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Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 33,1): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Stadt Quedlinburg — Halle, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.41156#0020
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Kreis Stadt Quedlinburg.

eine dichte frühgeschichtliche Bevölkerung lassen die Reihengräber schließen,
die sich unter dem christlichen Begräbnisplatze in Groß-Orden, einer Wüstung
vor dem Öhringer Tore, gefunden haben, die also noch in heidnische Zeit
zurückreicht. Auch bei St. Wigberti sind vorgeschichtliche Urnen aufgedeckt.
Ist auch kein unbedingt zwingender Beweis dafür zu erbringen, so läßt sich
doch schon aus den angeführten Einzelheiten mit großer Wahrscheinlichkeit
schließen, daß die Besiedlung der Gegend niemals unterbrochen worden ist. In
den Bereich der Geschichte tritt die Quedlinburger Gegend, nicht der Ort, wenn
man von der Erwähnung der deutschen Yolksstämme, die zur Zeit der Römer
liier gesessen haben, der Cherusker und Semnonen, absieht, erst im Anfang des
6. Jahrhunderts, wo der jähe Zusammenbruch des Thüringer Reiches auch sie in
Mitleidenschaft gezogen haben muß. Denn mit dem Gebiete zwischen Bode und
Unstrut, das damals den Sachsen abgetreten wurde für die Hilfe, die sie 531
den Franken geleistet hatten, kam auch die Gegend, wo Quedlinburg jetzt liegt,
an die Sachsen. Ihre Bewohner haben sich z. T. vielleicht dem Zuge der Sachsen
angeschlossen, die mit den Langobarden unter Alboin nach Italien zogen und
unverrichteter Sache heimkehrten. Inzwischen hatten die zur Gruppe der Sem-
nonen gehörenden Nordsclnvaben die verlassenen Sitze eingenommen und stießen
nun mit den Zurückkehrenden zusammen, um sich endlich nach blutigem Kampfe
mit den alten Besitzern zu vergleichen. Nach den Schwaben wurde das diesen
zugefallene Gebiet als Schwabengau bezeichnet. Unter diesem Namen tritt es
uns nach Bildung der Gauverfassung entgegen, im Westen durch die Bode vom
Harzgau geschieden, so daß die Quedlinburger Gegend mit die Grenze bildete.
Diese lag im Gebiete der Cherusker1) schon dicht an der Grenze der Sueven
(961 wdrd Quedlinburg als in der Grafschaft des Grafen Friedrich gelegen be-
zeichnet). Daß der Ort erst 922 zum ersten Male genannt wird, Ditfurt aber
schon in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts2), beweist wohl, daß zurZeit, als
Orte wie Halberstadt und Aschersleben schon eine Bedeutung erlangt hatten, die
sie vor anderen Orten hervorhob, Quedlinburg oder das Dorf Quitlingen noch
gar keine Rolle spielte. Auch hieraus kann man schließen, daß es seine Bedeutung
von Anfang an dem mächtigen Geschlechte der Ludolfinger verdankt, wenn auch
der Name Quedlinburg viel älter sein wird. Abgesehen von sprach- und siedlungs-
geschichtlichen Gründen ist das aus dem Umstande zu schließen, daß schon bei
der ersten Erwähnung 922 die Bezeichnung als etwas längst Feststehendes er-
scheint, zumal sie mit villa verbunden ist („Actum in villa quae dicitur Quiti-
lingaburg“). Wenn der König diese villa von vornherein zu einer Burg gemacht
und nicht bloß eine vorhandene Burganlage stärker befestigt hätte, würde diese
Burg wohl wenigstens urbs Quitilingaburg oder bloß Quitilingaburg genannt
worden sein. Die veraltete Ansicht, daß die Orte auf -bürg erst von Heinrich
angelegt seien, ist ja ganz unhaltbar3). Wahrscheinlich ist hier mit villa der
Königshof bei Wiperti gemeint, der 961 als curtis Quitilinga erscheint, so daß

1) So Reischei im Gegensatz zu Grosse (PIZS. 48, S. 2), der statt deren die Haruden
annimmt.
Q Th. v. Ditfurth, Geschichte des Geschlechts von Ditfurth I.
3) Wie Größler treffend gegen Waitz nachgewiesen hat (HZS. Y1II, S. 305 ff’.).
 
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