Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
604

Medizinflasche eingeflößt hatte, schienen die Schmerzen
nachzulassen. Die Kranke haschte nun nach der Hand,
die ihr das Kleid lockerte, und brach in Thronen aus.
„So ein Elend hast mit mir!" stammelte sie. „Und
ewig und ewig kein Besserwerden nit. — Du armer,
guter Mann, du müßtest ein ander's Weib haben."
Mit liebevollem Blicke sah der Uhrmacher auf die

Küchel und öfter einmal zu mir hereinkommt, ob ich
was brauch'. — Sie schafft hinten in: Garten, d' Anna."
„Ich werd' 'n Hansel schicken. Wo is er denn, der
Bub' ?"
Die junge Frau sah ihren Gatten mit einem langen
Blicke an. Er sah ihn nicht, denn er war angelegent-
lich bemüht, irgend ein Staubsleckchen von seiner Weste
zu reiben, und wandte kein Auge von der beschmutzten
Stelle. Aber er schien den Blick zu fühlen, denn er
wurde dunkelrot im Gesicht.
„Wirst schon selber gehn müssen, Tobias," sagte

Das Buch f ü r All s.
Weinende nieder. „Das muß man nehmen, wie der liebe
Gott es schickt, Klara," sagte er tröstend. „Schau dir
unseren Hansel an, wie der prächtig dahcrivachst dafür.
Bon dir hat's unser Herrgott g'nommen und hat's dein
Bübel 'geben. Drum dürfen mir nit murren. Du nit
und ich nit. Und du wirst ja auch wieder gesund, Klara.
Paß nur auf, wir werden noch schöne Zeiten erleben

Klara dann mit ein wenig zitternder Stimme. „Der
Hansel is ausg'rissen. Zuvor hab' ich d' Ladenthür gehen
hören. Wunder is 's kein's. Dem lebfrischen Büberl
is 's halt langweilig bei der kranken Mutter, die nit
spielen und umtanzen kann mit ihm."
Seufzend erhob sich Nieder und verließ das Zimmer,
um über den Hof nach dem nahen Gemüsegarten zu
gehen.
Von weitem schon hörte er die frische Stimme des
jungen Mädchens, das ein Beet umgrub und dazu eines
der schelmisch innigen steirischen Volkslieder sang:

— Heft 23.
miteinander." Das arme Weib hob mit hoffnungsvoller
Bewegung den Kopf. „Glaubst 's, Tobias? — Glaubst
's wirkli'?"
„Aber freilich, Klara, freilich! Nur Geduld müssen
wir haben Kann i' dir no' was helfen?"
,,J' dank' dir schön, Tobias. Die Anna, wenn du
mir halt rufen thät'st, daß sie aufs Essen schaut in der

„'s Herz is a g'stwaßig's Ding!
Bald is 's so schmaar, so g'ring,
Bald is 's so niäuserlstill.
Bald hammerlt's wie a Mühl'-"
Sie war so vertieft in ihre Arbeit und ihren Gesang,
daß sie das Herankommen des Mannes gar nicht be-
merkte. Einige Schritte hinter ihr blieb Nieder stehen
und sah mit finsterem, beinahe feindseligem Blick auf
die junge, biegsame Gestalt im leichten Hauskleide.
Dann rief er sie fast barsch an: „Anna!"
Der blonde Kopf wandte sich erstaunt um. Ein

HnrnovMisrstes.
 
Annotationen