Heft ts. JUuftvievte Farrrilien-Zeitung. Inhrg. im
Komair von Nl. von der Elbe.
(Nachdruck verboten.)
Gvsters KcrpiteL.
n der halb offenen Glasveranda des
großen, herrlich gelegenen Hotels des
Salines in Bex saßen zwei Damen
plaudernd beisammen.
Die jüngere, eine etwa sechsund-
dreißigjährige schlanke, noch immer
schöne Frau, ruhte in einem der langgestreckten Schaukel-
stühle, die hie und da, mit anderen Sesseln und Tisch-
chen zu Gruppen geordnet, umherstanden.
Neben ihr saß aufrecht, etwas zu der anderen hin-
geneigt, eine viel altere Dame. Sie hielt die fetten,
mit Ringen besteckten Finger auf die Krücke eines kleinen
schwarzen Stockes gelegt, der zwischen ihren Füßen
stand, und redete auf die sich dann und wann lässig
Schaukelnde ein.
„Das ist, wie gesagt, meine Liebe, für mich die
Schattenseite eines sonst recht konvenablen Aufenthalts.
Man kommt in solcher großen Schweizerpension mit
Leuten zusammen — Leuten, von denen man nicht
weiß, ob sie eigentlich Hinz oder Kunz sind, und deren
Annäherung man doch, trotz aller Reserve, nicht ganz
ablehnen kann."
„Hat ja gar keine Konsequenzen, Exeellenz."
„Das sagen Sie wohl, Baronin!" fuhr es der
alten Dame eifrig heraus.
Ein erstaunter Blick der schlanken Blonden blitzte
aus sanften Vergißmeinnichtaugen zu der anderen auf.
L-ie warf kühl ein: „Ich bin nun seit zwölf Jahren
Frau Professor Mittelsbach."
„Bitte tausendmal um Entschuldigung, Liebe,
Charmanteste! Die frühere Gewohnheit — ach, wir
sind ja so alte Bekannte! Aber was ich sagen
wollte. —> Nein, die Erinnerung überwältigt mich
ganz. Es war mir ja eure so große Freude, Sie hier
einmal wieder zu treffen. Und Ihren Herrn Gemahl
kennen zu lernen, war schon lange mein Wunsch. Ein
so berühmter Operateur! Man liest ja in allen Zeitungen
seinen Namen und hört, in welchen hohen Kreisen der
Herr Professor konsultiert wird — ah, da kommt er!"
Die Generalin v. Bosselberg legte ihr rotes, schwam-
miges Gesicht in die freundlichsten Falten und nickte
und winkte dem auf einem der Parkwege Heranschreiten-
den eifrig zu: „Er sucht Sie natürlich, muß ihm doch
ein bißchen die Mühe erleichtern."
„Mein Mann hat sehr gute Augen."
Frau Mittelsbach, wenn auch stolz auf ihren Gatten,
durchschaute die allzu Beflissene.
Der Professor war ein mittelgroßer, fein gebauter
Mann von vortrefflicher Haltung, dem man seine fünf-
zig und etlichen Jahre nicht ansah. Der lockige Wurf
seines noch immer braunen Haares, dessen Farbe viel-
leicht künstlich etwas aufgefrischt sein mochte, das leb-
hafte Auge und ein nicht ganz verwischter, übermütiger
Zug um den schön geschnittenen Mund ließen ihn
Iie Kreude. Nach einem Gemälde von G. Max. (S. 324)
Komair von Nl. von der Elbe.
(Nachdruck verboten.)
Gvsters KcrpiteL.
n der halb offenen Glasveranda des
großen, herrlich gelegenen Hotels des
Salines in Bex saßen zwei Damen
plaudernd beisammen.
Die jüngere, eine etwa sechsund-
dreißigjährige schlanke, noch immer
schöne Frau, ruhte in einem der langgestreckten Schaukel-
stühle, die hie und da, mit anderen Sesseln und Tisch-
chen zu Gruppen geordnet, umherstanden.
Neben ihr saß aufrecht, etwas zu der anderen hin-
geneigt, eine viel altere Dame. Sie hielt die fetten,
mit Ringen besteckten Finger auf die Krücke eines kleinen
schwarzen Stockes gelegt, der zwischen ihren Füßen
stand, und redete auf die sich dann und wann lässig
Schaukelnde ein.
„Das ist, wie gesagt, meine Liebe, für mich die
Schattenseite eines sonst recht konvenablen Aufenthalts.
Man kommt in solcher großen Schweizerpension mit
Leuten zusammen — Leuten, von denen man nicht
weiß, ob sie eigentlich Hinz oder Kunz sind, und deren
Annäherung man doch, trotz aller Reserve, nicht ganz
ablehnen kann."
„Hat ja gar keine Konsequenzen, Exeellenz."
„Das sagen Sie wohl, Baronin!" fuhr es der
alten Dame eifrig heraus.
Ein erstaunter Blick der schlanken Blonden blitzte
aus sanften Vergißmeinnichtaugen zu der anderen auf.
L-ie warf kühl ein: „Ich bin nun seit zwölf Jahren
Frau Professor Mittelsbach."
„Bitte tausendmal um Entschuldigung, Liebe,
Charmanteste! Die frühere Gewohnheit — ach, wir
sind ja so alte Bekannte! Aber was ich sagen
wollte. —> Nein, die Erinnerung überwältigt mich
ganz. Es war mir ja eure so große Freude, Sie hier
einmal wieder zu treffen. Und Ihren Herrn Gemahl
kennen zu lernen, war schon lange mein Wunsch. Ein
so berühmter Operateur! Man liest ja in allen Zeitungen
seinen Namen und hört, in welchen hohen Kreisen der
Herr Professor konsultiert wird — ah, da kommt er!"
Die Generalin v. Bosselberg legte ihr rotes, schwam-
miges Gesicht in die freundlichsten Falten und nickte
und winkte dem auf einem der Parkwege Heranschreiten-
den eifrig zu: „Er sucht Sie natürlich, muß ihm doch
ein bißchen die Mühe erleichtern."
„Mein Mann hat sehr gute Augen."
Frau Mittelsbach, wenn auch stolz auf ihren Gatten,
durchschaute die allzu Beflissene.
Der Professor war ein mittelgroßer, fein gebauter
Mann von vortrefflicher Haltung, dem man seine fünf-
zig und etlichen Jahre nicht ansah. Der lockige Wurf
seines noch immer braunen Haares, dessen Farbe viel-
leicht künstlich etwas aufgefrischt sein mochte, das leb-
hafte Auge und ein nicht ganz verwischter, übermütiger
Zug um den schön geschnittenen Mund ließen ihn
Iie Kreude. Nach einem Gemälde von G. Max. (S. 324)