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SS

Hie Arm — hie Reich!

Roman
von

Heinrich Riff.
(Fortſetzung.)

Endlich ſprang Konrad auf, um heimzukehren, da
Barbara ihn erwartete. Er fürchtete Menſchen zu be—
gegnen und eilte wieder auf einem Um—
wege um das Dorf. Als er vor der
ärmlichen Hütte anlangte, zögerte er
einzutreten. Was ſollte er ſeiner
Schweſter erwiedern, wenn ſie ihn
fragte, wo er geweſen ſei, weshalb er
mit leeren Händen zurückkehre?

Ermattet, leiſe trat er endlich ein,
ſeine Hand zitterte, als er die Stuben—
thüre öffnete. Die beiden Kinder hatken
ſich hinter dem Ofen ein Lager bereitet
und ſchliefen, Barbara ſaß aufrecht auf
ihrem Lager und blickte ihm fragend
entgegen.

„Du biſt lange fortgeblieben, Kon—
rad,“ ſprach ſie.

Er vermochte nicht zu antworten,
und wenn er in dieſem Augenblicke mit
einem einzigen Worte ſein Leben hätte
erkaufen können, ſo wäre er nicht im
Stande geweſen, es hervorzubringen.
Starr blickte ſein Auge vor ſich hin.

„Du kommſt leer zuͤrück,“ fuhr Bar-
bara fort. „Ich ſehe es Dir an, Du
haſt auf das Mitleid Anderer gehofft —“
— ich hoffe nicht mehr darauf, Nur )

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N

wer die Noth kennen gelernt hat, weiß, | ©





r Heft 14. ——




troßigen Sinn fannte, Sie verbarg jedoch, was in
ihr vorging, und fuchte ihn zu beruhigen.

„Faſſe Dich, Konrad,“ ſprach ſie. „Dir iſt Un⸗
recht geſchehen, allein Du theilſt daſſelbe Loos mit
vielen Tauſenden. Geſchieht nicht auch all' denen ein
Unrecht, welche vergebens gegen die Noth ankämpfen,
deren ganzes Leben nur aus Arbeit und Entbehrung
beſteht, die nie über die Grenze der Armuth ſich er—





XAvRBRENDAMOUR

heben, nie ein Stüd Erde ihr Eigenthum nennen, ob—
ſchon die Erde für alle Meunſchen geſchaffen iſt.“
„Ja, ich will mich faſſen!“ rief Konrad aufſprin—
gend. „Ich will nach Kraft und Selbſtſtändigkeit ringen,
um mich an denen zu rächen, welche mir dieſe Schmach
zugefügt haben!“
Die Entſchloſſenheit und Feſtigkeit, welche aus ſei—
nen Augen leüchlete, ging über ſein jugendliches Alter


denn ſchon zeitig ſpannt ſie die Kräfle
an und führt ſie in den Kampf mit dem
Leben. Mögen viele junge Kräfte in
dieſem Kampfe untergehen, weil ſie noch
zu ſchwach ſind; Diejenigen, welche ihn
überwinden, werden jene arbeit- und
wettergeſtählten Männer, deren Arm
und Muth ſelten mehr erlahmt.

Sie gleichen den Bäumen auf der
Kuppe eines Berges. Dieſe ſind nicht
ſo üppig gewachſen als ihre Brüder in
dem fruchkbaren Thalgrunde, allein ſie
ſind feſter und zäher. Der Sturm
beugt ſie, vermag ſie jedoch nicht zu
brechen, denn von Jugend auf ſind
vom Winde geſchüttelt und haben ſich
in ihm abgehärtet. In die Fugen der
Felſen haben ſie feſt ihre Wurzeln ein⸗
geſchlagen und eher müßte der Fels ſich
ſöſen, ehe die Wurzeln nachgeben.

Wie ſie den Stürmen trotzen, ſo
ertragen ſie die glühendſten Strahlen
der Sonne. Sie ſind nicht verwöhnt,
ein ſchwacher Nachtthau reicht aus, ihr
Leben zu friſten, ſie bedürfen nicht mehr
und doͤch ſtehen ſie friſch und luſtig da.
Das Morgenroth ſendet ihnen ſeine er⸗

wie wehe ſie thut! Wenn ich das Lager N

fiten Strahlen und wenn Abends ihre
verlafien fönnte, {o würde ich zu der

Brüder längit im dämmernden Schatten

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N N — N







den ſchön, ihr Herz kann nicht ſo hart
ein.

Länger vermochte Konrad ſich nicht
zu halten, die Bruft würde ihm zer-
ſprungen ſein.

„Ich bin dort geweſen,“ rief er,
„und ſie — ſie hat mich ſchlagen laſſen!“

Er warf ſich vor dem Lager der
Schweſter nieder, drückte das Geſicht
in das Kiſſen und weinte heftig, es
war die einzige Linderung, welche ihm
zu Theil wurde.

Beruhigend ſtrich Barbara ihm mit
der Hand über den Kopf hin, dann er-
zählte ev der Schweſter Alles, was er
gethan Hatte und was ihm widerfah-
ven war,

Barbara zitterte vor Erregung.
Ihretwegen hatte er gelitten und fie




Porn Norodoan I., Fänig bon Mambohjn. (S. 322.)



ruhen, wiegen fie fi noch in dem gol-
digen Abendſonnenſcheine.

Konrad empfand keinen Hunger, als
er ſich zum Schlafe niederſtreckte, ob⸗—
ſchon er nichts genoſſen hatte. Die Sor—
gen um die Zulunft beſchäftigten ihn
uͤnd ſchläferten ihn endlich ein.

Früh am folgenden Morgen verließ
er das Haus, um Arbeit zu furchen, Als
er Barbara. die Hand zum Abſchiede
reichte und fie mit bangem Blide zu
ihm auffchaute, nahm er wenig Doh
nung mit, aber der eine Gedanke {tand
unerfhütterlich fejt in ihm: „Du mußt
Arbeit finden, denn die Arbeit ift Dein
Brod!“

Erſt am Nachmittage kehrte er zu—
rück. Mit unſagbarer Angſt erwartete
ihn Barbara, denn die Kinder weinten
vor Hunger. Konrad's Geſicht leuchtete,

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