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Winter in der Nordostecke. Die frühere Ausschmückung der Wände
ist unter einer weissen Farbenschicht verschwunden, und ebenso die auf
Leinwand gemalten Köpfe von Neugierigen, welche aus den Medaillon-
ötfnungen des Kuppel-Lichtscliachtes hinab in den Kuppelraum blickten.
Sie sind bei Reparaturen herausgenommen und muthwillig zerstört worden;
sie lagen, wie mir von Bediensteten erzählt wurde, noch längere Zeit
auf dem Bodenräume umher.
Einen dem Auge weniger angenehmen Anblick als die Leimberger-
schen Arbeiten gewährt uns das Deckengemälde über der Kaisertreppe
von Johann Baptist Innocenz Colomba. Es ist im Jahre 1741, also neun
Jahre später als jene, begonnen und in vier Monaten vollendet worden,
eine gezwungene Eile, die in der Beurtheilung der Ausführung billiger-
weise mit in Betracht gezogen werden muss.
Dies vorausgeschickt, ist jedoch nicht in Abrede zu stellen, dass
auch dieses Werk für uns heute ein ganz bestimmtes kunstgeschichtliches
Interesse bietet, denn es zeigt uns die Ausartungen und Bebertreibungen
des herrschenden Dekorationsstyles in durchaus charakteristischer Weise,
dabei aber auch die Unerschrockenheit und meisterliche Fertigkeit des
Künstlers in der Bewältigung der an ihn gestellten Anforderungen, bei
welchen kein Federlesens gemacht werden durfte. Sind die dargestellten
Formen auch nicht gewählt, so sind sie doch keineswegs inkorrekt, ja, sie
bezeugen ein vollständiges Beherrschen des Nackten und der Gewandung.
Bei der gewaltigen Anhäufung von Figuren muss man rühmend anerkennen,
dass durch sehr geschickte Vertheilung heller und dunkler Massen die
einzelnen Gruppen sehr gut und deutlich aus einander gehalten sind und
dass durch die grosse, helle, glorienartige Lichtmasse des Himmels in den
obersten Theilen des Bildes und durch die nach der Basis des Bildes
hin sich steigernde Tiefe und Kraft in den Wolkenbildungen wie in den
Figuren eine durchaus wohl berechnete malerische Gesammtwirkung ins
Auge gefasst war, die vollkommner zur Geltung gekommen sein würde,
wenn mehr Zeit auf ihre Durchführung hätte verwendet werden können
und wenn in Folge dieses Mangels nicht sehr viele Farbtöne hart und
häufig allzu unvermittelt neben einander stünden. Hieran hat übrigens
auch die Temperafarbe, mit welcher das Bild gemalt ist, einen gewissen
Antheil. Sehr wohl berechnet ist es auch, dass an der Basis des Bildes
der Uebergang der Bildfarben in die Farben der umgebenden architek-
tonischen Einfassung durch ihr ähnliche Töne vermittelt ist, so dass das
Bild in dem ursprünglich rundum architektonisch bemalten Treppenhause
durchaus nicht isoliert und herausgeschnitten wirkte, sondern sich an der
Basis mit der Umgebung fast unmerklich verband.
Betrachten wir uns nun die Komposition des Bildes näher, so kann
es uns nicht entgehen, dass in ihr in weit übertriebenerer Weise als in
den Leimbergerschen Arbeiten der ganze Allegorien- und Formentaumel
der damaligen Geschmacksrichtung zum Ausdruck kommt. Der dem Bilde
 
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