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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 46.1897

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Gmelin, L.: Kunstgewerbliche Entwickelungsfragen, [1]
DOI Artikel:
Habich, Georg: Moderne Medaillenkunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7910#0011
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oberen Vertreter des Kunstgewerbes dabei be-
theiligt sein. Aber was in den oberen Schichten
quellt, von dem sickert immer noch so viel in die
unteren Schichten durch, daß es auch in diesen
das sruchttreibende Agens löst; darum wird auch
das dem Tagesbedarf dienende Kunsthandwerk
aus der Zulassung der Kleinkunst zu den Kunst-
ausstellungen Nutzen ziehen.

In Frankreich und England hat man seit
mehreren Jahren mit der gerügten Ausschließlich-
keit bei Kunstausstellungen gebrochen; daß selbst
die Amerikaner schon in dem Kunstpalast der
Lhicago-Ausstellung diesem Vorgehen sich ange-

schlossen haben, beweist jedenfalls, daß sie mehr
verständniß für die Bedeutung haben, welche die
Kleinkunst für das Leben besitzt als die meisten
Leiter deutscher Kunstausstellungen.

Es wäre endlich an der Zeit, daß man
auch bei deutschen Kunstausstellungen mit dem
System der gnadenweisen Zulassung der Kleinkünste
zu den großen Knnstwettstreiten bräche, und daß
man denselben freie Bahn eröffne, wo sich ihre
Vertreter miteinander messen, wo sie im Kampfe
gegeneinander erstarken könnten. Möge die dies-
jährige Münchener Kunstausstellung die letzte sein,
welche der Kleinkunst ihre Thüren verschließt. L. G.

Modem McklillentW.

Von Georg Habich.

I. Neuere deutsche Medaillen.

cm es einmal vergönnt war, mit Muße
die schätze zu betrachten, die uns die
Kunst der deutschen Renaissance aus dein
Gebiete der Privatmedaille hinterlassen
hat, wem diese Melt voll bürgerlicher
Behaglichkeit, Tüchtigkeit und “Kraft, wie
sie die köstlichen Merke unserer Nürnberger und Augs-
burger „Tonterfetter" so prächtig widerspiegelt, lebendig
geworden ist, der kann nur mit Miß-
behagen an den heutigen Zustand der
Medaillenkunst denken. Mas ist be-
zeichnender sür den bescheiden-stolzen
Sinn dieser alten Bürgerschaft, in der
die Kunstmedaille gang und gäbe war,
wie bei uns die Photographie und
vor dieser die Silhouette, als jene
unscheinbaren, kleinen Merke edelster
Aunst, die in unaufdringlicher Form,
aber unvergänglichem Stoff das Bild
der stattlichen, oft überstattlichen
Männer und Frauen den Freunden
bewahrten, ihr Gedächtniß auf “Kinder
und Kindeskinder vererbten. Die Blüthe
dieser intimen, recht eigentlich bürger-
lichen Medaillenkunst war das jti.Iahr-
hundert. Der Niedergang des deutschen
Bürgerthums während und nach dem großen Kriege, die
durch das Eindringen italienischer Elemente beschleunigte
Entwicklung des alten ehrlichen Handwerkerstandes zum
Künstlerthum und die dadurch bedingte Entfremdung zwischen
Volk und Kunst, das Alles wirkte zusammen, der Medaille
des \7. und f8. Iahrh. ein mehr und mehr aristokratisches
Gepräge zu geben. Dennoch blieb sie gegenständlich und in-
haltlich verknüpft mit Zeit und Grt ihrer Entstehung: eine
eherne Thronik der Jahrhunderte, je nach der Mode und dem

Geist der Zeit in boinbastifch-verschnörkelten, pathetisch-
steifen oder zart-eleganten Zügen geschrieben. Ihr actueller
Inhalt und die zeitgeinäße Darstellungs- und Ausdrucks-
weise sicherten der Medaille das Interesse der weitesten
Kreise noch bis zur Mende des vorigen Jahrhunderts,
wie die Kupferstichmappe ist die Medaillensammlung eine
typische Liebhaberei jener alten, feinen Kunstfreunde und
Kenner aristokratischen Schlages, wie sie vor der großen
französischen Revolution so häufig waren. Ihre Volks-
thümlichkeit büßt die Medaille erst in der Epoche des
Elassicismus völlig ein. Insbesondere
der römisch-antikisirende Stil des ersten
Kaiserreiches, dessen pathetische und
monumentale Tendenz dem Mesen der
Medaille stracks zuwiderläuft, hat sie
ihrer letzten intimen Reize entkleidet.
Denn mag der Anlaß zur Entstehung
noch so bedeutend sein, immer bleibt
die Medaille ein Merk der Kleinkunst.
Das tellergroße Medaillon, das in der
classicistischen Zeit beliebt und noch
heute nicht wieder völlig beseitigt ist,
behält immer etwas Midersinniges.
Selbst bei gegossenen Stücken wirkt die-
ses Format monströs, weil nicht einzu-
sehen ist, warum hier Form und Aus-
sehen der Münze, die durch die Präge-
technik bestimmt sind, überhaupt noch
beibehalten wurden. Ein Gefühl spielerischer Willkür stellt
sich hier ein, das sicherste Mittel, jeden künstlerischen Eindruck
von vornherein zu zerstören. Ist also die Kunstmedaille auf
ein gewisses Größeninaaß beschränkt, so ergibt sich hieraus
von selbst ihre künstlerische Behandlung. Dazu bestimmt,
aus nächster Nähe betrachtet zu werden, fordert sie dazu
auf, feine Ausführung zu suchen und intimes Detail vor-
auszusetzen. In der pand betrachtet man sie am besten,
man läßt das Licht darüber Hinspielen, um neue Fein-

\2. Personification der Stadt Dresden;
Medaillen-Entwurf von Rudolf Mayer.
 
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