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718

Das Brich für Alle.

Heft 27.

5 Meter Lange, und man nennt ein solches leiter-
artiges Stück ein Joch. Die kleinen Schienen, welche
eine Höhe von 45 Millimeter ab haben, sind quer auf
Holzschwellen genagelt, und nur wenn es sich um schwerere
Schienen bis zu 80 Millimeter Höhe handelt, verwendet
man flache oder gebogene Eisenschwcllen. Die Enden
der einzelnen Joche werden durch Laschen miteinander
verbunden, und vier Arbeiter, die einige Uebung be-
sitzen, sind im
stände, einen Schie-
ncnstrang von
240 Metern in
Zeit von einer
Stunde nuszuheben
und in einer Ent-
fernung von
30 Metern wieder
betriebsfähig zu
verlegen.
Die Feldbahn,
die man auch we-
gen ihrer leichten
Verlegung „flie-
gende Bahn" ge-
nannt hat, kann
mit der Hand, mit
Pferden wie nut
Dampf betrieben
werden; sie schmiegt
sich den: Gelände
leicht an, zur
Ueberbrückungvon
Gräben genügen
ein paar Balken,
und die Fabriken,
die sich mit der
Herstellung von
Material für Feld-
bahnen befassen,
haben sich unab-
lässig bemüht, neue
Einrichtungen rind
Verbesserungen
einzuführen. Es
giebt sehr einfache
Weichen, indem
vermittelst eines
Hebels die Schie-
nen von dem ei-
nen Geleis nach
dem anderen hin-
überverschoben
werden; es giebt
aber auch sehr sorg-
fältig gearbeitete
Zungenweichen,
andererseits Klet-
terweichen, die man
bei Auskreuzungen
verwendet, wenn
ein Geleis von dem
anderen ab- oder
auf ein anderes
übergeht, auch wenn
man Ausweichstel-
lenbeieingeleisigen
Bahnen Herstellen
will. Plattenwei-
chen, die durchaus
den Weichenairla-
gen auf Vollbah-
nen gleichen, ver-
wendet man dort,
wo Lokomotivbe-
trieb eingerichtet
ist, wie denn
auch da, wo nicht
mit Pferden, son-
dern nut Dampf
die Strecke betrie-
ben wird, auf der:
Unterbau etwas
größere Sorgfalt
verwendet werden
muß, als beim
Pferdebetrieb. Handelt es sich um kurze Entfernungen,
so wird oft selbst der Handbetrieb genügen, und dann be-
darf man keiner Weichenanlage, sondern nur einfacher,
kleiner Drehscheiben, oder es genügt einfaches Schneiden
der Geleise. Der Kasten wird dann von den Händen
zweier Arbeiter so geschoben, daß er über die gewöhnliche
oder Kletterdrehscheibe sonne über die Geleiskreuzung
glücklich hinmegkommt. Entgleist er auch, so ist das
Unglück nicht groß; er läßt sich leicht wieder in das
Geleis hineinheben.
Die Landwirtschaft befördert mit diesen schmalspu-
rigen Bahnen Getreidegarben, Nüben, Holz, Dünger,
Mergel, Vieh, Jauche und Wasser. Zum Acker werden

alle die Dinge befördert, die für das Wachstum der
Pflanzen notwendig find, und die eingeernteten Produkte
fördert man vom Felde nach den Vorratshäusern oder
nach den Gutshöfen. Auf großen Gütern, welche über
Landflächen von Quadratkilometern verfügen, verlohnt
sich das schon. Den Gutsbesitzern wird die Anwendung
der Feldbahn für die Ernte noch dadurch besonders er-
leichtert, daß man diese Bahnen mit allen Einrichtungen

nicht zu kaufen braucht, sondern geliehen bekommt. Das
Einbringen der Ernte kann dadurch außerordentlich be-
schleunigt werden. Hat man tagsüber eine große Fläche
abgeerntet, so kann in der Nacht von einem halben
Dutzend Arbeitern die ganze Strecke so verlegt werden,
daß schon nm nächsten Tage wieder ein anderer großer
Schlag in Angriff genommen werden kann.
Die Landwirtschaft, welche über genügendes Pferde-
material verfügt, benützt natürlich zum Transport die
Pferdekraft, und zwar werden Zugvorrichtungen in An-
wendung gebracht, die es den Pferden gestatten, neben
dem Geleis herzulaufen. Zwischen den Schienen näm-
lich ist das Gehen für die Pferde gefährlich, weil sie an

den vielen Schwellen und Eisenverbindungen sich gar zu
leicht die Hufe stoßen und verletzen.
Neben der Landwirtschaft machte sich aber auch der
Eisenbahnbau selbst diese kleinen Feldbahnen zu nutze,
und heute kann man sich einen größeren Eisenbahnball
gar nicht mehr denken, ohne daß sofort eine Feldbahn
zum Transport der Erdmassen angelegt wird. Jeder
Eisenbahnunternehmer muß heute Feldbahnen benutzen,
wenn er überhaupt
konkurrenzfähig
bleiben will. Für
die Erdtransporte
kommen besondere
Wagen, die soge-
nannten Kippkar-
ren, in Anwen-
dung. Es sind mul-
denförmige Wa-
gen, die mit ihren
Schmalseiten in
Achsenzapfen aus-
gehängt sind, um
welche sie sich leicht
drehen lassen.
Sind die belade-
nen Wagen an die
Stelle gelangt, wo
sie entladen wer-
den sollen, so
nimmt man ein
paar Festhalter
weg und läßt den
Wagen durch ei-
genes Gewicht oder
durch Nachhilfe
umkippen, so daß
er sich seines In-
haltes mit einem-
mal entleert.
Da, wo es sich
beim Eisenbahn-
bau um deil Trans-
port von Erd-
massen auf weitere
Entfernungen
handelt, verwen-
det man kleine Lo-
komotiven, welche
dreißig bis vierzig
beladene Wagen
mit ziemlicher
Schnelligkeit
schleppen können,
während das Pferd
höchstens sechs bis
acht Wagen ohne
Ucberanstrengung
ziehen kann.
Diese Kippkar-
ren für den Erd-
transport und die
Feldbahnen ver-
wendet man «ber-
auch jetzt beim Bau
voil Festungswer-
ken, bei der An-
lage von neuen
Straßen, beim Zu-
schütten voir Tei-
cheil oder verlasse-
nen Steinbrüchen,
kurz überall, wo
größere Erdarbei-
ten nötig sind.
Außerdem werden
sie schon lange in
den Bergwerken be-
nützt. Der Trans-
port erfolgt dort
iir den Stollen
meist mit Pferden,
in neuerer Zeit
auch mit elektri-
schen Lokomotiven.
Auch die In-
dustrie hat sich an die Feldbahnen bereits derartig ge-
wöhnt, daß sie ohne dieselben kaum noch auskommen
könnte. Vor allem sind es die Ziegeleien, welche eine
außerordentliche Hilfe an den Feldbahnen haben. Mit
diesen holen sie den Lehm zur Ziegelfabrikation heran
und auf ihnen fahren sie die fertig gebrannten Zie-
gel nach den Vorratsschuppen, zur Eisenbahn oder zur
Wasserstraße, auf welcher sie verladen werden. ^Stein-
brüche, Thon- und Sandgruben bedienen sich fast alle
der Feldbahnen.
Da, wo große industrielle Anlagen, riesige neben-
einander gelegene Fabrikhöfe vorhanden sind, legt man
ebenfalls Feldbahnen an, um Rohmaterialien von der


Ztetlnngsinanöver in einer Anbrilr. Originalzeichnung van E. Thiel. (S. 715)
 
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