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Das Buch für Alle.
Mt 27.
Eisenbahnstation oder von der Wasserausladestelle an
die Fabrikationsstätten, und das fertige Produkt wieder
von der Arbeitsstelle nach dem Vorratsschuppen oder
zur Verladungsstelle zu bringen. Auf den großen Hütten-
werken befördert man sogar flüssiges Eisen auf solchen
kleinen Feldbahnen, oft über eine Strecke von mehreren
Kilometern, um es zum Beispiel vom Hochofen nach dem
Orte zu bringen, wo es gereinigt oder in Stahl umge-
wandelt wird. Die eisernen Karren, die mit dem glühen-
den und halbflüssigen Eisen gefüllt sind, werden von
kleinen Lokomotiven geschleppt, die wiederum wegen der
großen Hitze, welche das flüssige Eisen ausstrahlt, den
kleinen Zug vermittelst einer langen Kette hinter sich
herziehen.
Ganz vorzüglich eignen sich die Feldbahnen und ihre
eisernen Karren zum Transport von heißer Asche oder-
glühender Schlacke, die aus den Hüttenwerken heraus-
befördert werden muß. Ebenso können Hüttenwerke von
den: Fundort von Kohlen oder Erzen, die sie verarbei-
ten, jetzt viel weiter entfernt sein als früher, weil leicht
rind schnell das Rohmaterial durch die mit Lokomotiven
betriebenen Feldbahnen herbeigeschafft werden kann. Es
kann zürn Beispiel für ein Hüttenwerk sehr wichtig sein,
daß es mrmittelbar am Wasser liegt, um seine fertig ge-
stellten Eisenwaren sofort auf dein Wasserwege verfrachten
zu können. Früher war es dann außerordentlich kost-
spielig und umständlich, aus eiirer Entfernring von einer
halben bis dreiviertel deutschen Meilen Eisen und Kohle
herbeizuschaffen. Jetzt macht eine solche Entfernung gar
nichts aus. Es wird eine Feldbahn angelegt, die aller-
dings, wenn sie längere Zeit verwendet werden und
ziemlich rasch fahren soll, solider gebaut werden muß,
als die Feldbahnen für den landwirtschaftlichen Betrieb.
Das Geleis bekommt noch eine Unterbettung von Sand
oder von Schotter, und der Betrieb kann dann mit
großer Sicherheit und Geschwindigkeit aufrecht erhalten
werden. Man hat sogar die Feldbahn in der Dynamit-
und Pulverfabrikation zur Verbindung der, wegen der
Explosionsgefahr oft weit voneinander gelegenen, ver-
schiedenen Abteilungen einer solchen Fabrik verwendet
und fährt sogar auf diesen Bahnen mit Lokomotiven,
allerdings mit feuerlosen.
Die feuerlosen Lokomotiven, die längst aus dem
Stadium der Versuche heraus sind und als eine voll-
kommen abgeschlossene Neuerung im Verkehr der Feld-
bahnen betrachtet werden können, sind sehr originell.
Die seuerlose Lokomotive besteht aus einem Dampfkessel,
und dieser ist, wie bei jeder anderen Lokomotive, auf
dem Untergestell mit den Rädern und dem Triebwerk
angebracht. Die seuerlose Lokomotive unterscheidet sich
von der gewöhnlichen Lokomotive nur dadurch, daß sie
keinen Schornstein hat, und man ist durch die Länge
der Zeit derartig an den Schornstein auf der Lokomotive
gewöhnt, daß der erste Anblick eines solchen kleinen
Motors jedermann in Erstaunen versetzt.
Die seuerlose Lokomotive enthält in ihrem Kessel
vorgewärmtes Wasser. Man bringt sie, nachdem der
Kessel ungefähr bis zu zwei Dritteln seines Inhalts mit
warmem Wasser gefüllt ist, an eine Kesselanlage, welche
hochgespannten Dampf liefert, und verbindet durch dumpf-
sichere SMaucye dttl KefstUiffüg üüt der Lokomotive.
Darauf läßt man hochgespannten Dampf in den Wasser-
kessel der Lokomotive einströmen, bis sich in: Kessel eine
Dampfspannung zeigt, die fast ebenso hoch ist, als die
in der festen Kesselanlage. Gewöhnlich beträgt der
Unterschied nur eine halbe Atmosphäre. Beträgt die
Kesselspannung neun Atmosphären bei der festen An-
lage, so wird die Lokomotive allmählich auf eine Span-
nung von achteinhalb Atmosphären gebracht. Solch eine
Füllung reicht für gewöhnlich einen halben Tag aus.
Die seuerlose Lokomotive ist derartig eingerichtet, daß
sie noch mit drei Atmosphären Spannung Lasten ziehen
und mit einer Atmosphäre Ueberdruck sich noch selbst fort-
bewegen kann. Der beim Fahren gebrauchte Dampf er-
setzt sich sofort wieder aus dem Wasser, wobei die Dampf-
spannung allerdings naturgemäß allmählich fällt. Der
Dampfoerbrauch ist ungefähr gleich dem einer gewöhn-
lichen Lokomotive. Ist die Dampfspannung im Kessel er-
schöpft, so muß die Lokomotwe wieder nach der festen
Kesselanlage zurück, um ihren Kessel aus die möglichst
hohe Dampfspannung bringen zu lassen. Die Lokomo-
tiven sind durchaus ungefährlich, da sie ja überhaupt
kein Feuer enthalten, daher auch keine Funken aus-
werfen. Man kann sie selbst durch Gebäulichkeiten und
Werkstätten hindurchfahren lassen, wo sehr leicht brenn-
bare Materialien aufgehäuft sind. Die Lokomotive ent-
wickelt ferner keinen Rauch und belästigt daher nicht
beim Gebrauch. Ein Heizer ist überflüssig, ein geprüfter
Lokomotivführer ebenfalls, jeder Hilfsarbeiter und ge-
wöhnliche Maschinenwärter kann mit dieser Lokomotive
fahren. Der Betrieb fällt auch nicht einmal unter das
Kleinbahngesetz, und man kann daher ohne weiteres einen
derartigen feuerlosen Lokomotivbetrieb einrichten. Natür-
lich nützt sich der Kessel, da er nicht gefeuert wird, auch
wenig ab, und da eine Menge von Rohr- und Pump-
anlagen an der Lokomotive sortfällt, wird nur das
Triebwerk in Anspruch genommen.
Es sei noch erwähnt, daß die Wagen, welche für die
Feldeisenbahnen in den deutschen Fabriken gebaut wer-
den, wahre Wunderwerke der praktischen Erfahrung und
der beständig fortschreitenden Technik sind. Es giebt
Hunderte von Modellen von Wagen für die verschieden-
sten Zwecke. Man kann besondere Wagen zum Trans-
port von Chemikalien oder schwerer Blöcke oder großer
Lasten, zum Transport von Dynamo-Ankern, von Papier,
von Röhren, von Produkten der Textilindustrie, von
Fässern, von Langholz, von Vieh und Personen erhalten.
Die Wagen für Lokomotivbetrieb und schwere Belastung
erhalten einen sehr kräftigen Unterbau, und die Achsen
und Rüder sind genau so konstruiert, wie bei der wirk-
lichen Eisenbahn. Da, wo Hand- oder Pferdebetrieb
angewendet wird, macht man den Unterbau sehr leicht,
und die Räder werden nicht aus Gußeisen, sondern aus
gebogenem und gepreßtem Stahlblech hergestellt.
Ganz besondere Wichtigkeit haben die Feldbahnen in
den letzten Jahren für das Heer erlangt. Ebenso, wie
die Heeresleitung aller Länder die Volleisenbahnen sich
dienstbar gemacht hat, und heute der Erfolg eines Feld-
zuges zum Teil von der Anzahl der Eisenbahnlinien,
die zur Verfügung stehen, und der Geschicklichkeit ihrer
Ausnützung abhängt, hat man sich wenigstens für zwei
wichtige Abteilungen des Heeresdienstes und der Krieg-
führung die Feldbahnen bereits nutzbar gemacht, nämlich
für den Festungskrieg und den Verwundetentransport.
Die heutigen Festungen bestehen hauptsächlich aus
sogenannten detachierten Forts, welche meilenweit im
Umkreise um die eigentliche Festung liegen. Zur Ver-
bindung dieser Forts mit der Hauptfestung benützt inan
schon in Friedenszeiten Feldbahnen, um Proviant, Muni-
tion u. s. w. herbeizuschaffen. Im Falle eines Feldzuges
kann auch die Beförderung von Truppenabteilungen nach
den Forts und den übrigen vorgeschobenen Erdwerken
' ermöglicht werden. Andererseits wird in einem Festungs-
krieg der Belagerer sich ebenfalls die Feldbahnen zu nutze
machen. Der Belagerer wird sie dazu verwenden, um
aus den zurückliegenden Depots Proviant und Pferde-
futter, Munition u. s. w. in die Kampfzone hereinzu-
schaffen. Auch auf den großen Schießplätzen, aus denen
die Artillerie übt, werden die Feldbahnen viel verwen-
1 det, und man legt sie bald hier, bald dort hin, um auf
ihnen ebenfalls Munition zu befördern oder Materia-
lien zum Bau von Scheiben, von Erdwerken, von Zielen,
die mit scharfer Munition zusammengeschofsen werden
sollen, heranzubringen.
Bei einem Zukunftskrieg werden die großen Lazarett-
züge auch mit Feldeisenbahnen ausgestattet werden, und
gerade hier können sie großen Segen bringen. Man
weiß heute, daß die schnelle Hilfe, die den Verwundeten
gebracht wird, Hunderte, ja Tausende braver und tapferer
Soldaten nicht nur am Leben erhält, sondern auch wie-
der vollständig gesund macht. Dabei ist es nicht nur-
nötig , daß der Kranke sehr bald den ersten Verband
erhält, sondern daß er auch in einem sicheren, mit allen
notwendigen Einrichtungen ausgestatteten Lazarett eine
dauernde Unterkunft findet. Bei Beginn einer Schlacht
' wird man daher von der Hauptetappe des Roten Kreuzes
und der Lazarettoerwaltung aus mit möglichster Ge-
schwindigkeit Feldbahnen bis nach den Verbandplätzen
unmittelbar hinter der Front der kämpfenden Truppen
legen, um die aufgelesenen und notdürftig verbundenen
Verwundeten sofort nach der Hauptetappe schaffen zu
können. Die Krankenpflegerkolonnen und Krankenträger-
bekommen besonderen Unterricht, um gewöhnliche Wagen,
ja selbst Kippkarren mit Hilfe von Stangen, Zaunlatten,
Strohseilen und Stricken so zurecht zu machen, daß man
sie zur Fortschaffung von Verwundeten verwenden kann.
Die Tragbahren werden in federnde Haken fo aufge-
hängt, daß jeder Wagen drei bis sechs Verwundete auf-
zunehmen vermag, ohne daß diese durch Stöße während
des Transports allzusehr leiden.
Bei den großen Sanitätsübungen, die man im Laufe
der letzten Friedensjahre abgehalten hat, haben diese
Feldbahnen bereits eine große Rolle gespielt, und man
hofft in den nächsten Kriegen nicht nur die Feldbahnen
verwenden zu können, die man mit sich führt, sondern
auch das Material von Feldeisenbahnen, das man in
Feindes- oder Freundesland findet, und man kann auf
solches überall rechnen, wo es Landwirtschaft, Industrie
und Erdbauten giebt, das heißt, wohl überall in der
kultivierten Welt.
Unter den Jüngern Barmnus.
Humoristische SkiM von Friedrich Thieme.
ch sah mich um und lachte aus vollem Halse.
Es mar aber auch eine zu interessante Tafel-
runde, in deren Mitte ich mich befand. Zu
meiner Rechten saß Mr. Phineas Murgrave,
das „wandelnde Skelett", zu meiner Linken Wanda,
! das „Blitz- und Feuermädchen", mir gegenüber die
„goldene Fliege" aus dem Zaubertheaten Zu beiden
Seiten derselben hatten die Ewwns des Zirkus Platz
! genommen, außerden wies die Raritätenliste noch Mr.
Jimsim, den Kraftmenscbm, Arabmadamuah, den „Knnni-
öaten der Südsee", und Herrn Bormesser, den „vmgun
mit der Kanüle" auf — kurz, beinahe die ganze Aristo-
kratie des diesjährigen Schützenfestes war um den Stamm-
tisch des großen Bierzeltes versammelt.
Wie ich in diese merkwürdige Gesellschaft kam?
Durch Zufall. Ich hatte das Glück oder Unglück, beim
Vogelschießen einen alten Schulkameraden zu treffen, der
auf der schiefen Ebene des Daseins hinahgeglitten war
bis zu jenen Regionen, in welchen die Marktschreier und
Budenausrufer, die „Impresarios" der Riesendamen
und dressierten Pudel ihre problematische Existenz be-
haupten. Die Freude des Wiedersehens war natürlich
groß, wenigstens auf seiner Seite, und nach einem be-
scheidenen Appell an meine Generosität blühte mir das
außerordentliche Vergnügen, unter seiner Führung durch
die Welt, in der man sich zwar nicht langweilt, in der
man aber hungert, friert, schwitzt und sich mit Füttern
behängt, eine naturwissenschaftlich und sozial höchst inter-
essante Forschungsreise anzutreten. Selbstverständlich
trug ich die Reisekosten, doch ich muß es zur Ehre der
mir vorgeführten Berühmtheiten bekennen, daß diese im
ganzen eine ebenso lobenswerte Bescheidenheit als
rührende Dankbarkeit an den Tag legten. Von allen
sah ich mich mit der achtungsvollsten Aufmerksamkeit
behandelt und that sicherlich in den wenigen Stunden,
die ich mit ihnen verbrachte, einen tieferen Griff ins
volle Menschenleben als sonst in Wochen oder Monaten.
Unsere Unterhaltung war ebenso originell als inter-
essant. Am gesprächigsten fand ich Arabacadamuah, den
„Kannibalen der Südsee", der von allen auch das ge-
bildetste Deutsch sprach; am liebenswürdigsten die blitze-
schleudernde, feuerspeiende Wanda, und am schweig-
samsten Simson, den Kraftmenschen, der aber schließlich,
um mir doch auch seinen Dank für die gewährte freie
Zeche in etwas abzutragen, mich mitsamt meinem Stuhle
mittels der Zähne in die Höhe hob, und sodann ohne
die geringste Anstrengung den ganzen Tisch nebst allem,
was sich darauf befand, geraume Zeit auf feinem harten
Schädel balancierte, während er zugleich in jeder Hand
ein Mitglied unserer Tafelrunde frei hinaushielt.
In meiner doppelten Eigenschaft als Ehrengast und
Gastgeber gehörte ich zu den beiden Ausmu "hlten, und
' .M wieder in meinen Normalzustand zurückversetzt zu
fern, gedachte :ch mich für d?" von mir geleisteten un-
freiwilligen Unterhaltungsbeitrag mü einem'' as echten
Pilseners zu stärken, als ich die wunderbare Entdeckung
j machte, daß Professor Möllini, der Inhaber.des Zauber-
und Phantasictheaters, inzwischen Gelegenheit genommen
hatte, mein goldklares Labsal in kohlrabenpechschwarze
Tinte zu verwandeln. Ich wollte ihn eben höflichst er-
suchen, den früheren Zustand kraft seiner schwarzen
Kunst wiederherzustellen, da stimmten plötzlich meine
Taselgenossen ein lautes Hurra an, und aller Hände
streckten sich begeistert und beglückwünschend einem
kleinen, dürftigen Männchen entgegen, das eben mit
lächelnder Miene an unserer Tafel austauchte.
Von allen Seiten wurden bewundernde Ausrufe
laut, über welche der Knirps mit einer Miene quittierte,
als finde er den enthusiastischen Empfang durchaus seiner
Bedeutung angemessen.
Ich wunderte mich sehr über die dem unscheinbaren
Burschen dargebrachten Ovationen und fragte meinen
Nachbar, Mr. Murgrave — der übrigens ein biederer
Sachse war —, nach dem Grund des seltsamen und
auszeichnenden Empfanges.
„Wer ist denn der Herr?" erkundigte ich mich neu-
gierig.
„O, das ist der Impresario Kaspar Lander. Er hat
sich vor einigen Stunden mit Miß Oeeana verlobt —
Sie kennen doch Miß Oeeana?"
„Nein, ist sie mit hier?"
„Wo denken Sie hin! Aber Sie haben von ihr
gehört?"
„Zu meiner Beschämung mich ich auch diese Frage
verneinen."
„O, da haben Sie etwas versäumt!" Er maß mich
mit einen: Blicke, wie ein Weltreisender einen Kleinstadt-
bewohner, der den Umkreis seines Heimatortes noch nicht
! weiter als um zwei stunden überschritten hat. „Mich
Oeeana ist das größte Phänomen des Jahrhunderts,
nur Mrs. Lavinia, die Gemahlin Simsons, vermag nut
ihr erfolgreich in die Schranken zu treten."
Das Buch für Alle.
Mt 27.
Eisenbahnstation oder von der Wasserausladestelle an
die Fabrikationsstätten, und das fertige Produkt wieder
von der Arbeitsstelle nach dem Vorratsschuppen oder
zur Verladungsstelle zu bringen. Auf den großen Hütten-
werken befördert man sogar flüssiges Eisen auf solchen
kleinen Feldbahnen, oft über eine Strecke von mehreren
Kilometern, um es zum Beispiel vom Hochofen nach dem
Orte zu bringen, wo es gereinigt oder in Stahl umge-
wandelt wird. Die eisernen Karren, die mit dem glühen-
den und halbflüssigen Eisen gefüllt sind, werden von
kleinen Lokomotiven geschleppt, die wiederum wegen der
großen Hitze, welche das flüssige Eisen ausstrahlt, den
kleinen Zug vermittelst einer langen Kette hinter sich
herziehen.
Ganz vorzüglich eignen sich die Feldbahnen und ihre
eisernen Karren zum Transport von heißer Asche oder-
glühender Schlacke, die aus den Hüttenwerken heraus-
befördert werden muß. Ebenso können Hüttenwerke von
den: Fundort von Kohlen oder Erzen, die sie verarbei-
ten, jetzt viel weiter entfernt sein als früher, weil leicht
rind schnell das Rohmaterial durch die mit Lokomotiven
betriebenen Feldbahnen herbeigeschafft werden kann. Es
kann zürn Beispiel für ein Hüttenwerk sehr wichtig sein,
daß es mrmittelbar am Wasser liegt, um seine fertig ge-
stellten Eisenwaren sofort auf dein Wasserwege verfrachten
zu können. Früher war es dann außerordentlich kost-
spielig und umständlich, aus eiirer Entfernring von einer
halben bis dreiviertel deutschen Meilen Eisen und Kohle
herbeizuschaffen. Jetzt macht eine solche Entfernung gar
nichts aus. Es wird eine Feldbahn angelegt, die aller-
dings, wenn sie längere Zeit verwendet werden und
ziemlich rasch fahren soll, solider gebaut werden muß,
als die Feldbahnen für den landwirtschaftlichen Betrieb.
Das Geleis bekommt noch eine Unterbettung von Sand
oder von Schotter, und der Betrieb kann dann mit
großer Sicherheit und Geschwindigkeit aufrecht erhalten
werden. Man hat sogar die Feldbahn in der Dynamit-
und Pulverfabrikation zur Verbindung der, wegen der
Explosionsgefahr oft weit voneinander gelegenen, ver-
schiedenen Abteilungen einer solchen Fabrik verwendet
und fährt sogar auf diesen Bahnen mit Lokomotiven,
allerdings mit feuerlosen.
Die feuerlosen Lokomotiven, die längst aus dem
Stadium der Versuche heraus sind und als eine voll-
kommen abgeschlossene Neuerung im Verkehr der Feld-
bahnen betrachtet werden können, sind sehr originell.
Die seuerlose Lokomotive besteht aus einem Dampfkessel,
und dieser ist, wie bei jeder anderen Lokomotive, auf
dem Untergestell mit den Rädern und dem Triebwerk
angebracht. Die seuerlose Lokomotive unterscheidet sich
von der gewöhnlichen Lokomotive nur dadurch, daß sie
keinen Schornstein hat, und man ist durch die Länge
der Zeit derartig an den Schornstein auf der Lokomotive
gewöhnt, daß der erste Anblick eines solchen kleinen
Motors jedermann in Erstaunen versetzt.
Die seuerlose Lokomotive enthält in ihrem Kessel
vorgewärmtes Wasser. Man bringt sie, nachdem der
Kessel ungefähr bis zu zwei Dritteln seines Inhalts mit
warmem Wasser gefüllt ist, an eine Kesselanlage, welche
hochgespannten Dampf liefert, und verbindet durch dumpf-
sichere SMaucye dttl KefstUiffüg üüt der Lokomotive.
Darauf läßt man hochgespannten Dampf in den Wasser-
kessel der Lokomotive einströmen, bis sich in: Kessel eine
Dampfspannung zeigt, die fast ebenso hoch ist, als die
in der festen Kesselanlage. Gewöhnlich beträgt der
Unterschied nur eine halbe Atmosphäre. Beträgt die
Kesselspannung neun Atmosphären bei der festen An-
lage, so wird die Lokomotive allmählich auf eine Span-
nung von achteinhalb Atmosphären gebracht. Solch eine
Füllung reicht für gewöhnlich einen halben Tag aus.
Die seuerlose Lokomotive ist derartig eingerichtet, daß
sie noch mit drei Atmosphären Spannung Lasten ziehen
und mit einer Atmosphäre Ueberdruck sich noch selbst fort-
bewegen kann. Der beim Fahren gebrauchte Dampf er-
setzt sich sofort wieder aus dem Wasser, wobei die Dampf-
spannung allerdings naturgemäß allmählich fällt. Der
Dampfoerbrauch ist ungefähr gleich dem einer gewöhn-
lichen Lokomotive. Ist die Dampfspannung im Kessel er-
schöpft, so muß die Lokomotwe wieder nach der festen
Kesselanlage zurück, um ihren Kessel aus die möglichst
hohe Dampfspannung bringen zu lassen. Die Lokomo-
tiven sind durchaus ungefährlich, da sie ja überhaupt
kein Feuer enthalten, daher auch keine Funken aus-
werfen. Man kann sie selbst durch Gebäulichkeiten und
Werkstätten hindurchfahren lassen, wo sehr leicht brenn-
bare Materialien aufgehäuft sind. Die Lokomotive ent-
wickelt ferner keinen Rauch und belästigt daher nicht
beim Gebrauch. Ein Heizer ist überflüssig, ein geprüfter
Lokomotivführer ebenfalls, jeder Hilfsarbeiter und ge-
wöhnliche Maschinenwärter kann mit dieser Lokomotive
fahren. Der Betrieb fällt auch nicht einmal unter das
Kleinbahngesetz, und man kann daher ohne weiteres einen
derartigen feuerlosen Lokomotivbetrieb einrichten. Natür-
lich nützt sich der Kessel, da er nicht gefeuert wird, auch
wenig ab, und da eine Menge von Rohr- und Pump-
anlagen an der Lokomotive sortfällt, wird nur das
Triebwerk in Anspruch genommen.
Es sei noch erwähnt, daß die Wagen, welche für die
Feldeisenbahnen in den deutschen Fabriken gebaut wer-
den, wahre Wunderwerke der praktischen Erfahrung und
der beständig fortschreitenden Technik sind. Es giebt
Hunderte von Modellen von Wagen für die verschieden-
sten Zwecke. Man kann besondere Wagen zum Trans-
port von Chemikalien oder schwerer Blöcke oder großer
Lasten, zum Transport von Dynamo-Ankern, von Papier,
von Röhren, von Produkten der Textilindustrie, von
Fässern, von Langholz, von Vieh und Personen erhalten.
Die Wagen für Lokomotivbetrieb und schwere Belastung
erhalten einen sehr kräftigen Unterbau, und die Achsen
und Rüder sind genau so konstruiert, wie bei der wirk-
lichen Eisenbahn. Da, wo Hand- oder Pferdebetrieb
angewendet wird, macht man den Unterbau sehr leicht,
und die Räder werden nicht aus Gußeisen, sondern aus
gebogenem und gepreßtem Stahlblech hergestellt.
Ganz besondere Wichtigkeit haben die Feldbahnen in
den letzten Jahren für das Heer erlangt. Ebenso, wie
die Heeresleitung aller Länder die Volleisenbahnen sich
dienstbar gemacht hat, und heute der Erfolg eines Feld-
zuges zum Teil von der Anzahl der Eisenbahnlinien,
die zur Verfügung stehen, und der Geschicklichkeit ihrer
Ausnützung abhängt, hat man sich wenigstens für zwei
wichtige Abteilungen des Heeresdienstes und der Krieg-
führung die Feldbahnen bereits nutzbar gemacht, nämlich
für den Festungskrieg und den Verwundetentransport.
Die heutigen Festungen bestehen hauptsächlich aus
sogenannten detachierten Forts, welche meilenweit im
Umkreise um die eigentliche Festung liegen. Zur Ver-
bindung dieser Forts mit der Hauptfestung benützt inan
schon in Friedenszeiten Feldbahnen, um Proviant, Muni-
tion u. s. w. herbeizuschaffen. Im Falle eines Feldzuges
kann auch die Beförderung von Truppenabteilungen nach
den Forts und den übrigen vorgeschobenen Erdwerken
' ermöglicht werden. Andererseits wird in einem Festungs-
krieg der Belagerer sich ebenfalls die Feldbahnen zu nutze
machen. Der Belagerer wird sie dazu verwenden, um
aus den zurückliegenden Depots Proviant und Pferde-
futter, Munition u. s. w. in die Kampfzone hereinzu-
schaffen. Auch auf den großen Schießplätzen, aus denen
die Artillerie übt, werden die Feldbahnen viel verwen-
1 det, und man legt sie bald hier, bald dort hin, um auf
ihnen ebenfalls Munition zu befördern oder Materia-
lien zum Bau von Scheiben, von Erdwerken, von Zielen,
die mit scharfer Munition zusammengeschofsen werden
sollen, heranzubringen.
Bei einem Zukunftskrieg werden die großen Lazarett-
züge auch mit Feldeisenbahnen ausgestattet werden, und
gerade hier können sie großen Segen bringen. Man
weiß heute, daß die schnelle Hilfe, die den Verwundeten
gebracht wird, Hunderte, ja Tausende braver und tapferer
Soldaten nicht nur am Leben erhält, sondern auch wie-
der vollständig gesund macht. Dabei ist es nicht nur-
nötig , daß der Kranke sehr bald den ersten Verband
erhält, sondern daß er auch in einem sicheren, mit allen
notwendigen Einrichtungen ausgestatteten Lazarett eine
dauernde Unterkunft findet. Bei Beginn einer Schlacht
' wird man daher von der Hauptetappe des Roten Kreuzes
und der Lazarettoerwaltung aus mit möglichster Ge-
schwindigkeit Feldbahnen bis nach den Verbandplätzen
unmittelbar hinter der Front der kämpfenden Truppen
legen, um die aufgelesenen und notdürftig verbundenen
Verwundeten sofort nach der Hauptetappe schaffen zu
können. Die Krankenpflegerkolonnen und Krankenträger-
bekommen besonderen Unterricht, um gewöhnliche Wagen,
ja selbst Kippkarren mit Hilfe von Stangen, Zaunlatten,
Strohseilen und Stricken so zurecht zu machen, daß man
sie zur Fortschaffung von Verwundeten verwenden kann.
Die Tragbahren werden in federnde Haken fo aufge-
hängt, daß jeder Wagen drei bis sechs Verwundete auf-
zunehmen vermag, ohne daß diese durch Stöße während
des Transports allzusehr leiden.
Bei den großen Sanitätsübungen, die man im Laufe
der letzten Friedensjahre abgehalten hat, haben diese
Feldbahnen bereits eine große Rolle gespielt, und man
hofft in den nächsten Kriegen nicht nur die Feldbahnen
verwenden zu können, die man mit sich führt, sondern
auch das Material von Feldeisenbahnen, das man in
Feindes- oder Freundesland findet, und man kann auf
solches überall rechnen, wo es Landwirtschaft, Industrie
und Erdbauten giebt, das heißt, wohl überall in der
kultivierten Welt.
Unter den Jüngern Barmnus.
Humoristische SkiM von Friedrich Thieme.
ch sah mich um und lachte aus vollem Halse.
Es mar aber auch eine zu interessante Tafel-
runde, in deren Mitte ich mich befand. Zu
meiner Rechten saß Mr. Phineas Murgrave,
das „wandelnde Skelett", zu meiner Linken Wanda,
! das „Blitz- und Feuermädchen", mir gegenüber die
„goldene Fliege" aus dem Zaubertheaten Zu beiden
Seiten derselben hatten die Ewwns des Zirkus Platz
! genommen, außerden wies die Raritätenliste noch Mr.
Jimsim, den Kraftmenscbm, Arabmadamuah, den „Knnni-
öaten der Südsee", und Herrn Bormesser, den „vmgun
mit der Kanüle" auf — kurz, beinahe die ganze Aristo-
kratie des diesjährigen Schützenfestes war um den Stamm-
tisch des großen Bierzeltes versammelt.
Wie ich in diese merkwürdige Gesellschaft kam?
Durch Zufall. Ich hatte das Glück oder Unglück, beim
Vogelschießen einen alten Schulkameraden zu treffen, der
auf der schiefen Ebene des Daseins hinahgeglitten war
bis zu jenen Regionen, in welchen die Marktschreier und
Budenausrufer, die „Impresarios" der Riesendamen
und dressierten Pudel ihre problematische Existenz be-
haupten. Die Freude des Wiedersehens war natürlich
groß, wenigstens auf seiner Seite, und nach einem be-
scheidenen Appell an meine Generosität blühte mir das
außerordentliche Vergnügen, unter seiner Führung durch
die Welt, in der man sich zwar nicht langweilt, in der
man aber hungert, friert, schwitzt und sich mit Füttern
behängt, eine naturwissenschaftlich und sozial höchst inter-
essante Forschungsreise anzutreten. Selbstverständlich
trug ich die Reisekosten, doch ich muß es zur Ehre der
mir vorgeführten Berühmtheiten bekennen, daß diese im
ganzen eine ebenso lobenswerte Bescheidenheit als
rührende Dankbarkeit an den Tag legten. Von allen
sah ich mich mit der achtungsvollsten Aufmerksamkeit
behandelt und that sicherlich in den wenigen Stunden,
die ich mit ihnen verbrachte, einen tieferen Griff ins
volle Menschenleben als sonst in Wochen oder Monaten.
Unsere Unterhaltung war ebenso originell als inter-
essant. Am gesprächigsten fand ich Arabacadamuah, den
„Kannibalen der Südsee", der von allen auch das ge-
bildetste Deutsch sprach; am liebenswürdigsten die blitze-
schleudernde, feuerspeiende Wanda, und am schweig-
samsten Simson, den Kraftmenschen, der aber schließlich,
um mir doch auch seinen Dank für die gewährte freie
Zeche in etwas abzutragen, mich mitsamt meinem Stuhle
mittels der Zähne in die Höhe hob, und sodann ohne
die geringste Anstrengung den ganzen Tisch nebst allem,
was sich darauf befand, geraume Zeit auf feinem harten
Schädel balancierte, während er zugleich in jeder Hand
ein Mitglied unserer Tafelrunde frei hinaushielt.
In meiner doppelten Eigenschaft als Ehrengast und
Gastgeber gehörte ich zu den beiden Ausmu "hlten, und
' .M wieder in meinen Normalzustand zurückversetzt zu
fern, gedachte :ch mich für d?" von mir geleisteten un-
freiwilligen Unterhaltungsbeitrag mü einem'' as echten
Pilseners zu stärken, als ich die wunderbare Entdeckung
j machte, daß Professor Möllini, der Inhaber.des Zauber-
und Phantasictheaters, inzwischen Gelegenheit genommen
hatte, mein goldklares Labsal in kohlrabenpechschwarze
Tinte zu verwandeln. Ich wollte ihn eben höflichst er-
suchen, den früheren Zustand kraft seiner schwarzen
Kunst wiederherzustellen, da stimmten plötzlich meine
Taselgenossen ein lautes Hurra an, und aller Hände
streckten sich begeistert und beglückwünschend einem
kleinen, dürftigen Männchen entgegen, das eben mit
lächelnder Miene an unserer Tafel austauchte.
Von allen Seiten wurden bewundernde Ausrufe
laut, über welche der Knirps mit einer Miene quittierte,
als finde er den enthusiastischen Empfang durchaus seiner
Bedeutung angemessen.
Ich wunderte mich sehr über die dem unscheinbaren
Burschen dargebrachten Ovationen und fragte meinen
Nachbar, Mr. Murgrave — der übrigens ein biederer
Sachse war —, nach dem Grund des seltsamen und
auszeichnenden Empfanges.
„Wer ist denn der Herr?" erkundigte ich mich neu-
gierig.
„O, das ist der Impresario Kaspar Lander. Er hat
sich vor einigen Stunden mit Miß Oeeana verlobt —
Sie kennen doch Miß Oeeana?"
„Nein, ist sie mit hier?"
„Wo denken Sie hin! Aber Sie haben von ihr
gehört?"
„Zu meiner Beschämung mich ich auch diese Frage
verneinen."
„O, da haben Sie etwas versäumt!" Er maß mich
mit einen: Blicke, wie ein Weltreisender einen Kleinstadt-
bewohner, der den Umkreis seines Heimatortes noch nicht
! weiter als um zwei stunden überschritten hat. „Mich
Oeeana ist das größte Phänomen des Jahrhunderts,
nur Mrs. Lavinia, die Gemahlin Simsons, vermag nut
ihr erfolgreich in die Schranken zu treten."