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1888.
den
Bncchnntin. Nach cince, Gecutvde van Joh. Grund. iS.:v7>
Tu
mir
„Gieb inir Antwort, was ich für Dich thuu kann,"
sagte er. „Es ist klüger, wir lassen das Kapitel von
der Vergangenheit jetzt bei Seite, denn es scheint durch-
aus nicht dazu angethan, uns friedlich zu stimmcu,
beschäftigen wir uns lieber mit der Zukunft,
bedarfst meiner Hilfe, sonst wärest Du nicht zu
gekommen, also laß hören, in welchem Grade."
„Ließ mir heute früh nicht träumen, als ich
Weg unter die Füße nahm, daß es mir glücken würde,
das zu finden, ums ich zwölf Jahre vergebens suchte.
Aber weil ich es gefunden habe, null ich auch mit
meinen Wünschen nicht hinter dem Berge halten. Also
Ueber's Meer.
Roman
von
P. E. v. Arcg.
veebon-u.)
reilich, der Kapitän von der .Otter'," fuhr
der unheimliche Fremde fort, „war mir bei
dieser guten Gelegenheit entwischt, sammt
Schiff und Mannschaft. Ein
ganz verflucht schlauer Kerl,
dieser Kapitän von der -Otter'!
Mich deucht, ich habe zwölf
lauge Jahre gebraucht, bevor ich den Bie-
dermann wieder gefunden habe, der es da-
mals vorzog, vor mir zu verschwinden. Es
gibt freilich viele Häfen auf diesem Jam-
merballe, in denen man mit einen: flotten
Schiffe Aufnahme findet, und man kann
überall Schiffe verkaufen und kaufen, wenn
inan Geld hat, und unter jeder Flagge
segeln, wenn man klug genug ist. So sind
dann freilich ein Paar Jahre verstrichen,
Kapitän, seit wir unfreiwillig auseinander
gegangen sind, unfreiwillig wenigstens, so-
weit ich in Betracht komme, und was das
Wiedersehen anlangt, so scheint cs mir,
als ob dasselbe durchaus nicht die Freude
und das Glück hervorbrächte, auf das ich
rechnen zu dürfen glaubte."
„Laß das gut sein, Wilhelm," entgeg-
nete der Kapitän mit gepreßter Stimme,
„ich finde wohl in Kürze einmal Gelegen¬
heit, Dir ausführlicher auseinander zu
setzen, ans welche» zwingenden Gründen ich
Dich damals in Singapore znrücklassen
mußte. Wenn Du selbst Vernunft brauchen
willst, so muß es Dir ein Leichtes sein,
Dir das auch ohne mein Zuthun zu er-
klären. Es war Dir bekannt, daß alle
Verhältnisse damals zur Abfährt drängten,
und daß der Tag derselben schon längst
festgesetzt war: wenn ich unter solchen Ver-
hältnissen nicht auf die Genesung eines
bewußtlosen Kranken warten konnte, so
brauche ich Dir die Gründe dafür nicht
weiter auseinander zu sehen. Uebrigens
hatte ich dafür gesorgt, daß cs Dir au
nichts fehlen konnte."
„Gott segne die Barmherzigkeit eines
mildthätigen Mannes!" rief der Andere
höhnend. „Ich will eS nicht vergessen, so
lange ich lebe, daß bei der Hospitalverwal-
tung in Singapore damals gerade so viel
für mich hinterlegt worden war, als die
Beerdigungskosten betragen hätten!"
Der Kapitän zuckte die Achseln und
Wandte sich mit einem Seufzer ab.
erstens- ich will meine Schwester sehen. Warum werde
ich von ihrer Thür zurückgehalten?"
Ein tödtlichcs Erschrecken flog über die Züge des
Kapitäns, und die Aufregung zuckte hin und wieder-
um seine Mundwinkel, während er sich vergeblich Mühe
gab, das Zittern seiner Hände zu verbergen. Auch
seine Stimme hatte kein Metall mehr, als er antwor-
tete: „Sehr wahr, Du sehnst Dich nach Deiner Schwester,
es verlangt Dich, das Wesen zu sehen, welches das gleiche
Blut mit Dir theilt. Kein Mensch fühlt besser wie
ich, wie sehr gerechtfertigt ein solcher Wunsch ist, allein
bin ich kann nicht darein willigen, daß
dies geschieht."
„So," erwiederte der Andere gedehnt
und eine finstere Falte legte sich auf seine
Stirn. „Und wenn ich mich nun zu der
Fragc erkühne, welche Gründe vorliegen,
nm ein solches Wiedersehen von Bruder
nnd Schwester zu verhindern, wie lautet
dann die Antwort?"
Der Kapitän antwortete nicht, er starrte
Ivie geistesabwesend vor sich nieder.
Sein Gegenüber wartete eine Minute
ans seine Entgegnung, als wolle er ihm
Zeit gönnen, sich zu besinnen. Als
dieser kurze Zeitraum resultatlos verstrich,
machte er eine halbe Wendung, als ob er
an dem Kapitän vorüber nach der Villa
zurückkehren wolle, und sagte mit aller
Frechheit, über die er zu verfügen hatte -
„Stumme Fische sind niemals mein Ge-
fallen gewesen. Ich will doch sehen, wer
sich hcransnimmt, das zärtliche Wiedersehen
zweier zwölf Jahre lang getrennter Ge-
schwister zu verhindern!"
Aber ehe er einen Schritt znrückmachen
konnte, ergriff ihn die Hand des Kapitäns
wie eine Eisenklammer am Arm. Es war,
als ob sich mit einem Male alle bösen
Leidenschaften bei ihm entfesselten. Wer
jetzt einen Blick auf sein Gesicht warf, der
hätte nun und nimmermehr geglaubt, daß
er denselben ruhigen und besonnenen Mann
vor sich habe, der er noch vor einem Augen-
blick zu sein schien. Zorn, Wuth und Ent-
setzen sprachen gleichzeitig aus seinen ent-
stellten Zügen, das Auge rollte wild und
die Stimme kam nur stoßweise, tief grollend
ans der Brust.
„Hüte Dich, Bube," rief er, „Deinen
Fuß noch eine einzige Spanne weiter nach
meinem Heiligthum zu setzen, oder ich
vergesse, wer Du bist! Du hast nur ein
Leben zu verlieren, aber wenn Du es je-
mals tollkühn auf's Spiel gesetzt hast, so
war es in diesem Augenblicke!"
Der Andere mußte bereits früher Beweise
erhalten haben, welch' tiefer Ernst hinter
der angemessenen Heftigkeit des Kapitäns
lag, sein Auge senkte sich scheu zu Boden
und er machte einen schwachen und er-
1888.
den
Bncchnntin. Nach cince, Gecutvde van Joh. Grund. iS.:v7>
Tu
mir
„Gieb inir Antwort, was ich für Dich thuu kann,"
sagte er. „Es ist klüger, wir lassen das Kapitel von
der Vergangenheit jetzt bei Seite, denn es scheint durch-
aus nicht dazu angethan, uns friedlich zu stimmcu,
beschäftigen wir uns lieber mit der Zukunft,
bedarfst meiner Hilfe, sonst wärest Du nicht zu
gekommen, also laß hören, in welchem Grade."
„Ließ mir heute früh nicht träumen, als ich
Weg unter die Füße nahm, daß es mir glücken würde,
das zu finden, ums ich zwölf Jahre vergebens suchte.
Aber weil ich es gefunden habe, null ich auch mit
meinen Wünschen nicht hinter dem Berge halten. Also
Ueber's Meer.
Roman
von
P. E. v. Arcg.
veebon-u.)
reilich, der Kapitän von der .Otter'," fuhr
der unheimliche Fremde fort, „war mir bei
dieser guten Gelegenheit entwischt, sammt
Schiff und Mannschaft. Ein
ganz verflucht schlauer Kerl,
dieser Kapitän von der -Otter'!
Mich deucht, ich habe zwölf
lauge Jahre gebraucht, bevor ich den Bie-
dermann wieder gefunden habe, der es da-
mals vorzog, vor mir zu verschwinden. Es
gibt freilich viele Häfen auf diesem Jam-
merballe, in denen man mit einen: flotten
Schiffe Aufnahme findet, und man kann
überall Schiffe verkaufen und kaufen, wenn
inan Geld hat, und unter jeder Flagge
segeln, wenn man klug genug ist. So sind
dann freilich ein Paar Jahre verstrichen,
Kapitän, seit wir unfreiwillig auseinander
gegangen sind, unfreiwillig wenigstens, so-
weit ich in Betracht komme, und was das
Wiedersehen anlangt, so scheint cs mir,
als ob dasselbe durchaus nicht die Freude
und das Glück hervorbrächte, auf das ich
rechnen zu dürfen glaubte."
„Laß das gut sein, Wilhelm," entgeg-
nete der Kapitän mit gepreßter Stimme,
„ich finde wohl in Kürze einmal Gelegen¬
heit, Dir ausführlicher auseinander zu
setzen, ans welche» zwingenden Gründen ich
Dich damals in Singapore znrücklassen
mußte. Wenn Du selbst Vernunft brauchen
willst, so muß es Dir ein Leichtes sein,
Dir das auch ohne mein Zuthun zu er-
klären. Es war Dir bekannt, daß alle
Verhältnisse damals zur Abfährt drängten,
und daß der Tag derselben schon längst
festgesetzt war: wenn ich unter solchen Ver-
hältnissen nicht auf die Genesung eines
bewußtlosen Kranken warten konnte, so
brauche ich Dir die Gründe dafür nicht
weiter auseinander zu sehen. Uebrigens
hatte ich dafür gesorgt, daß cs Dir au
nichts fehlen konnte."
„Gott segne die Barmherzigkeit eines
mildthätigen Mannes!" rief der Andere
höhnend. „Ich will eS nicht vergessen, so
lange ich lebe, daß bei der Hospitalverwal-
tung in Singapore damals gerade so viel
für mich hinterlegt worden war, als die
Beerdigungskosten betragen hätten!"
Der Kapitän zuckte die Achseln und
Wandte sich mit einem Seufzer ab.
erstens- ich will meine Schwester sehen. Warum werde
ich von ihrer Thür zurückgehalten?"
Ein tödtlichcs Erschrecken flog über die Züge des
Kapitäns, und die Aufregung zuckte hin und wieder-
um seine Mundwinkel, während er sich vergeblich Mühe
gab, das Zittern seiner Hände zu verbergen. Auch
seine Stimme hatte kein Metall mehr, als er antwor-
tete: „Sehr wahr, Du sehnst Dich nach Deiner Schwester,
es verlangt Dich, das Wesen zu sehen, welches das gleiche
Blut mit Dir theilt. Kein Mensch fühlt besser wie
ich, wie sehr gerechtfertigt ein solcher Wunsch ist, allein
bin ich kann nicht darein willigen, daß
dies geschieht."
„So," erwiederte der Andere gedehnt
und eine finstere Falte legte sich auf seine
Stirn. „Und wenn ich mich nun zu der
Fragc erkühne, welche Gründe vorliegen,
nm ein solches Wiedersehen von Bruder
nnd Schwester zu verhindern, wie lautet
dann die Antwort?"
Der Kapitän antwortete nicht, er starrte
Ivie geistesabwesend vor sich nieder.
Sein Gegenüber wartete eine Minute
ans seine Entgegnung, als wolle er ihm
Zeit gönnen, sich zu besinnen. Als
dieser kurze Zeitraum resultatlos verstrich,
machte er eine halbe Wendung, als ob er
an dem Kapitän vorüber nach der Villa
zurückkehren wolle, und sagte mit aller
Frechheit, über die er zu verfügen hatte -
„Stumme Fische sind niemals mein Ge-
fallen gewesen. Ich will doch sehen, wer
sich hcransnimmt, das zärtliche Wiedersehen
zweier zwölf Jahre lang getrennter Ge-
schwister zu verhindern!"
Aber ehe er einen Schritt znrückmachen
konnte, ergriff ihn die Hand des Kapitäns
wie eine Eisenklammer am Arm. Es war,
als ob sich mit einem Male alle bösen
Leidenschaften bei ihm entfesselten. Wer
jetzt einen Blick auf sein Gesicht warf, der
hätte nun und nimmermehr geglaubt, daß
er denselben ruhigen und besonnenen Mann
vor sich habe, der er noch vor einem Augen-
blick zu sein schien. Zorn, Wuth und Ent-
setzen sprachen gleichzeitig aus seinen ent-
stellten Zügen, das Auge rollte wild und
die Stimme kam nur stoßweise, tief grollend
ans der Brust.
„Hüte Dich, Bube," rief er, „Deinen
Fuß noch eine einzige Spanne weiter nach
meinem Heiligthum zu setzen, oder ich
vergesse, wer Du bist! Du hast nur ein
Leben zu verlieren, aber wenn Du es je-
mals tollkühn auf's Spiel gesetzt hast, so
war es in diesem Augenblicke!"
Der Andere mußte bereits früher Beweise
erhalten haben, welch' tiefer Ernst hinter
der angemessenen Heftigkeit des Kapitäns
lag, sein Auge senkte sich scheu zu Boden
und er machte einen schwachen und er-