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Berlin, führen. Eine abbiegende Straßenführung ent-
lang der Stadtmauer über den Hohen Steinweg und
den Kolk zur Breiten Straße bzw. zum Mühlentor wür-
de auf einer Strecke von nur 200 m (!) insgesamt 4
Knicke aufweisen, darunter zwei praktisch rechtwink-
lige, was diese Straßenfolge als Verlauf der frühen
Fernstraße eindeutig ausschließt.621 Dies paßt zwang-
los mit unserer anfangs vertretenen These zusammen,
daß der Hohe Steinweg über einen erst im ersten Vier-
tel des 13, Jahrhunderts künstlich angelegten Stau-
damm führt. Darüber hinaus weist die Klosterstraße
(heute Carl-Schurz-Straße) an der Einmündung der
Mönch- und Ritterstraße einen sehr stumpfwinkeligen,
aber deutlichen Knick auf, der dadurch zu erklären ist,
daß die Straße erst innerhalb der Gründungsstadt des
13. Jahrhunderts angelegt wurde und ihr weiterer
Verlauf nach Norden bis zum Heidetor eine spätere

Verlängerung darstellt, die entweder nur dem Kirch-
hof von St. Nikolai ausweicht oder die schon ander-
weitig festgelegte Stelle des Heidetors gradlinig zu er-
reichen sucht (vgl. dazu unten). Stärkstes Argument
für die Klosterstraße als alte Durchgangsstraße bleibt
damit das Klostertor des 14. Jahrhunderts631 an ihrem
Südende, während die Breite Straße ja südlich gegen
die Stadtmauer stößt. Hier muß man, die Stärke der
bereits aufgeführten Argumente in Rechnung setzend,
davon ausgehen, daß die alte Fernstraße absichtlich
abgeschnitten und ihr Zug nach Westen verlegt wur-
de. Einleuchtender Grund dürfte das Bemühen gewe-
sen sein, den gesamten Nord-Süd-Verkehr von allen
drei Haupttoren über den Markt zu leiten; dies würde
die Maßnahme mit der Anlage der Gründungsstadt im
ersten Viertel des 13. Jahrhunderts in Beziehung set-
zen.

Die Kaufmannssiedlung des 12. Jahrhunderts

Die Kaufmannssiedlung des 12. Jahrhunderts um St.
Nikolai, über die bisher nur wenig Konkretes bekannt
ist und deren Untersuchung ein vorrangiges Ziel künf-
tiger Grabungen sein sollte, wird durch die bisher hier
vorgetragenen Ergebnisse zumindest in ihrer Lage
noch besser verständlich. Sie entstand, sehr eng ver-
gleichbar vielen von Blaschke vorgetragenen Beispie-
len641, direkt am Flußübergang (Brücke?) einer wichti-
gen Fernstraße (vgl. Titelbild). Es kann bis zur gra-
bungsmäßigen Überprüfung angenommen werden,
daß sich ihre Bebauung zumindest an der Westseite,
vermutlich auch an der Ostseite der Breiten Straße65'
irn Bereich zwischen Mönch- und Havelstraße (bzw.

Havelarm) entlangzog, wobei eine größere Ausdeh-
nung gegen Süden offenbleiben muß (vgl. unten). Die
Nikolai-Kirche, deren Gestalt vor dem Neubau des
14. Jahrhunderts ebenfalls noch völlig unerforscht
ist661, stand demnach, etwas abgesetzt vom Verkehr,
direkt hinter der westlichen Grundstücks-bzw. Häu-
serreihe der Kaufmannssiedlung. Über diesen Sied-
lungsteil an der Fernstraße hinaus drängt sich die Vor-
stellung auf, ob nicht am Havelarm zumindest eine
Anlegestelle mit einer weiteren Häuserreihe vorhan-
den war, auf die dann die charakteristische Grund-
stücksstruktur nordöstlich der Havelstraße zurückzu-
führen wäre — es ist kaum anzunehmen, daß der Ha-

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