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8. Aus dem Kloster St. Georgen zu
Stein a. Rh.; von der Decke des Bildersaales
Zeichnung von G.kjaßlinger, Karlsruhe

eher wieder zu einem völlig gesunden Kunsthandwerk gelangen, das
mit der sogenannten „hohen Kunst" auf einer Stufe steht, als bis
die Künstler sich mit den handwerklichen Techniken vertraut machen.
Diese Einsicht erfreut sich auch in Künstlerkreisen einer weiten Ver-
breitung; die Schuld daran, daß sie noch so wenig zu entsprechenden
Thaten geführt hat, tragen andere Verhältnisse.

Wenn ein Künstler einige Gelbilder oder eine Marmorstatue ge-
fertigt, so weiß er ganz genau, wo er sein Werk — sofern er es nicht
auf Bestellung gearbeitet hat — auf den „Markt" bringt; was aber
soll er mit irgend einem Werke der Kleinkunst anfangen, sei es nun
ein kleines Schmuckstück aus Edelmetall, sei es eine zierlich geschnitzte
Eassette. Der Kunsthändler wird ihm in den meisten Fällen bedeuten,

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9 — Aus dem Kloster St. Georgen zu Stein am Rhein;
von der Decke des Bildersaales.

Zeichnung von G. Haßlinger, Karlsruhe.

daß derartige Gegenstände
bei ihm nicht gesucht, also
auch nicht gekauft werden;
eine Luxuswaarenhandlung
wird in der Regel kein ent-
sprechendes Entgelt für die
künstlerische Arbeit leisten
können; die Folge davon ist,
daß die Künstler sich wohl
hüten, sich auf Werke der
decorativen Kunst zu ver-
legen, und wenn es noch so
sehr ihrem Empfinden und Können zusagt, — solange ihnen auch
der einzige Markt, wo derartige Arbeiten hingehörten, die Kunst-
ausstellungen, verschlossen ist.

Denn was es sonst an Ausstellungen gibt, kommt doch für
Gegenstände der decorativen Kleinkunst kaum in Betracht; die letzt-
jährigen Ausstellungen zu Berlin, und besonders jene zu Nürnberg,
haben jedem Einsichtigen bewiesen, daß solche Tummelplätze des
Geschäfts nicht diejenigen Grte find, an denen das Kunsthandwerk
gebührend gewürdigt wird. Im Grasboden werden die zarten Blüm-
chen überwuchert oder zertreten; sorgsam herausgehoben und in be-
sondere Blumenbeete vereinigt, werden sie allezeit Beachtung, Be-
wunderung und — Liebhaber finden.

Wiederholt schon hat unsere Zeitschrift Veranlassung genommen,
der Zulassung des Kunstgewerbes zu den Kunstausstellungen das Wort
zu reden; die bisherige Erfolglosigkeit dieser Bemühungen darf nicht
davon abhalten, immer und immer wieder die Nothwendigkeit dieses
Zusammengehens der „hohen Kunst" mit der Kleinkunst zu betonen.
Zur Zeit rüstet sich München für die VII. internationale Kunstaus-
stellung; aber weder die „Künstlergenossenschaft", noch die „Secession"
scheinen irgendwelche Anstalten zu treffen, die Kleinkunst zur Theil-
nahme an der Ausstellung zuzulassen — wenigstens dürfte man z. B.
einem gut geschnitzten Relief beileibe nicht anmerken, daß dasselbe be-
stimmt ist, etwa ein Möbelstück zu schmücken l Es steht beinahe so
aus, als fürchtete man die Loncurrenz der Kleinkunst; ist es ja doch
Thatsache, daß bei der letztjährigen Frühjahrsausstelluug der Secession
eine ganze Reihe der besten decorativen Werke Walter Trane's,
obgleich sie eingesandt waren, einfach nicht ausgestellt worden sind,
weil man das Ueberwiegen der decorativen Kunst hintanhalten zu
müssen meinte I!

Man kann oft genug hören, die Künstler sollen sich mehr dem
Kunstgewerbe zuwenden, wo sie auf die Dauer einen befriedigenderen
Beruf finden würden als z. B. in der an Ueberproduction leidenden
Gelmalerei, und wo sie sicherlich weit mehr auf jdopularisirung der
Kunst hinwirken könnten als mit Staffeleibildern. Aber freilich, dem
erträumten Glymp kehrt keiner gerne den Rücken mit der Aussicht,
sich nun in der Gesellschaft der gemeinen Sterblichen zurecht finden
zu müssen; darum gehört zu den Aufgaben der Kunstausstellungen
auch der Nachweis, daß „hohe" und „decorative" Kunst nicht durch
eine tiefe Kluft von einander geschieden sind, sondern daß eine lücken-
lose Stufenleiter von der höchsten thöhe einzigartiger Kunstwerke bis
zu den bescheidenen Erzeugnissen des kjausfleißes herabführt. Man
wird bei Kunstausstellungen immer irgendwo die Grenze ziehen und
nur dafür sorgen müssen, daß dieselbe nicht zu tief unten gezogen
wird; aber es gereicht weder der Künstlerschaft noch der Kleinkunst
zum Segen, wenn wie bisher sozusagen Alles aus den geheiligten
Kunsthallen verbannt wird, was nur einigermaaßen an eine Zweck-
bestimmung erinnert, — wenn man ebenso unnahbar wie stolz auf
die Kleinkunst herabsieht, die sich im Dienst des täglichen Lebens
müht, — wenn hiemit die „hohe Kunst" dasselbe Gebühren annimmt
wie der Emporkömmling, der für seine Mitmenschen, die noch von
ihrer thände oder ihres Kopfes Arbeit leben, nur noch ein mitleidiges
Lächeln übrig hat. Schämt sich etwa die Kunst, die doch aus der
Kleinkunst hervorgegangen ist, ihrer Herkunft? Nimmt sie denn nicht
wahr, daß sie sich demselben Vorwurfe aussetzt, welcher den Empor-
kömmling trifft, wenn er pietätlos die Familienbeziehungen zerreißt, —
oder den Aristokraten, der seine armen verwandten verleugnet, weil
sie zu arbeiten genöthigt sind? — was an kunstgewerblichen Gegen-
ständen geeignet erscheint, in einer Kunstausstellung ausgenommen zu
werden, wendet sich allerdings zumeist nur an einen kleinen Kreis
von Wohlhabenden; es werden deshalb auch vorwiegend nur die

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