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Haupt kein Pferd oder Maultier für den Boraxtransport ver-
wenden, und auch unter den Arbeitern, die ihre Nächte in
wasfergefüllten Gräben zubringen, ist die Sterblichkeit eine
unheimlich große.

^üWtllsigllMlüion aufeintm Hausdach in Berlin.
(Siehe das Bild auf Seite 740.)
/<^ine der wichtigsten Aufgaben der modernen Gefechtstechnik
ist die Einrichtung eines Signaldienstes, der die einzelnen
Truppenkörper in ständiger Verbindung miteinander erhält
und damit eine einheitliche Leitung der Gesamtoperation er-
möglicht. Alle europäischen Armeen wenden den verschiedenen
Niethoden für die Uebermittelung von Signalen im Gelände
beständig die größte Aufmerksamkeit zu. Man hat trans-
portable Telephon- und Telegraphenapparate konstruiert, die
mit in die Feuerlinie genommen werden und die für die
Verständigung zwischen weit auseinander gezogenen Truppen-

Dns Buch für Alle.

teilen vortreffliche Dienste leisten. Aber sie müssen natürlich
außer Funktion treten, sobald sich etwa der Feind dazwischen-
schiebt. Und für diesen Fall bedient man sich in neuerer
Zeit mit Vorliebe der sogenannten Flaggensignale, wie sie —
in allerdings ungleich vollkommenerer Weise — auf See ja
seit langem gebräuchlich sind. Man versieht sowohl die Ka-
valleriepatrouillen, die zur Aufklärung vorgehen, als die auf
erhöhten Punkten des Geländes aufgestellten Beobachtungs-
posten mit kleinen, in möglichst grellen und leuchtenden
Farben gehaltenen Flaggen, durch die sie in einer sorgfältig
geübten Zeichensprache die Bewegungen des Feindes signali-
sieren. Bei den großen Frühjahrsübungen, die auf dem
Tempelhofer Felde bei Berlin vor dem Kaiser abgehalten
wurden, hatte inan für die östlich von der Tempelhofer
Chaussee operierenden Truppen eine solche Flaggensignal-
station auf einem der hohen Hausdächer in der Bellealliance-
strahe eingerichtet. (Siehe das Bild auf S. 740.) Eine
Bodenluke war von den Pionieren erweitert und darüber
ein leichter, mit wasserdichter Leinwand bespannter Holzbau
errichtet worden. Während ein Mann nach Westen hin bas

Heft 28.
von dort anmarschierende Corps durch das Fernrohr beob-
achtete und von jeder wichtigeren Wahrnehmung dem die
Station befehligenden Offizier Mitteilung machte, übermittelte
ein am anderen Ende des Hausdaches aufgestellter Soldat
die ihm erteilten Befehle durch ruckweises Heben und Senken
der aus schreiend roten und gelben Stoffen gefertigten Flaggen.
Jeder Buchstabe des Alphabets und jede Zahl kann durch die
Bewegungen der hoch, tief oder wagerecht gehaltenen Fähnchen
ausgedrückt werden, und es giebt außerdem bestimmte Zeichen
für häufig wiederkehrende Ausdrücke. Auf solche Art wurden
auf eine Entfernung von 3000 Bieter hin Nachrichten ge-
geben und empfangen, denn weit hinten auf dem ansteigen-
den Terrain bei Britz befand sich die korrespondierende Signal-
station. Auch das Artilleriefeuer, namentlich der Haubitzen-
batterien, die ja in den seltensten Fällen die Ziele sehen
können, auf die sie schießen, wurde durch Flaggensignale von:
Dache aus geleitet. Und es ist sicher, daß man in künftigen
Kriegen seine Zuflucht sehr oft zu dieser ebenso einfachen als
zuverlässige:: Art der Verständigung wird nehmen müssen.


Brunnenkur Lei Kroll in Werkin. Nach einer Photographie von Otto Becker L Maaß in Berlin. (S. 735)

Nm Hafen von Mähe.
Erzählung aus dem indischen GeschäfLsleben. Von D. V. Waeren.

n einem Augustmorgen des Jahres 1892
erhielt der Kaufmann Lionel Dawson in
Calicut, der Hauptstadt des Distriktes Ma-
labar in Britisch-Ostindien, einen Brief, den
er dreimal durchlas, da er einen höchst absonderlichen
Inhalt hatte. Dieser Brief lautete!
„Mein Herr,
Sie haben an dem Handel mit Teak- und Sandel-
holz in den letzten Jahren ungefähr zwanzigtausend
Pfund Sterling verdient. Sie müssen den vierten Teil
davon, also fünftausend Pfund, an uns abgeben, da
wir notwendig Geld zu politischen Zwecken' brauchen.
Zahlen Sie uns diese Summe nicht, so ist Ihr Leben
verwirkt. Was nützt Ihnen Ihr Geld, wenn Sie tot


sind? Vesser ein Viertel Ihres Vermögens aufgeben
und am Leben bleiben, als das ganze Vermögen be-
halten und tot fein! Glauben Sie ja nicht, daß es
sich um eine leere Drohung handelt. Wir werden Ihnen
zeigen, das; es uns ernst ist damit. Wenn Sie uns

nicht innerhalb drei Tagen eine zusagende Antwort
geben, werden Sie die erste Verwarnung erhalten, die
Ihnen klar machen wird, daß es für Sie keinen Schutz
giebt. Diese fünftausend Pfund haben Sie in Mahö
zu zahlen. Finden Sie sich an einein der nächsten Tage
vormittags am dortigen Hafen ein und gehen Sie am
Quai auf und ab. Als Erkennungszeichen haben Sie
eine Nosette von gelben: Band in dem obersten Knopf-
loch Ihres Nockes zu tragen. Den: Mann, der sich
Ihnen dann nähert und Ihnen unter seinem Nock ein
breites gelbes Band zeigt, können Sie das Geld ohne
weiteres aushündigen, und es wird Ihnen dann Quittung
darüber zugehen. Die Auslieferung des Geldes hat au:
Hellen Mittag zu erfolgen. Es sind immer zahlreiche
Menschen nm Hasenquni versammelt, so daß Sie vor
jeder Gefahr geschützt sind. Wenn Sie trotzdem Furcht
haben, so können Sie sich von einen: Polizeibeamten in
Zivil begleiten lassen. Jeder Versuch einer Gewaltthat
aber gegen unseren Entsendeten, der das Geld in Empfang
zu nehmen hat, kostet Sie das Leben, denn es sind zahl-

reiche Verschworene gleichzeitig anwesend, und eine ein-
zige verdächtige Handbewegung von Ihnen wird die
Folge haben, daß Ihnen eine Kugel durch den Kopf
geschossen wird, kleberlegen Sie sich die Sache, Sie
haben drei Tage Zeit. Die Verschworenen."
Air. Dawson war zuerst geneigt, diesen Brief für
einen schlechten Scherz zu halten, aber er wußte nicht,
welchem seiner Bekannten er etwas derartiges zutrauen
könne, und schließlich kam er zu der Ueberzeugung, daß
doch etwas Ernstes dahinterstecken müsse.
Wenn es sich wirklich nur einen Gaunerstreich han-
delte, dann waren die sogenannten Verschworenen sehr
klug. Sie verlangten die Auszahlung des Geldes :n
den: nahegelegenen Mahd, also auf französischen: Gebiete,
wo weder Dawson, noch die ihn begleitenden englischen
Polizeibeamten irgend welche amtliche Thätigkeit aus-
üben konnten. Es war eine sehr fatale Situation. Der
Brief kam, der französischen Marke nach zu schließen,
aus Mahd, ivar in guten: Englisch abgefaßt und stammte
also unzweifelhaft von einen: Weißen.
Der Kaufmann hielt es schließlich für das beste, zu
den: Chef der englischen Polizei in Calicut, dem Obersten
Epre, zu gehen und ihm die Sache vorzutragen. Der
Oberst las den Brief und schüttelte den Kopf
„Ein Fall von Erpressung, wie er wohl in Amerika
und Australien vorkommt, wie er aber hier bisher un-
bekannt ivar," sagte er dann.
 
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