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Biller, Thomas
Das "wüste Steynhus" bei Oschatz in Sachsen - frühe Gotik auf dem Weg nach Osten — Oschatz, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.4716#0027
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Schließt man folglich ein Kloster und verwandte Bautypen
aus, wie etwa ein Hospiz, so kommt im Grunde nur ein Adels-
sitz in Frage, nach der Typologie der Zeit um 1200 also eine
Burg - wobei aber trotz der Geschlossenheit der Anlage und der
1,6-1,8 m dicken Außenmauern Entscheidendes gegen einen
befestigten Adelssitz spricht. Schon die Lagewahl ist ungeeig-
net, denn eine Wasserburg hätte man besser wenige Meter
daneben in einen der Stauteiche gesetzt. Ein Graben ist nach den
archäologischen Ergebnissen auszuschließen 5, und die Licht-
schlitze des Kellers lagen nur 1,30 m über dem Fundamentab-
satz - ein Angreifer konnte also direkt in die Keller schießen
oder sie in Brand stecken! Selbst die großen Fenster des Haupt-
geschosses waren 4 m über die Boden noch leicht anzuleitern.

Es ergibt sich folglich im Ausschlussverfahren, dass wir es
mit einem unbefestigten, repräsentativen Adelssitz zu tun ha-
ben, also mit einem Bautypus, für den es ein fest definiertes
Wort gibt - das allerdings nicht in die Zeit um 1200 passt: Das
„wüste Steynhus" war in der Tat ein Schloss!

Zu dieser kaum vermeidlichen Einschätzung ist auch schon
die bisherige, von Spehr zusammengefasste Forschung gekom-
men . Die besondere Problematik dieser Deutung liegt darin,
dass im Hochmittelalter unbefestigte Adelssitze nach geltender
Auffassung noch nicht vorkamen - von stark diskutierten und
durchaus noch burgartigen Randfallen wie etwa Castel del Mon-

Geschichte und Architektur jüdischer Ritualbäder in Deutschland, hrsg. v.
Georg Heuberger, Frankfurt/M. 1992.

25 Die Grabung zeigte, dass eine der Abflussrinnen im Südosten noch sieben-
einhalb Meter vor der Außenmauer über flaches Gelände verlief (Spehr,
Vorbericht, Abb. 7; vgl. auch Spehrs negative Aussage S. 21). Ein „verfalle-
ner" Graben wird zwar 1782 von Hoffmann behauptet (Spehr, Vorbericht, S.
18), aber das war sicher nur eine Annahme.

16 Es sei an dieser Stelle aber nochmals betont, dass die Bezeichnung als
„Schloss" seit dem Spätmittelalter, auch bis heute im Volksmund, nichts mit
einer typologischen Einordnung im wissenschaftlichen Sinne zu tun hat.
„slos" o.a. meinte früher einfach die Befestigung, auch gelegentlich im Sinne
der befestigten Stadt, also auch die Burg und gerade nicht den unbefestigten
Adelssitz! Vgl. dazu Spehr, Vorbericht, S. 18.

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