Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 33,1): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Stadt Quedlinburg — Halle, 1922

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41156#0036
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
20

Kreis Stadt Quedlinburg.

Ghetto, später der Weingarten an der westlichen Stadtmauer. Die Bockstraße
verdankt wohl der Marke eines Hauses ihren Hamen, der deshalb alt sein wird,
so auch Schwertgasse. Yiel neuer muten die Namen: Goldstraße, Bornstraße,
Reidemeistergasse, Strubengasse (auch Essiggasse) an, die alle von Bewohnern
herzurühren scheinen; nur die Bornstraße könnte von einem Brunnen genannt
sein, der aber fehlt und nie erwähnt wird. Die Dovestraße ist hier ausnahms-
weise eine appellative Bezeichnung1). In der Neustadt sind dingliche Namen,
daher alt: Steinweg, Pölkenstraße, Ball-(= Wall)straße; uraltgeschichtlich:
Reichenstraße und Kaiserstraße; nach ihren Bewohnern genannt: Kaplanei und
Augustinern, wohl auch Konvent nach dem Versammlungshause der Geistlichen.
Neu mutet an die Weberstraße als Verlängerung der Pölkenstraße, ungewiß, ob
von der Weberzunft oder von einem Bewohner so genannt.
Im Westendorf. Uralte dingliche Namen: Lange Gasse, Finkenherd,
Sack; nach Hausmarke: Altetopf2); historisch: Rittergasse; auf eine Zunft hin-
weisend: Gildschaft.
Mutmaßliche Reihenfolge (1er Siedlungen.
1. Alte Höfe um den Burgfelsen und im Blasiiviertel mit dem Königshof,
2. die Burg um 920, 3. das Suburbium (10. Jahrhundert), 4. die St.-Blasii-Stadt
(Ende des 10. Jahrhunderts), 5. die St.-Benedikti-Stadt (11. Jahrhundert), 6. Stein-
brücken- und Pölle-Siedlung (12. Jahrhundert?), 7. St. Ägidii (um 1200), 8. die
Neustadt (Ende des 12. Jahrh.), 9. Erweiterung der Altstadt im Westen und
Norden (13. Jahrh.), 10. Erweiterung der Neustadt im Norden und Osten (14. Jahr-
hundert, wohl erst nach 1330 [Stadtbuch]), 11. Heiligegeist und Neuer Weg (Mitte
des 14. Jahrhunderts), 12. Bebauung der Kirchplätze und Märkte (16. Jahrh.?).
Vielleicht reicht die Einteilung der Stadt in Hüten in eine Zeit zurück, wo
die Aufeinanderfolge der Siedlungen noch in lebendiger Erinnerung war; sie
stimmt im ganzen mit der gegebenen topographisch begründeten überein (vgl.
den kunstgeschichtlichen Plan).
Die Einwohnerzahl läßt sich für den Anfang des 14. Jahrhunderts
einigermaßen nach dem Stadtbuche feststellen (1310 für die Altstadt, 1330 für
die Neustadt). In der Altstadt waren 419 Grundstücke vorhanden (jetzt 455), in
der Steinbrücken- und Wordgemeinde 43 (jetzt 56), in der Neustadt 281 (jetzt
544). Demnach war nur die Neustadt noch weit von der vollen Besiedlung ent-
fernt. Bei einer durchschnittlichen Zahl von 6 Bewohnern auf ein Grundstück
hatte demnach Quedlinburg in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts höchstens
5000 Einwohner. Nach den wirklichen Zählungen von 1753 und 1772 jedoch
7315 und 6762 Einwohner. 1814—1828 betrug die Zunahme 0,76%, 1829—1843
0,64%, 1844—1859 1,09%. Die Gesamtstadt hatte 1365 in 1651 wirklichen
Wohnhäusern 16574 Einwohner (v. Arnsberg). Seitdem hob sich die Zunahme
langsam, aber stetig. 1915: rund 25000 Einwohner.

1) Vielleicht, leer, wüst, ohne Verkehr (auch in Halberstadt und Aschersleben).
2) Doch soll sich dort eine alte Töpferwerkstatt befunden haben.
 
Annotationen