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> Teitbiläer — -


es freilich auch nicht an sorgenvollen, dunklen Tagen, und
das bitterste Leid, das ein Mutterherz Heimsuchen kann, blieb

einer gan- . Du haft vom Himmel die glückliche Aufgabe empfangen, das
thun zu können, indem Du Deinen Mann recht glücklich
machst, und ihm am besten zu dienen, indem Du ihm hilfst,

Kaiserin Friedrich ft.

^)suf Schloß Friedrichshof bei Cronberg im Taunus, wo sie
die letzten Jahre ihres Lebens in stiller Zurückgezogenheit
zugebracht hatte, wurde am 5. August d ie Kaiserin-Witwe
Friedrich durch einen sanften Tod von den
langen und schweren Leiden einer unheilbaren-
Krankheit erlöst. Auf die Kunde von der im
Befinden seiner erlauchten Mutter eingetreteneu
bedrohlichen Verschlimmerung hatte der deutsche
Kaiser sofort seine Nordlandsreise unterbrochen
und war in raschester Fahrt an das Sterbelager
der edlen Dulderin geeilt, wo er in Begleitung
seiner Gemahlin und des Kronprinzen am frühen
Morgen des Todestages eintraf. Bis auf den
Prinzen Heinrich, der sich im Marinedienst auf
hoher See befand und der nicht rechtzeitig hatte
zurückkehren können, waren sämtliche Kinder der
Kaiserin auf Schloß Friedrichshof versammelt,
als die Katastrophe eintrat. Schon gegen 4 Uhr-
nachmittags war die Herzthätigkeit so schwach
geworden, daß die Augenblicke der Kranken ge-
zählt schienen; aber erst um 6 Uhr 27 Minuten
mußte Professor Nenvers, einer der behandelnden
Aerzte, dem Kaiser den Eintritt des Todes mel-
den, der sanft und schmerzlos, völlig unmerklich
für die Umgebung, erfolgt war. Der aus Hom-
burg berufene englische Pfarrer, der noch tags
zuvor der Kaiserin auf ihren Wunsch die Tröstun-
gen der Religion gespendet hatte, sprach ein
Gebet, und in tiefster Ergriffenheit nahmen die
Angehörigen ihren letzten Abschied von der teu-
ren Toten, der man weiße Lilien in die er-
kaltenden Hände legte. Die Standarte der
Kaiserin ging auf Halbmast, die Cronberger
Kirchenglocken erklangen, und der Telegraph trug
die Trauerkunde in alle Richtungen der Wind-
rose hinaus. Ueberall mar der Eindruck, den sie
hervorrief, ein gleich schmerzlicher und erschüttern-
der; denn die Verehrung, deren sich die Ent-
schlafene als Gattin und Mutter wie als edle
Menschenfreundin und Wohlthaterin der Be-
drängten erfreut hatte, war eine tiefe und all-
gemeine. Am 21. November 1840 im Buckingham-
palast zu Londou als das erste Kind aus der
Ehe der Königin Viktoria mit dein Prinzen Al-
bert von Sachsen-Koburg und Gotha geboren,
hatte sich Viktoria Adelaide Marie Luise, Prin-
ceß Royal von Großbritannien und Irland, schon
in ihrem fünfzehnten Jahre mit Friedrich Wil- K
Helm, dem Sohne des Prinzen und der Prinzessin
von Preußen, verlobt, um ihm zweieinhalb Jahre
später, am 25. Januar 1858, in der Kapelle
des Londoner St. Jamespalastes feierlich ange-
traut zu werden. Der Empfang, den man der
anmutigen jungen Frau bei ihrem Einzuge in
Berlin bereitete, war ein so freudiger und herz-
licher, daß ihr Vater, der hochsinnige Prinz-
gemahl, ihr damals schreiben konnte: „Dieses
wohlthuende und vertrauensvolle Entgegenkommen c'
zen Nation gegen eine gänzlich Fremde muß in Dir das Be-
streben erweckt und gestärkt haben, Dich in jeder Weise solcher

Gefühle würdig zu erweisen, und sie durch den festen Ent-
schlich zu erwidern und zu lohnen, Dein ganzes Leben und
Streben diesem Volke Deiner neuen Heimat zu weihen. Und der Kronprinzessin nicht erspart. Der am 15. September 1864
geborene Prinz Sigismund starb im zartesten
- - Alter, während fein Vater bei dem Heere in
Böhmen den Sieg der preußischen Waffen ent-
scheiden half, und im Jahre 1879 raffte die
fürchterliche Diphtheritis den zehnjährigen Prinzen
Waldemar dahin. — Während sie sich mit un-
ermüdlicher Hingabe der Pflege und Erziehung
ihrer Kinder widmete, unterließ es doch die
Kronprinzessin nicht, auch den mannigfachen Auf-
gaben, die ihre hohe Stellung ihr nahelegte, ihre
Aufmerksamkeit und ihre Kräfte zuzuwenden. Und
sie erfaßte diese fürstlichen Aufgaben stets im
edelsten Sinne. Wie die Gründung der im
Jahre 1866 entstandenen „Viktoria-National-
Jnvalidenstiftung" ihrer Initiative zu danken
ist, so rief sie eine Reihe anderer gemein-
nütziger Institutionen ins Leben, von denen
namentlich die auf eine Verbesserung und Ver-
tiefung der weiblichen Erziehung gerichteten ihr
Andenken zu einem allezeit gesegneten machen
werden. Das Viktoria-Lyceum, die Viktoria-
Schule, das Heimathaus für Töchter höherer
Stände, der Letteverein, das Pestalozzi-Fröbel-
haus, das Feierabendhaus für dienstunfähige
Lehrerinnen und zahlreiche andere Schöpfungen
bilden dauernde Beweise des zielbewußten und
erfolgreichen Wirkens der hohen Frau auf diesen
Gebieten. Auch den Wissenschaften und den
schönen Künsten war sie stets eine fördernde und
opferbereite Gönnerin. Zahlreich sind die An-
regungen, die von ihr ausgingen, und zahlreich
die Schöpfungen, denen sie im Verein mit ihrem
hohen Gemahl zum Leben verhalf. Die Aus-
grabungen zu Olympia, die Begründung der
Nationalgalerie, der ersten Heimstätte für die
deutsche Kunst, und die Errichtung des groß-
artigen Berliner Kunstgewerbemuseums sind Werke,
die auf immer mit ihrem Namen und mit dem
ihres hochherzigen, ritterlichen Gatten verknüpft
bleiben werden. Daß die Kaiserin Friedrich selbst
eine tüchtige Künstlerin war, ist bekannt. Sie
malte und modellierte mit vielem Talent, und
ihre künstlerischen Schöpfungen würden ihr unter-
anderen Umständen sicherlich allgemeine Anerken-
nung eingetragen haben. — Was die treffliche
Fran ihrem unglücklichen Gatten während, seiner-
schweren Leidenszeit als hingebende Pflegerin
und tapfere Trösterin gewesen ist, braucht man
keinem Deutschen zu erzählen. Am 15. Juni 1888
mußte sie dem heldenhaften Dulder die Augen
' schließen, und als eine tiefgebeugte Witwe stieg
sie von dem Kaiserthron herab, auf dem sie nur
für die Dauer weniger, unsäglich leidvoller Wochen
an der Seite Friedrichs des Edlen gesessen. Seit-
dem pflegte sie nur noch auf kurze Zeit iu jedem Jahre nach
Berlin zurückzukehren, bis das langsam fortschreitende un-
heilbare Leiden sie ganz an ihren Witwensitz inmitten der


Enthüllung des Denkmals des Kurfürsten Friedrich des weisen in Buchholz i. 5.
Ncich einer Photographie von Albin Meicke, yofphotog, aph in Annaberg i. S.

die Liebe seiner
Landsleute sich zu
erhalten und zu ver-
mehren." Selten
wohl ist eine väter-
liche Mahnung in-
niger beherzigt und
befolgt worden, als
es von feiten der
Prinzessin Viktoria
ihr ganzes Leben
hindurch geschah.
Das glückliche, har-
monische Familien-
leben im kronprinz-
lichen Palais zu
Berlin konnte dem
ganzen Volke als ein
Vorbild dienen und
es mußte der jungen
Fürstin vollends alle
Herzen gewinnen.
Sie schenkte ihrem
Gatten acht Kinder,
von denen das äl-
teste, der jetzt regie-
rendedeutscheKaiser,
am27.Januar1859,
und das jüngste, die
Prinzessin Marga-
rete, seit 1893 die
Gemahlin des Prin-
zen Karl von Hessen,
am 22. April' 1872
geboren wurde Aber
in dem sonnigen
Familienglück fehlte

schönen Taunusberge bannte. —
Die Industriestadt Buchholz bei Annaberg im König-
reich Sachsen konnte das Jubiläum ihres vierhundertjährigen
Bestehens begehen. Den Glanzpunkt der festlichen Veran-
staltungen, die mehrere Tage ausfüllten, bildete die Ent-
hüllung eines auf dem
Marktplatz errichteten
Denkmals des Kur-
fürsten Friedrich
des Weisen,von dem
Buchholz im Jahrs
1501 gegründet wor-
den ist. Das stattliche
Monument, ein Werk
des Dresdener Bild-
hauers Schreitmüller,
ist ein Geschenk der
sächsischen Staatsre-
gierung an die jubi-
lierende Stadt. —
Ein plötzlicher Tod
ereilte in Budapest,
wohin er soeben von
einer Karlsbader Kur
zurückgekehrt war, den
früheren ungarischen
Justizministsr und
Präsidenten des Abge-
ordnetenhauses Desi-
der v. Szilagyi, den unerschrockensten und geistig hervor-
ragendsten Kämpfer für den liberalen Gedanken in Ungarn.
Der Einfluß dieses bedeutenden und auch von seinen Gegnern
hochgeachteten Politikers war während des letzten Jahrzehnts
bestimmend gewesen für die Geschicke seines Vaterlandes. Noch
in jüngster Zeit hatte er an der Losung des Ausgleichspro-
blems und an der Schaffung der Gesetze über die Wahl-
gerichtsbarkeit der Kurie einen entscheidenden Anteil gehabt. —

Desider v. Szilagyi ft.
 
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