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Aus dem Kloster St. Georgen zu Stein am Rhein; Schnitzerei (Guergurte) au der Decke des Bildersaales.
Zeichnung von (D. thaßlinger, Karlsruhe.

M Ot. Keorgkn-Alostcr n Htein gm Rljcin.

bseits von den Linien des großen
Weltverkehrs, in dem stillen
Winkel des unteren Boden-
sees, wo der Rhein am Fuß
des pohenklingen das Boden-
seebecken verläßt, liegt, zum
Eanton Schaffhausen gehörig,
das Städtchen Stein am Rhein.
Kleine Dampfschiffe vermitteln
den Berkehr zu Wasser nach
Konstanz und Schaffhausen,
und die in der Nähe vorüber-
ziehende Eisenbahnlinie Sin-
gen-Etzweilen-winterthur stellt
die Berbindung mit dem badi-
schen und schweizerischen Eisen-
bahnnetz her. Aber diese mo-
dernen Berkehrsmittel habeit
glücklicherweise bis jetzt nicht
vermocht, den eigenartigen
Charakter des Städtchens, wie
er sich im Lauf der letzten Jahr-
hunderte herausgebildet hat, zu verwischen. Und wenn sich
auch in den letzten Jahren, wohl zum Theil in Folge der
hier abgehaltenen „Klosterausstellungen", der Verkehr etwas
gehoben hat, so sind doch weder wirthsleute noch die
sonstigen Einwohner bis jetzt von der anderwärts so
widerwärtig auftretenden „Fremdenindustrie" angekränkelt
worden, wöge dieser idyllische Zustand, der den Auf-
enthalt in dem stillen, säubern Städtchen doppelt angenehm
macht, noch recht lange währen!

Den Kunsthistorikern ist Stein schon längst vertraut,
und mancher Maler hat an den im Vergleich mit andern
Städten verhältnißmäßig zahlreichen Fagadenmalereien

2. Ansicht des Klosters vom
Rhein aus.

Studienmaterial gesammelt; Lübke bewunderte an den-
selben nicht mit Unrecht „den architektonischen Sinn, die
Sicherheit der Grnamentation, das glückliche Gleichgewicht
in Austheilung der Masten" und bemerkt dazu: „wie
viel können wir noch von den Alten lernen, die wir so
weit überflügelt zu haben glauben!" Die im Rathhause
aufbewahrten altschweizerischen Glasbilder, die den beson-
deren Stolz der Steiner ausmachen, haben mehr als eine
gewöhnliche Berühmtheit erlangt; stammen doch die meisten
derselben (30 von 33 Stück) aus der Blüthezeit der schwei-
zerischen Glasmalerei, Mitte des f6. Jahrhunderts! Ein
wahres Kleinod besitzt die Stadt aber in dem Sanct-
Georgen-Kloster, welches von seinem Eigenthümer, Prof.
Br. Vetter in Bern, in den letzten Jahren auf's pietät-
vollste restaurirt und den dort abgehaltenen „Kloster-
ausstellungen" (i.895 und s896) zur Verfügung gestellt
wurde; die Innenausstattung des Klosters bewegt sich
meistens auf dem Boden der Gothik — aber in manchen
Einzelheiten tritt die neue, aus dem Süden gekommene
Stilweise bereits so sicher und überlegen auf, daß man
ihr die Siegesgewißheit unschwer anmerkt.

„Stein" hieß ursprünglich eine der dortigen Rhein-
inseln'), welche durch einen riesigen, in der Eiszeit ab-
gelagerten Stein gekennzeichnet ist; die daselbst entstandene
Niederlassung, die Insel, wird bereits im 8. Jahrhundert
als Zufluchtsstätte des Abtes von St. Gallen erwähnt,
und ihr Name übertrug sich auch auf die vom St. Gallener
Kloster am rechten Rheinufer gegründete Niederlassung,
welche als Stadt angeblich schon um 966 befestigt wurde
und im ganzen Mittelalter den Abt des genannten Klosters

9 Den folgenden geschichtlichen und anderen Angaben liegt die
Schrift von Ferdinand Vetter zu Grunde: Klosterbüchlein und
Fremdenführer für Stein am Rhein; 3. Ausgabe, Zürich,

„lhelvetia". Druck von Knorr & kstrth, München.

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Zeitschrift des bayer. Annstgewerbe-Vereins München.

46. Iahrg. 1897. Heft (Bg. 1.)

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