Das Buch s ü r A l l e.
Heft 20.
Herr v. Brandensels, ein wohlbeleibter, äußerst
jovialer Herr, begrüßte seine Gäste sehr freundlich;
Königseck ebenso herzlich wie seinen Neffen. Er
merkte nie etwas von Courmachereien und siel jedesmal
aus den Wolken, wenn nm eine seiner Töchter an-
gehalten wurde. Dann meinte er: „I, da soll doch —
ich habe ja gar nichts gemerkt!"
Nun gar Baby, seine kleine Maus, die er fast
jeden Abend noch aus Muttis Bett herauswerfen
mußte, damit er endlich zur Ruhe gehen konnte, die
auf seinem Schoß saß und sich wie ein kleines Kind
verziehen ließ! Da hätte er eher an den Einsturz
des Himmels, als an Liebesgedanken in dem blonden
Köpfchen gedacht.
(g-ortjctzuua stäzt.)
Die Dltttrikche.
(Siehe dn'S Bild auf Seile 521 )
rn die düsteren, wildzerklüfteten Felsenberge der Herzego-
wina versetzt uns der Maler P. Jwanowitz auf seinem
packenden Bilde. Ein hochdramatischer Borgang mit zweifel-
los tragischem Ende ist es, der sich da am Fuße der alters-
grauen, verwitternden Feste vollzieht — nicht der Schluß-
akt, sondern nur eine der vielen blutigen Scenen einer
Tragödie, deren Anfang vielleicht um Jahrzehnte zurückliegt,
und für die es nie einen versöhnlichen Ausgang geben wird.
Denn bei dem harten, kriegerischen und leidenschaftlichen
Volke, das in den schwarzen Bergen Montenegros und der
Herzegowina hallst, gilt noch in seiner ganzen Furchtbarkeit
der erbarmungslose Grundsatz: „Auge um Auge — Zahn
um Zahn — Leben um Leben!" Man braucht nur einen
Blick auf die finsteren Gesichter, die scharfen, wie in. Stein
gehauenen Züge dieser hageren, sehnigen Männer zu werfen,
um inne zu werden, daß in ihren Herzen kein Raum ist für
schwachmütiges Mitleid und hochsinniges Vergeben. Seit
langen Zeiten schon tobt zwischen ihrer Sippe und der Fa-
milie des Mannes, dem sie da den Weg verstellt haben, nach
dem ungeschriebenen und doch unerbittlichen Gesetz der Blut-
rache ein Vernichtungskampf. Kaum wüßten die, ine sich hier
als Todfeinde gegenüberstehen, zu sagen, aus welcher Ursache
dereinst die unversöhnliche Fehde entstand und auf wessen
Seite das erste Verschulden gewesen. Sie wissen nur, daß
es gilt, Vergeltung zu üben für die letzte in der langen Reihe
der hüben und drüben begangenen Mordthaten, und sie zögern
nicht, das vergossene Blnt mit neuem Blutvergießen zu sühnen,
obwohl jeder von ihnen weiß, daß er damit vielleicht, ja,
wahrscheinlich dasselbe Schicksal über sich herauf beschwört.
Heute ist die Reihe an Luka Franic, morgen schon wird sie
an Vlatko Pavlovie oder an einem der anderen sein, die ihm
bei seinem Handstreich am Burgthor hilfreichen Beistand ge-
leistet. Und UT priesterlicher Zuspruch, keine vom Gesetz
angedrohte Straf- oermag diesem blutdürstigen Nachekrieg
Einhalt zu gebieten. Richt dem irdischen und nicht dem
himmlischen Richter will der Sohn der dunklen Berge die
Vergeltung überlassen, sondern er selbst will sie üben, so wie
seine Väter es im gleichen Falle gethnn. und so wie er seine
Söhne lehrt, es zu thun. Noch ist es den Bemühungen der
Landesbehörden nicht gelungen, dem furchtbaren Brauch, der
ganzen Geschlechtern zu Fluch und Verderben wird, ein Ende
zu bereiten, wie rechtschaffen man sich auch darum be-
müht hat. Erst wenn mit Eisenbahn und Verkehr auch neu-
zeitliche Ideen ins Land kommen, wird dieser Nest des Mittel-
alters verschwinden und der Sinn für Gesetzlichkeit an seilte
Stelle treten.
Ättllchtcn uns Köln.
(Siehe die zwei Bilder auf Seile 521).
^sn dem gewaltigen Wachstum der deutschen Großstädte seit
1870 hat auch das alte Köln teilgenommen. Diese
wichtige preußische Festung und Handels-
stadt nm linken Rheinufer zählte im Jahre
1815 nur 42,000 Einwohner und 1870 erst
160,000. Dann aber begann ein ungeahnter
Aufschwung, dem Wachstum der Stadt
wurde der Ringwnll zu enge, und wenn
Köln die Hauptstadt der Nheinlande bleiben
wollte, so mußte es den Mauergürtel
sprengen. Im Anfang 1881 wurde der Ver-
trag zwischen den Militärbehörden und
der Stadt abgeschlossen, wonach die alle
Umwallung, welche die Stadt im Halbkreis
von Nheinufer zu Rheinufer umgab, nieder-
gelegt, und die neue Umwallung um 700
bis 800 Nieter hinausgerückt werden solle.
Dadurch wurde das Stadtgebiet gerade auf
das Doppelte vergrößert, neue Stadtteile
entstanden, an Stelle der alten Wälle
und Gräben trat die prächtige Ringstraße,
auf die uns die beiden Bilder auf S. 524
versetzen, und die Einwohnerschaft Kölns
stieg bis zum Ende des Jahrhunderts auf
370,000 Köpfe. Die große Ringstraße ist
fast 6 Kilometer lang, sehr breit und
außer den Fahrbahnen und Fußsteigen mit
baumumsäumten Promenadewegen versehen.
Sie gehört zu den Sehenswürdigkeiten des
neuen Köln. Nicht weit vom Rheinhafen
beginnt zunächst der Ubierring, der am
Ehlodwigsplatze, im Zuge der ganz Köln
von Norden nach Süden durchschneidenden
Heerstraße Neuß-Bonn, endigt. Seine
Fortsetzung bildet der kurze Karolingerring,
dem sich der prächtige, mächtig breite Sachsenring mit seinen
schönen Gartennnlagen anschließt. Südlich davon liegt die
Perle der Neustadt, der Volksgarten. Dem Sachsenring folgt
der Salierring, endend am Barbnrossaplatze; sodann der
Hohenstaufenring, der kurze Habsburgerring und dann der
schöne Hohenzollernring, von dem nur auf S. 524 oben
eine Abbildung geben. Diese Prnchtstraße findet ihre Fort-
setzung in dem platzartig breiten Kaiser Wilhelm-Ring
ssiehe das Bild S. 524 unten), der neben dem Sachsenringe
die schönsten Bauten zeigt und in der Mitte mit Schmuck-
anlagen versehen ist, die von schattigen Lindenalleen um-
zogen werden. Dort kann man im Grünen auf den aus-
gestellten Bänken von seiner Ningwanderung rasten. Dann
geht es auf dem 10^0 Nieter langen, durchweg mit Pla-
tanen bepflanzten Hansaring zum letzten Teil der Straße,
dein 132 Meter breiten Deutschen Ning, der die Stelle des
alten, zugeschüttelen Eicherheitshafens einnimmt. Er ist mit
reizenden Anlagen versehen, die sich um einen Springbrunnen
und einen langgestreckten Teich gruppieren, und mit Eichen
bepflanzt. Er endet am Rhein, am Kaiser Friedrich-Ufer.
Diks Licht üls Heilmittel.
^">ie Behandlung verschiedenartiger Krankheitszustände durch
'äN direkte Lichtbestrahlung, und zwar durch Sonnenlicht,"
elektrisches Licht oder Röntgenstrahlen, ist in jüngster Zeit
mehr und mehr in Aufnahme gekommen. Die Sonnenbäder
wurden durch Naturärzte eingeführt, die wissenschaftliche
Medizin begann dann, da ja bei uns die Sonne leider nur
den weitaus kleinsten Teil des Jahres zu Gebote steht, das
elektrische Licht als Ersatz heranzuziehen und zwar zuerst das
Glühlicht, dem aber die chemisch wirksamsten Strahlen des
Sonnenlichtes fehlen, so daß die Hauptwirkung der Glühlicht-
bäder in der Wärmestrahlung zu suchen ist. Dagegen ist
das elektrische Bogenlicht reich an chemisch wirksamen Strah-
len, und daher schlug Friedländer 1896 die Anwendung
elektrischen Bogenlichtes zu therapeutischen Zwecken vor.
Praktisch erprobte die neue Heilmethode vornehmlich Niels
R. Finsen in Kopenhagen, der ganz systematisch die Lichttherapie
oder Phototherapie gegen verschiedene Krankheiten und zwar
vornehmlich Hautkrankheiten in Anwendung brachte. So be-
handelte er zum Beispiel Pockenkranke mit rotem Licht, um
sie vor den die Entzündung befördernden chemischen Strahlen
zu schützen, und es gelang ihm thatsächlich in vielen Fällen,
die Pusteln im Gesicht zur Heilung zu bringen, ohne daß die
bekannten entstellenden Narben zurückblieben. Bedeutende
Erfolge aber hatte Finsen mit der Lichtbehandlung des Lupus,
jener äußerst hartnäckigen fressenden Flechte, die an der
Oberlippe oder den Wangen der davon Befallenen so schwere
Zerstörungen anrichtet. Finsen verwendet dagegen konzen-
triertes Sonnenlicht und elektrisches Bogenlicht bis zur Stärke
von 80 Ampäres. Er läßt das Licht durch eine Schicht blau-
gefärbten Wassers treten, um es völlig von Wärmestrahlen
zu befreien, und konzentriert dieses „kalte Licht" dann durch
ein System von Linsen auf die jeweils zu behandelnde Stelle
des lupösen Gewebes. In seiner Heilanstalt hat er einen
von ihm selbst erfundenen Apparat, der die gleichzeitige Be-
handlung von mehreren Lupuskranken mittels konzentrierten
Vogenlichtes gestattet und den uns das'Bijd auf S. 525 in
Thätigkeit zeigt. Zwei französische Aerzte, die Herren Lortet
und Genoud von Lyon, wurden nach einem Besuche des
Finsenschen Institutes von dessen Lichtheilmethode so be-
geistert, daß sie beschlossen, sie in Frankreich einzuführen.
Zu dem Zivecke konstruierten sie sich einen kleineren, ein-
facheren und handlicheren Bogenlichtapparat, den die obere
Abbildung dieser Seite zeigt. ^Das elektrische Bogenlicht wird
in der gewöhnlichen Weise durch elektrischen Strom und zwei
Kohlenstifte erzeugt, welch letztere so gerichtet sind, daß das
Licht in größter Stärke genau durch die Oeffnung 0 fällt, die
mitten in dein runden Schirm 1)1) sich befindet. Dieser
Schirm hat doppelte Wände, zwischen denen beständig frisches
Wasser kreist, das des Schirmes Erhitzung verhindert. Tie
Kohlenspitzen können je nach Bedarf eingestellt, und der Licht-
bogen der Oeffnung im Schirm mehr oder weniger genähert
werden. Wenn der Apparat in Thätigkeit ist, so befindet
sich der Lichtbogen 1 bis 2 Centimeter von der Oeffnung
entfernt; der kleine Spiegel I>1 verhindert die Ausstratzlung
von Zücht nach rückwärts. Vorn vor der Oeffnung des Schir-
mes wird der kleine Verschluß 0 aufgesetzt, ein Metallring
mit zwei Scheiben aus Vergkrystall, in deren Zwischenraum
sich eine Schicht Wasser befindet, die sich mit Hilfe dünner
Schläuche, wie das Wasser im Schirm, beständig erneuert.
Mit diesem Apparate haben die genannten Aerzte nach ihrem
kürzlich der Akademie der Wissenschaften in Paris einge-
reichten Berichte ebenso gute und sogar bessere Erfolge ge-
habt, wie Finsen. Das nebenstehende Bild links stellt eine
Sitzung im Laboratorium von Lortet und Genoud in Lyon
dar, in der ein an Lupus erkranktes junges Mädchen be-
handelt wird. In Deutschland ist man in dieser Hinsicht eben-
falls nicht zurückgeblieben. Es giebt nicht nur bereits eine An-
zahl privater Heilanstalten, in denen Einrichtungen für Licht-
behandlung getroffen sind, auch im öffentlichen Krankenhaus zu
München hat man solche eingerichtet und im Beginn des
Jahres 1901 in Wirksamkeit treten lassen. Zur Verwendung
für direktes Sonnenlicht dient ein nach Süden gelegener
Dachaufbau mit verstellbaren Glaswänden, in einem großen
Saale des Erdgeschosses findet, falls die Sonne nicht scheint,
die Behandlung mit elektrischen! Bogenlicht statt. Eine
100 Amperes l'iesernde Bogenlampe dient zur allgemeinen
Bestrahlung des entblößten menschlichen Körpers bei rheu-
matischen und Stoffivechselkrankhciten, während man gegen
Lupus und andere bakterielle Hautkrankheiten ebenfalls den
abgebildeten Finsenschen Apparat benutzt, eine Bogenlampe
mit vier teleskopartigen Lichtsammlern. Außerdem sind ein
paar Glühlichtbäder' in .Uastenform vorhanden, so daß die
Münchener Anlage für Lichtbehandlung als der Kopenhagener
ebenbürtig angesehen werden kann.
Aas Licht als Keitmittel!: Jer Apparat von Lortet und Kenoud.
Aas Licht aks Keitmiltek: Kine Sitzung im Laöoratorinm von Lortet und Kenoud in Lyon.
Heft 20.
Herr v. Brandensels, ein wohlbeleibter, äußerst
jovialer Herr, begrüßte seine Gäste sehr freundlich;
Königseck ebenso herzlich wie seinen Neffen. Er
merkte nie etwas von Courmachereien und siel jedesmal
aus den Wolken, wenn nm eine seiner Töchter an-
gehalten wurde. Dann meinte er: „I, da soll doch —
ich habe ja gar nichts gemerkt!"
Nun gar Baby, seine kleine Maus, die er fast
jeden Abend noch aus Muttis Bett herauswerfen
mußte, damit er endlich zur Ruhe gehen konnte, die
auf seinem Schoß saß und sich wie ein kleines Kind
verziehen ließ! Da hätte er eher an den Einsturz
des Himmels, als an Liebesgedanken in dem blonden
Köpfchen gedacht.
(g-ortjctzuua stäzt.)
Die Dltttrikche.
(Siehe dn'S Bild auf Seile 521 )
rn die düsteren, wildzerklüfteten Felsenberge der Herzego-
wina versetzt uns der Maler P. Jwanowitz auf seinem
packenden Bilde. Ein hochdramatischer Borgang mit zweifel-
los tragischem Ende ist es, der sich da am Fuße der alters-
grauen, verwitternden Feste vollzieht — nicht der Schluß-
akt, sondern nur eine der vielen blutigen Scenen einer
Tragödie, deren Anfang vielleicht um Jahrzehnte zurückliegt,
und für die es nie einen versöhnlichen Ausgang geben wird.
Denn bei dem harten, kriegerischen und leidenschaftlichen
Volke, das in den schwarzen Bergen Montenegros und der
Herzegowina hallst, gilt noch in seiner ganzen Furchtbarkeit
der erbarmungslose Grundsatz: „Auge um Auge — Zahn
um Zahn — Leben um Leben!" Man braucht nur einen
Blick auf die finsteren Gesichter, die scharfen, wie in. Stein
gehauenen Züge dieser hageren, sehnigen Männer zu werfen,
um inne zu werden, daß in ihren Herzen kein Raum ist für
schwachmütiges Mitleid und hochsinniges Vergeben. Seit
langen Zeiten schon tobt zwischen ihrer Sippe und der Fa-
milie des Mannes, dem sie da den Weg verstellt haben, nach
dem ungeschriebenen und doch unerbittlichen Gesetz der Blut-
rache ein Vernichtungskampf. Kaum wüßten die, ine sich hier
als Todfeinde gegenüberstehen, zu sagen, aus welcher Ursache
dereinst die unversöhnliche Fehde entstand und auf wessen
Seite das erste Verschulden gewesen. Sie wissen nur, daß
es gilt, Vergeltung zu üben für die letzte in der langen Reihe
der hüben und drüben begangenen Mordthaten, und sie zögern
nicht, das vergossene Blnt mit neuem Blutvergießen zu sühnen,
obwohl jeder von ihnen weiß, daß er damit vielleicht, ja,
wahrscheinlich dasselbe Schicksal über sich herauf beschwört.
Heute ist die Reihe an Luka Franic, morgen schon wird sie
an Vlatko Pavlovie oder an einem der anderen sein, die ihm
bei seinem Handstreich am Burgthor hilfreichen Beistand ge-
leistet. Und UT priesterlicher Zuspruch, keine vom Gesetz
angedrohte Straf- oermag diesem blutdürstigen Nachekrieg
Einhalt zu gebieten. Richt dem irdischen und nicht dem
himmlischen Richter will der Sohn der dunklen Berge die
Vergeltung überlassen, sondern er selbst will sie üben, so wie
seine Väter es im gleichen Falle gethnn. und so wie er seine
Söhne lehrt, es zu thun. Noch ist es den Bemühungen der
Landesbehörden nicht gelungen, dem furchtbaren Brauch, der
ganzen Geschlechtern zu Fluch und Verderben wird, ein Ende
zu bereiten, wie rechtschaffen man sich auch darum be-
müht hat. Erst wenn mit Eisenbahn und Verkehr auch neu-
zeitliche Ideen ins Land kommen, wird dieser Nest des Mittel-
alters verschwinden und der Sinn für Gesetzlichkeit an seilte
Stelle treten.
Ättllchtcn uns Köln.
(Siehe die zwei Bilder auf Seile 521).
^sn dem gewaltigen Wachstum der deutschen Großstädte seit
1870 hat auch das alte Köln teilgenommen. Diese
wichtige preußische Festung und Handels-
stadt nm linken Rheinufer zählte im Jahre
1815 nur 42,000 Einwohner und 1870 erst
160,000. Dann aber begann ein ungeahnter
Aufschwung, dem Wachstum der Stadt
wurde der Ringwnll zu enge, und wenn
Köln die Hauptstadt der Nheinlande bleiben
wollte, so mußte es den Mauergürtel
sprengen. Im Anfang 1881 wurde der Ver-
trag zwischen den Militärbehörden und
der Stadt abgeschlossen, wonach die alle
Umwallung, welche die Stadt im Halbkreis
von Nheinufer zu Rheinufer umgab, nieder-
gelegt, und die neue Umwallung um 700
bis 800 Nieter hinausgerückt werden solle.
Dadurch wurde das Stadtgebiet gerade auf
das Doppelte vergrößert, neue Stadtteile
entstanden, an Stelle der alten Wälle
und Gräben trat die prächtige Ringstraße,
auf die uns die beiden Bilder auf S. 524
versetzen, und die Einwohnerschaft Kölns
stieg bis zum Ende des Jahrhunderts auf
370,000 Köpfe. Die große Ringstraße ist
fast 6 Kilometer lang, sehr breit und
außer den Fahrbahnen und Fußsteigen mit
baumumsäumten Promenadewegen versehen.
Sie gehört zu den Sehenswürdigkeiten des
neuen Köln. Nicht weit vom Rheinhafen
beginnt zunächst der Ubierring, der am
Ehlodwigsplatze, im Zuge der ganz Köln
von Norden nach Süden durchschneidenden
Heerstraße Neuß-Bonn, endigt. Seine
Fortsetzung bildet der kurze Karolingerring,
dem sich der prächtige, mächtig breite Sachsenring mit seinen
schönen Gartennnlagen anschließt. Südlich davon liegt die
Perle der Neustadt, der Volksgarten. Dem Sachsenring folgt
der Salierring, endend am Barbnrossaplatze; sodann der
Hohenstaufenring, der kurze Habsburgerring und dann der
schöne Hohenzollernring, von dem nur auf S. 524 oben
eine Abbildung geben. Diese Prnchtstraße findet ihre Fort-
setzung in dem platzartig breiten Kaiser Wilhelm-Ring
ssiehe das Bild S. 524 unten), der neben dem Sachsenringe
die schönsten Bauten zeigt und in der Mitte mit Schmuck-
anlagen versehen ist, die von schattigen Lindenalleen um-
zogen werden. Dort kann man im Grünen auf den aus-
gestellten Bänken von seiner Ningwanderung rasten. Dann
geht es auf dem 10^0 Nieter langen, durchweg mit Pla-
tanen bepflanzten Hansaring zum letzten Teil der Straße,
dein 132 Meter breiten Deutschen Ning, der die Stelle des
alten, zugeschüttelen Eicherheitshafens einnimmt. Er ist mit
reizenden Anlagen versehen, die sich um einen Springbrunnen
und einen langgestreckten Teich gruppieren, und mit Eichen
bepflanzt. Er endet am Rhein, am Kaiser Friedrich-Ufer.
Diks Licht üls Heilmittel.
^">ie Behandlung verschiedenartiger Krankheitszustände durch
'äN direkte Lichtbestrahlung, und zwar durch Sonnenlicht,"
elektrisches Licht oder Röntgenstrahlen, ist in jüngster Zeit
mehr und mehr in Aufnahme gekommen. Die Sonnenbäder
wurden durch Naturärzte eingeführt, die wissenschaftliche
Medizin begann dann, da ja bei uns die Sonne leider nur
den weitaus kleinsten Teil des Jahres zu Gebote steht, das
elektrische Licht als Ersatz heranzuziehen und zwar zuerst das
Glühlicht, dem aber die chemisch wirksamsten Strahlen des
Sonnenlichtes fehlen, so daß die Hauptwirkung der Glühlicht-
bäder in der Wärmestrahlung zu suchen ist. Dagegen ist
das elektrische Bogenlicht reich an chemisch wirksamen Strah-
len, und daher schlug Friedländer 1896 die Anwendung
elektrischen Bogenlichtes zu therapeutischen Zwecken vor.
Praktisch erprobte die neue Heilmethode vornehmlich Niels
R. Finsen in Kopenhagen, der ganz systematisch die Lichttherapie
oder Phototherapie gegen verschiedene Krankheiten und zwar
vornehmlich Hautkrankheiten in Anwendung brachte. So be-
handelte er zum Beispiel Pockenkranke mit rotem Licht, um
sie vor den die Entzündung befördernden chemischen Strahlen
zu schützen, und es gelang ihm thatsächlich in vielen Fällen,
die Pusteln im Gesicht zur Heilung zu bringen, ohne daß die
bekannten entstellenden Narben zurückblieben. Bedeutende
Erfolge aber hatte Finsen mit der Lichtbehandlung des Lupus,
jener äußerst hartnäckigen fressenden Flechte, die an der
Oberlippe oder den Wangen der davon Befallenen so schwere
Zerstörungen anrichtet. Finsen verwendet dagegen konzen-
triertes Sonnenlicht und elektrisches Bogenlicht bis zur Stärke
von 80 Ampäres. Er läßt das Licht durch eine Schicht blau-
gefärbten Wassers treten, um es völlig von Wärmestrahlen
zu befreien, und konzentriert dieses „kalte Licht" dann durch
ein System von Linsen auf die jeweils zu behandelnde Stelle
des lupösen Gewebes. In seiner Heilanstalt hat er einen
von ihm selbst erfundenen Apparat, der die gleichzeitige Be-
handlung von mehreren Lupuskranken mittels konzentrierten
Vogenlichtes gestattet und den uns das'Bijd auf S. 525 in
Thätigkeit zeigt. Zwei französische Aerzte, die Herren Lortet
und Genoud von Lyon, wurden nach einem Besuche des
Finsenschen Institutes von dessen Lichtheilmethode so be-
geistert, daß sie beschlossen, sie in Frankreich einzuführen.
Zu dem Zivecke konstruierten sie sich einen kleineren, ein-
facheren und handlicheren Bogenlichtapparat, den die obere
Abbildung dieser Seite zeigt. ^Das elektrische Bogenlicht wird
in der gewöhnlichen Weise durch elektrischen Strom und zwei
Kohlenstifte erzeugt, welch letztere so gerichtet sind, daß das
Licht in größter Stärke genau durch die Oeffnung 0 fällt, die
mitten in dein runden Schirm 1)1) sich befindet. Dieser
Schirm hat doppelte Wände, zwischen denen beständig frisches
Wasser kreist, das des Schirmes Erhitzung verhindert. Tie
Kohlenspitzen können je nach Bedarf eingestellt, und der Licht-
bogen der Oeffnung im Schirm mehr oder weniger genähert
werden. Wenn der Apparat in Thätigkeit ist, so befindet
sich der Lichtbogen 1 bis 2 Centimeter von der Oeffnung
entfernt; der kleine Spiegel I>1 verhindert die Ausstratzlung
von Zücht nach rückwärts. Vorn vor der Oeffnung des Schir-
mes wird der kleine Verschluß 0 aufgesetzt, ein Metallring
mit zwei Scheiben aus Vergkrystall, in deren Zwischenraum
sich eine Schicht Wasser befindet, die sich mit Hilfe dünner
Schläuche, wie das Wasser im Schirm, beständig erneuert.
Mit diesem Apparate haben die genannten Aerzte nach ihrem
kürzlich der Akademie der Wissenschaften in Paris einge-
reichten Berichte ebenso gute und sogar bessere Erfolge ge-
habt, wie Finsen. Das nebenstehende Bild links stellt eine
Sitzung im Laboratorium von Lortet und Genoud in Lyon
dar, in der ein an Lupus erkranktes junges Mädchen be-
handelt wird. In Deutschland ist man in dieser Hinsicht eben-
falls nicht zurückgeblieben. Es giebt nicht nur bereits eine An-
zahl privater Heilanstalten, in denen Einrichtungen für Licht-
behandlung getroffen sind, auch im öffentlichen Krankenhaus zu
München hat man solche eingerichtet und im Beginn des
Jahres 1901 in Wirksamkeit treten lassen. Zur Verwendung
für direktes Sonnenlicht dient ein nach Süden gelegener
Dachaufbau mit verstellbaren Glaswänden, in einem großen
Saale des Erdgeschosses findet, falls die Sonne nicht scheint,
die Behandlung mit elektrischen! Bogenlicht statt. Eine
100 Amperes l'iesernde Bogenlampe dient zur allgemeinen
Bestrahlung des entblößten menschlichen Körpers bei rheu-
matischen und Stoffivechselkrankhciten, während man gegen
Lupus und andere bakterielle Hautkrankheiten ebenfalls den
abgebildeten Finsenschen Apparat benutzt, eine Bogenlampe
mit vier teleskopartigen Lichtsammlern. Außerdem sind ein
paar Glühlichtbäder' in .Uastenform vorhanden, so daß die
Münchener Anlage für Lichtbehandlung als der Kopenhagener
ebenbürtig angesehen werden kann.
Aas Licht als Keitmittel!: Jer Apparat von Lortet und Kenoud.
Aas Licht aks Keitmiltek: Kine Sitzung im Laöoratorinm von Lortet und Kenoud in Lyon.