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586

Heft 20.

Von Ulr. Myers.

Iujongjäger nus dem Anstand. (S. 535)

das Neichskursbuch zusammensüllt, gegenüber den Privat-
unternehmern noch im Vorteil, denn es ist eine Behörde,
wenn auch durchaus keine vorgesetzte gegenüber den
Eisenbahnverwaltungem Leichter stellen sich schon die
offiziellen Kursbücher der deutschen Einzelstaaten zu-
sammen, weil hier die zusammenstellende Behörde ge-
wöhnlich die Generaldirektion der Staatsbahn ist, welche
auch auf die etwa vorhandenen Privatbahnen einen
moralischen Druck auszuüben im stände ist.
Die Eisenbahndirektionen, seien sie private oder
staatliche, bleiben nämlich den Redaktionen der ver-
schiedenen Kursbücher gegenüber oft mit dem Einsenden
ihrer Fahrpläne im Rückstand, weil diese gewöhnlich
erst im letzten Augenblick fertig werden. Auch hat man

öfters mit Rücksicht auf einen Nachbarstaat und dessen
Konkurrenzverkehr Veranlassung, erst im allerletzten
Augenblick mit einer neuen, wichtigen Eisenbahnverbin-
dung im eigenen Lande herauszukommen. Es kommt
ferner für die Redaktionen aller Kursbücher, auch der
staatlichen, in Betracht, daß die Eisenbahnverwaltungen
in Direktionen und Inspektionen geteilt sind, und daß
jede Direktion den Fahrplan nur für ihren Bezirk auf-
stellt, ohne sich um die Anschlüsse mit den Nachbar-
bezirken besonders zu kümmern. Die Redaktionen der
Staats- und Privatkursbücher haben daher die unangenehme
und sehr schwierige Aufgabe, diese Anschlüsse selbst auf-

Kursbüchern giebt es noch .eine ganze Anzahl ähnlicher,
auch solche, die für bestimmte Staatsbahnen und Bun-
desstaaten hergestellt sind, zum Beispiel die offi-
ziellen Kursbücher für Sachsen, Bayern, Württemberg,
Baden; dann gewisse Kursbücher mit lokalem Interesse
und für den Eisenbahnverkehr von lind nach gewissen
Verkehrszentren wie Berlin, München, Frankfurt a. M.,
Dresden u. s. w. eingerichtet. Alle diese Kursbücher
aber werden genau in derselben Weise hergestellt, wie
das Reichskursbuch, und wie gleich im voraus bemerkt
werden mag, mit derselben Schwierigkeit lind außer-
ordentlichen Kleinarbeit. Dabei ist das Bureau, welches

III. fakrplan riiici Kursbuck.
lljährlich zweimal, im Mai und im Oktober,
ändern die deutschen Eisenbahnverwaltungen
ihre Fahrpläne, und zwar finden stets im
Mai, vor Be-
ginn der großen Reise-
saison, die hauptsächlich-
sten Aenderungen statt.
Die Schweiz ändert ihre
Fahrpläne erst im Juni,
und Belgien hat sogar
viermal im Jahre, zu
Beginn jedes Quartals,
eine Aenderung.
Alle diese Verände-
rungen bedingen natür-
lich auch das jedesmalige
Erscheinen neuer Aus-
gaben der Kursbücher,
und es wird allgemein
interessieren, einmal zu
erfahren, wie nicht nur

zusuchen, zusammenzu-
stellen lind zu berichtigen.
Es kommt häufig genug
vor, daß zum Beispiel
das Bureau des Reichs-
kursbuches telegraphisch
im letzten Augenblick ei-
ner privaten oder staat-
lichen Eisenbahnverwal-
tung mitteilt, die neu
geplanten Anschlüsse auf
den und den Stationen
stimmten nicht in Be-
zug auf die Zeit der
Ankunft und des Ab-
gangs der betreffenden
Züge überein. Die be-
treffende Eisenbahnver-
waltung muß hierauf
schleunigst die notwen-
digen Aenderungen tref-
fen, die dann nicht im-
mer noch in den Kurs-
büchern mitaufgefühn
werden können. —
Betrachten wir nun
zuerst, wie ein Fahr-
plan entsteht. Es ist das
eine gar schwierige und
verantwortungsvolle Ar-
beit. Bei jeder Eisen-
bahnverwaltung giebt es
eine besondere Abteilung
für Herstellung der Fahr-
pläne. In diesen Bu-
reaux läuft beständig
Material ein, das bei
der Aufstellung des näch-
sten Fahrplans berück-
sichtigt werden muß. Da
kommen Petitionen aus
Orten an der Bahn, die
eine bessere Verbindung
anstreben, und sehr ost
werden solche Wünsche
durch besondere Abord-
nungen dem Chef der
Verwaltung persönlich
überreicht. Bald han-
delt es sich darum, daß
in dem betreffenden Orte
mehr Personenzüge Hal
ten, daß hie und da ein
durchfahrender Schnell-
zug wenigstens für eine
Minute zum Aus- und
Einfteigen halten soll;
daß Veränderungen mit
den Lokalzügen geschehen,
damit mail Verbindung
mit Nachbarorten be-
kommt ; endlich laufen
Wünsche wegen des Hal-
tens oder der Vermeh-
rung voll Güterzügen
und wegen der Verfrach-
tung ein.
Die dem Publikum
zugänglichen Fahrpläne
und Kursbücher führen
ja allerdings nur die
Schnellzüge, die Per-
Bei der

sonenzüge und die gemischteil Züge auf.
Aufstellung des Fahrplanes muß natürllch das be-
treffende Bureau aber auch auf die Güterzüge Rücksicht
nehmen. Für diese muß ebenfalls die notwendige Zeit,
nicht nur zum Befahren der Strecke, sondern auch zum
Aufenthalt auf den Stationen berechnet werben, damit
Güter- und Personenverkehr sich nicht gegenseitig be-
hindern. .
Das Fahrplanbureau studiert ferner eifrig die Zei-
tungen nicht nur, um Beschwerden des Publikums über
mangelnden Verkehr und Vorschläge zur Verbesserung
des Verkehrs zu finden, sondern auch, um sich über dre
Entwickelung der Industrie wie der landwirtschaftsichen
Verhältnisse in gewissen Gebieten des Verwaltungs-

dern auch diese Kurs-
bücher hergestellt wer-
den, die heute zu den
unentbehrlichsten und
wichtigsten Erzeugnissen
der Reiselitteratur ge-
hören.
Im Jahre 1850 gab
die preußische Postver-
waltung zum erstenmal
ein Heft heraus, das die
amtlichen Fahrpläne der
Eisenbahnen, Posten und
Dampfschiffe enthielt,
und zwar nicht nur die
der preußischen Linien,
soildern die Fahrpläne
für 'ganz Deutschland.
Bereits vorher waren in
Frankreich und England
solche Veröffentlichungeil
erschienen. Das englische
Kursbuch von Bradshaw,
das noch heute dort maß-
gebend ist, dürfte wohl
das Muster für alle
Kursbücher der Welt ge-
worden feiil.
Das preußische neue
Kursbuch erschien in
zwanglosen Heften; darin
nahmen die Posten auf
Landwegen, die Dampf-
schiffe auf den Binnen-
gewässern damals noch
eiiren weit größeren
Raum ein, als die erst
in der Entwickelung be-
griffenen Eisenbahn-
linien. Von einem Bahn-
netz konnte mall ja in
ganz Europa, mit Aus-
nahme Englands, über-
haupt noch nicht reden.
Seither ist aus jenem
kleinen Kursbuch der
deutschen Postverwaltung
das heutige Neichskurs-
buch entstanden, das
alle erforderlichen Aus-
künfte über den gesam-
ten W e l t v e r k e h r giebt.
Aus mannigfachen
Gründen hat dieses Neichskursbuch mit dem bekannten
gelben Umschlag verschiedenartige Konkurrenz in Deutsch-
land bekommen. Für den Lokalverkehr ist es zu um-
fangreich und zu kostspielig, wohingegen jene Konkur-
renzunternehmungen sich auf kleinere' Absatzgebiete be-
schränken, so zum Beispiel ist Hendschels Telegraph vor-
wiegend in Süd- und Westdeutschland in Gebrauch. In
Norddeutschland findet inan vielfach die kleinen roten
Heftchen von König in Guben, genannt der „kleine
König", und in neuester Zeit hat das im Verlage
von Röder in Leipzig erscheinende Stormsche Kurs-
buch Verbreitung gefunden, weil es viele eigenartige
Auskünfte, besonders für Speditionen und Verfrach-
tung bringt. Außer diesen jetzt am meisten benutzten
 
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