Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Heft 22. Illustrierte Familien-Deitung. Mrg. mi.


Jir lehtrr Stuude.
Rornair von Henriette v. Meerheimb.
(Z-vrksrtznng.-

Münster KcrpiLot.
ine tnilde Sommernacht breitete ihre weichen
Schwingen über die müde Erde.
Horst v. Königseck riß in seinem Zimmer die
Fenster weit auf und lehnte sich hinaus.
Auf dem tiefsten Grunde seiner Seele, begraben


unter dem Schutt eines kalt spöttischen Cynismus,
weltmüder Blasiertheit schlummerten immer noch die
Funken eines einst himmelstürmenden Idealismus,
einer begeisterten Liebe zur Natur.
Seine eben noch fast übermütige Laune verwandelte
sich blitzschnell in eine lähmende, müde Traurigkeit.
Wozu eigentlich all dies Reden mit dem guten,
dummen Hilmar? Sie sprachen so verschiedene Spra-
chen, als ob der eine Chinesisch, der andere Polnisch
geredet hätte.
Hilmars Horizont ging genau von Sandhagen bis
Wesendorf, und das erschien ihm natürlich als Grenze
des Universums.
„Warum sitze ich eigentlich hier seit Monaten auf

der langweiligen Klitsche?" dachte Königseck gereizt.
„Weshalb gelüstet's mich, in eine Familie, die
mir zuwider ist, hineinzuheiraten, mich um ein
Mädchen zu bewerben, für das ich kaum eine laue
Verliebtheit empfinde? Kismet! Es hat so sollen sein!
Was ist im Grunde auch die ganze Herumreiserei
wert? Auf die Dauer unerträglich! Immer dieselben
banalen Niesenhotels mit ihren widerlichen, Trinkgeld
heischenden Kellnern. Nom, Neapel, Konstantinopel,
Jokohama, Peking, überall dasselbe. Der einzige
Unterschied ist, daß es einmal übertüncht elegant, ein
andermal natürlich schmutzig ist. Im Grunde alles
eins, wie in den Galerien und Museen die Bilder
und Kunstschätze, mit dem blöde staunenden oder dumm


Die von sibirischen Gefangenen getriebene Mühte in Serentnisk (Wteibergrverke von Mertschinslrij Hawod). (S. 578)
Nach einer Photographie aus der sibirischen Photographiensannnlung von Professor A. Terschak.
 
Annotationen