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Schriftquellen zur Entstehung der Zitadelle

weitleufftiger angelegt und der Wolgeborne und edle Herr Roch Graff zu Lynar nach vielen
Jahren hernach unter Marggraff Johans Georgen, Churfürsten zu Brandenburg, regirung
gentzlich verfertigt und das maiste und beste bey solchem baw gethan hat."
(Petrus Hafftitius, Microcronicon Marchicum, 1599, in: Codex diplomaticus Brandenburgensis,
Hauptteil 4, Band 1, Berlin 1862, 46ff., hier: 119)

Hafftitz verbindet als zeitgenössischer Beobachter also den Bau mit Römer, die Anlage bzw.
Vergrößerung aber mit Chiaramella! Schulze 1913, 68, gibt dies eher ungenauer wieder,
während Kuntzemüller 1928, 46, verfälschend behauptet, Römer sei "mit Ausarbeitung eines
Planes" beauftragt worden, wofür jeder Beleg fehlt. Der kritischen Betrachtung bedarf in je-
dem Falle die Jahreszahl: Wir wissen mit hoher Zuverlässigkeit, daß auf dem Landtag 1559
noch ganz grundsätzlich über die Ortswahl für die anzulegende Festung diskutiert wurde, was
eindeutig gegen einen Baubeginn zwei Jahre früher spricht, ebenso wie auch die Dank der
Forschungen Mohrmanns nunmehr feststehende Tatsache, daß Chiaramella im November und
Dezember 1559 zum ersten Mal in Brandenburg ist (vgl. u.). Betrachtet man Hafftitz' Formu-
lierung daraufhin etwas kritischer, so fällt auf, daß er alle anderen Ereignisse dieses Jahres
1557 mit den Worten "In diessem Jahre ..." beginnen läßt, und nur die für uns interessante
Angabe mit den Worten "Umb diesse Zeit ..." einleitet - m.E. Hinweis genug, daß er sich an
dieser Stelle nicht ganz sicher war, daß der tatsächliche Planungsbeginn daher wirklich erst
auf 1559 zu datieren ist.

1559

"Bartholomaei wurde vom Churfürsten ein Land Tag auf dem Schloß gehalten." (Schulze 1913,
70) Der zeitgenössische Chronist Leutinger berichtet in anspruchsvollem Latein über die Dis-
kussion zwischen dem Kurfürsten und den Ständen, die auf Ende August zu datieren sind
(Bartholomaei = 24.8.). Zossen, zwischen Sümpfen im Grenzbereich der Mark, wird als Stand-
ort vorgeschlagen. Für Spandau sprechen die Flußnähe (Transport und gute Verteidigungs-
lage), die Fruchtbarkeit der Umgebung und die Nähe zu Spandau und der Residenz Berlin.
Für Spandau wird zum Nutzen des Staates ("ex utilitate republicae") entschieden, die Burg
so schnell wie möglich zu befestigen (". . . arcem Spandovianam quam primum data opera mu-
niri.") (Nicolaus Leutinger, De Marchia Brandenburgensi eiusque statu commentarii, Witten-
berg 1593, pars quartae, liber secundus = Bogen E u. F; für eine Ubersetzung danke ich B.
Metz, Straßburg)

Weiter unten (Bogen G) berichtet Leutinger, wie der Kurfürst selbst nach Spandau geht, dort
200 Italiener versammelt und diesen einen Adeligen gleicher Herkunft vorsetzt: "... totam se
Spandoviam convertit Ioachimus El. ascitisque Italis ducentis eiusdem gentis nobilem praefecit,
a quo munitio his quidem finibus descripta est." Der letzte Nebensatz ist von besonderer Be-
deutung, aber leider nicht ganz eindeutig zu übersetzen. Er besagt, der italienische Adelige
habe die Befestigung "beschrieben" oder auch "gezeichnet" - beste, wenn auch nicht gänzlich
schlüssige Deutung scheint, daß der Italiener die Festung "entworfen" habe. Ähnlich wie bei
Hafftitz also auch hier bereits ein vager Hinweis in die Richtung, Chiaramella sei der Entwer-
fer. Leutinger fährt fort; "Ut fundamentum mole immensa ad ostium Suevi miscentis aquas suas
cum Havelo ponetetur." Es wird also am Spreeufer nahe ihrer Mündung in der Havel ein
riesenhaftes Mauerfundament angelegt. "Murus instructus laterculo, calceque interlitus, vallo
denso, ad excipiendos quoscunque impetus violentos comparato, vestiretur, in inferiore quidem
spatio circuitum per testudines exhiberet, in superiore vero planitie spatium complecteretur,
ut quadrigae, in ipso muro inter se concurrentes sine periculo comeare possent: altitudo XX
cubitorum emineret." Also eine gemörtelte Backsteinmauer, 20 Ellen (etwa 14 m) hoch, wird
mit einem starken Wall "bekleidet" (d.h. hinterschüttet), so daß gewaltige Anpralle aufge-
fangen werden können. Im unteren Teil wird ein gewölbter Rundgang geschaffen, oben ist
der ebene Teil so breit, daß zwei "Quadrigen" gefahrlos einander begegnen können. Dies ist
eindeutig eine Beschreibung des ersten Bauabschnittes der Bastion "König": zuerst wird die

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