Heft 23 Illustrierte Familien-Zeitung. Iahrg mi.
Geschmack besaß Königseck, das mußte man ihm
lassen, das bewies er ja auch bei der Wahl seiner
Frau.
Der stolze Vater schmunzelte; nun, und wenn das
Dings auch nicht bezahlt war — so rechnete man es
eben mit zur Aussteuer, das ging dann schon in einem
hin. —> —
Der erste Weihnachtstag war glücklich bis zum Nach-
mittag gediehen.
Frau v. Brandenfels, ermüdet von all dem Trubel,
zog sich sür ein Weilchen zurück.
Hakes und Rotenburgs genossen noch „ihr ganz pri-
vates Familienglück", wie Königseck es nannte, von
dem nur durch gellendes Kindergekreisch, sonores und
Helles Lachen etwas in die Oeffentlichkeit der all-
gemeinen Weihnachtsstube draug.
Da Königseck sich auch zum Briefe schreiben in sein
Zimmer begeben wollte, rollte Baby sich auf ihrem
Lieblingsfauteuil wie eine kleine Katze, dicht am Ka-
minfeuer, zusammen; den gehäuften Teller mit Weih-
Htelrtritcher Hmniöus mit Höerkeitung.
Nach einer Photographie von C. F. Habermann in Eberswalde. (S. 602)
nur schon einmal irgend
eine Cousine davon vor. Ist
das nicht die Geschichte
von dem Kürassieroffizier,
der feine Frau prügelt?"
„Er prügelt sie gar
nicht," antwortete Baby
empört. „Er will ihr ein-
mal eine Ohrfeige geben,
es kommt aber nicht dazu.
Dann sind sie schrecklich
unglücklich, aber schließlich
werden sie wieder glück-
lich — ich hab' ein bißchen
vorgeguckt. Er ist aber
ideal —- ganz reizend."
„Ganz reizend? Ein
Mann mit solchen Stall-
knechtsmanieren. Für den
schwärmen die Damen?
Merkwürdiger Geschmack!"
Königseck lachte. „Nun,
Kindchen, wenn dich dein
Familienroman befrie-
digt, mir soll es recht
sein. Also aus dieser nicht
einmal ausgeteilten Ohr-
feige baut sich die ganze
Tragödie auf? Darüber
zwei dicke Bände! Ein
weibliches Hirn bringt
wirklich viel fertig. Ueber
die meisten Bücher aus
Damenfeder könnte man
getrost als Motto fetzen:
„Das Unzulängliche, hier
wird's Ereignis!""
„Wer fagt das?" fragte
Baby naiv.
„Nun, das sagt ein ge-
wisser Goethe. —- In den
„Faust" hast du dein Näs-
chen noch nicht gesteckt?"
nachtskonfekt daneben, vertiefte sie sich in ihr neues
Buch, das sie schon gestern in der Nacht heimlich zur
Hälfte ausgelesen hatte.
„Was liest du denn da so Interessantes, Gabriele?"
fragte Königseck, wieder eintretend. Aus dem Schreiben
war nichts geworden. Er beschloß lieber spazieren zu
gehen und suchte seinen vergessenen Hut im Weihnachts-
zimmer.
Eine nervöse Unruhe, die ihn manchmal peinigte,
hoffte er am ersten durch einen raschen Gang in dem
winterlich verschneiten Garten zu besiegen.
„O, etwas wunderschönes," sagte Baby, „Elisabeth"
von Marie Nathusius. Mutti hat es mir geschenkt.
Ich darf es jetzt lesen, weil ich verlobt bin. Vorher
sollte ich noch nicht. Die Schwestern lieben es auch so
sehr. Tu darfst mich nicht verraten, Horst; ich habe
gestern abend im Bett noch lange darin gelesen."
„Herr Gott, der alte Schmöker!" Königseck nahm
das Buch aus ihrer Hand und durchblätterte es. „Vor-
aschgrauen Zeiten ist das ja erschienen; früher schwärmte
(Nachdruck verboten )
önigsecks harmlose Umgebung schob seine
augenscheinlich etwas bedrückte Stim-
mung auf ein gewisses Sichfremdfühlen
unter ihnen; alle bemühten sich des-
halb, besonders herzlich zu sein.
- Ein Fremder war und blieb ihnen
dieser Mann nun einmal, trotzdem er jetzt so eng
zum Familienkreise gehörte; aber jeder suchte dies Ge-
fühl um Babys willen zu unterdrücken.
Herr v. Brandenfels plante zwar erst eine etwas
ernste Unterredung mit seinem Schwiegersohn unter
vier Augen wiegen der
Schulden, mit geforderten
und geleisteten Zukunfts-
versprechungen ; aber da
er einer fatalen Sache gern
aus dem Wege ging, so
sah er in dem augenschein-
lich etwas zerstreuten ge-
drückten Wesen des Bräu-
tigams die Zeichen innerer
Einkehr und beschloß, nichts
oder jedenfalls nur sehr-
wenige milde Worte kurz
vor dessen Abreise zu
sagen.
Erleichtert durch diesen
Entschluß überließ er sich
seiner harmlos jovialen
Stimmung und der Freude
über Babys Glück, die
ihren Bräutigam von einem
Tisch zum anderen zog,
damit er alles recht be-
sehen könne.
Das Geschenk Königs-
ecks für seine Braut, ein
Stern von Brillanten, den
er selbst sehr geschickt in
die blonde Flechtenkrone
steckte, sah zwar nicht ge-
rade nach großer zukünf-
tiger Sparsamkeit aus;
und Herr v. Brandenfels
hätte recht gern gewußt,
ob diese kostbare Gabe
wohl auch schon „dankend
quittiert" sei.
Aber er unterdrückte
die heikle Frage danach, als
er das strahlende Gesicht-
chen seines Töchterchens,
dem der neue Schmuck so
reizend stand, ansah.
Roman von Henrielte v. Meerheimb.
(Ivrksehnng.)
Geschmack besaß Königseck, das mußte man ihm
lassen, das bewies er ja auch bei der Wahl seiner
Frau.
Der stolze Vater schmunzelte; nun, und wenn das
Dings auch nicht bezahlt war — so rechnete man es
eben mit zur Aussteuer, das ging dann schon in einem
hin. —> —
Der erste Weihnachtstag war glücklich bis zum Nach-
mittag gediehen.
Frau v. Brandenfels, ermüdet von all dem Trubel,
zog sich sür ein Weilchen zurück.
Hakes und Rotenburgs genossen noch „ihr ganz pri-
vates Familienglück", wie Königseck es nannte, von
dem nur durch gellendes Kindergekreisch, sonores und
Helles Lachen etwas in die Oeffentlichkeit der all-
gemeinen Weihnachtsstube draug.
Da Königseck sich auch zum Briefe schreiben in sein
Zimmer begeben wollte, rollte Baby sich auf ihrem
Lieblingsfauteuil wie eine kleine Katze, dicht am Ka-
minfeuer, zusammen; den gehäuften Teller mit Weih-
Htelrtritcher Hmniöus mit Höerkeitung.
Nach einer Photographie von C. F. Habermann in Eberswalde. (S. 602)
nur schon einmal irgend
eine Cousine davon vor. Ist
das nicht die Geschichte
von dem Kürassieroffizier,
der feine Frau prügelt?"
„Er prügelt sie gar
nicht," antwortete Baby
empört. „Er will ihr ein-
mal eine Ohrfeige geben,
es kommt aber nicht dazu.
Dann sind sie schrecklich
unglücklich, aber schließlich
werden sie wieder glück-
lich — ich hab' ein bißchen
vorgeguckt. Er ist aber
ideal —- ganz reizend."
„Ganz reizend? Ein
Mann mit solchen Stall-
knechtsmanieren. Für den
schwärmen die Damen?
Merkwürdiger Geschmack!"
Königseck lachte. „Nun,
Kindchen, wenn dich dein
Familienroman befrie-
digt, mir soll es recht
sein. Also aus dieser nicht
einmal ausgeteilten Ohr-
feige baut sich die ganze
Tragödie auf? Darüber
zwei dicke Bände! Ein
weibliches Hirn bringt
wirklich viel fertig. Ueber
die meisten Bücher aus
Damenfeder könnte man
getrost als Motto fetzen:
„Das Unzulängliche, hier
wird's Ereignis!""
„Wer fagt das?" fragte
Baby naiv.
„Nun, das sagt ein ge-
wisser Goethe. —- In den
„Faust" hast du dein Näs-
chen noch nicht gesteckt?"
nachtskonfekt daneben, vertiefte sie sich in ihr neues
Buch, das sie schon gestern in der Nacht heimlich zur
Hälfte ausgelesen hatte.
„Was liest du denn da so Interessantes, Gabriele?"
fragte Königseck, wieder eintretend. Aus dem Schreiben
war nichts geworden. Er beschloß lieber spazieren zu
gehen und suchte seinen vergessenen Hut im Weihnachts-
zimmer.
Eine nervöse Unruhe, die ihn manchmal peinigte,
hoffte er am ersten durch einen raschen Gang in dem
winterlich verschneiten Garten zu besiegen.
„O, etwas wunderschönes," sagte Baby, „Elisabeth"
von Marie Nathusius. Mutti hat es mir geschenkt.
Ich darf es jetzt lesen, weil ich verlobt bin. Vorher
sollte ich noch nicht. Die Schwestern lieben es auch so
sehr. Tu darfst mich nicht verraten, Horst; ich habe
gestern abend im Bett noch lange darin gelesen."
„Herr Gott, der alte Schmöker!" Königseck nahm
das Buch aus ihrer Hand und durchblätterte es. „Vor-
aschgrauen Zeiten ist das ja erschienen; früher schwärmte
(Nachdruck verboten )
önigsecks harmlose Umgebung schob seine
augenscheinlich etwas bedrückte Stim-
mung auf ein gewisses Sichfremdfühlen
unter ihnen; alle bemühten sich des-
halb, besonders herzlich zu sein.
- Ein Fremder war und blieb ihnen
dieser Mann nun einmal, trotzdem er jetzt so eng
zum Familienkreise gehörte; aber jeder suchte dies Ge-
fühl um Babys willen zu unterdrücken.
Herr v. Brandenfels plante zwar erst eine etwas
ernste Unterredung mit seinem Schwiegersohn unter
vier Augen wiegen der
Schulden, mit geforderten
und geleisteten Zukunfts-
versprechungen ; aber da
er einer fatalen Sache gern
aus dem Wege ging, so
sah er in dem augenschein-
lich etwas zerstreuten ge-
drückten Wesen des Bräu-
tigams die Zeichen innerer
Einkehr und beschloß, nichts
oder jedenfalls nur sehr-
wenige milde Worte kurz
vor dessen Abreise zu
sagen.
Erleichtert durch diesen
Entschluß überließ er sich
seiner harmlos jovialen
Stimmung und der Freude
über Babys Glück, die
ihren Bräutigam von einem
Tisch zum anderen zog,
damit er alles recht be-
sehen könne.
Das Geschenk Königs-
ecks für seine Braut, ein
Stern von Brillanten, den
er selbst sehr geschickt in
die blonde Flechtenkrone
steckte, sah zwar nicht ge-
rade nach großer zukünf-
tiger Sparsamkeit aus;
und Herr v. Brandenfels
hätte recht gern gewußt,
ob diese kostbare Gabe
wohl auch schon „dankend
quittiert" sei.
Aber er unterdrückte
die heikle Frage danach, als
er das strahlende Gesicht-
chen seines Töchterchens,
dem der neue Schmuck so
reizend stand, ansah.
Roman von Henrielte v. Meerheimb.
(Ivrksehnng.)