— N 9

NS

ihre Erinnerung reichte, bot ihr
Seben nur wenige freundliche und
glückliche Augenblicke. Sie glichen
den Sonnenſtrahlen, welche an einem
rauhen Tage für wenige Sekunden
durch die Wolken ſich Bahn brechen.
Sie find zu furz, um zu erwärmen,
fie erweden wohl die Hoffnung, daß
der Himmel fich aufflären werde,
bis der Abend hereinbricht und die
letzte Hoffnung vernichtei.

ſtarl, Fürſt von Rumänien. (S. 208.) Als Waiſe, unter Noth und Ent⸗

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