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heilen zu entdecken. Der Genuß bleibt ein vorwiegend
intimer und immer nur auf den einzelnen Betrachter be-
schränkt. Eine gewisse Schulung, das Auge richtig ein-
zustellen, gehört zum Verständniß, ja, dem difficilen Aenner
und Liebhaber genügt das bloße Auge häufig nicht, wie
denn ein richtiger alter Sammler unter seinen Schätzen
nicht leicht ohne Lupe zu denken
ist. Sind demnach Feinheit und
Subtilität der Ausführung,
pikante Behandlung, die male-
rische Reize keineswegs zu ver-
schmähen braucht, glückliche d.
h. möglichst völlige Ausnutzung
des beschränkten Darstellungs-
feldes die naturgemäßen For-
derungen des Medaillenstiles,
so erkennt man, wie wenig
diese seine Aunst ihrem ganzen
Wesen nach der classicistischen
Doctrin von marmorner Monu-
mentalität und architektonischer
Großartigkeit entsprach. Vede Leere in der Tomposition,
steifige Langeweile im Figürlichen und trockene, glatte
Nüchternheit in der plastischen Behandlung - das ist die
Signatur der Medaille und auch der Münze seit dieser
Epoche bis auf unsere Tage. Wie ausgeschnitten und
aufgeklebt auf dem spiegelblanken Hintergründe stehen diese
Figuren da in statuarischen Posen, diese Porträtköpfe mit
den stilisirten Frisuren, leeren Augen und heroisch nackten
Hälsen. Die Schrift, für die man sich der lang-
weiligen Form der Drucklettern bedient, drängt
man, um ja den Eindruck des Statuen-
haften im freien Raums nicht zu be-
einträchtigen, dicht an den Rand
ringsum, wo sie nur mit beschwer-
lichem Augenverdrehen zu lesen
ist. Der Rand selbst wird un-
motivirter Weise anspruchsvoll
hoch gehalten, als gelte es eine
architektonische Umrahmung
wie die einer Giebelgruppe am
antiken Tempel. Auf einfache
Verhältnisse, auf die Erschein-
ungen des täglichen Lebens wagte
man eine so hoheitsvoll sich ge-
berdende Ärmst kaum noch anzu-
wenden. Sie wandelte in den Stelz-
schuhen der großen Historie einher,
nur die bedeutendsten Zeitereignisse be-
rührend; höchstens bei solennen Ge-
legenheiten im Leben berühmter Jubel-
greise näherte sie sich einnral dem
Erdboden. Ihre Popularität schien aus ewig dahin.
In unserer Zeit, da ungeheuchelte Aunstfreude so selten,
Aunstpstege aber ohne Prunksucht kauin denkbar ist, wird
es Mühe kosten, der bescheidenen Aunst der Medaille den
ihr im Aunstleben der Nation gebührenden Platz zurück-
zuerobern.

Wir haben die Züge des classicistischen Medaillenstils
eingehender betrachtet, weil er bis vor kurzem der aus-

schließlich herrschende war. Im Norden, wo der Name
Thorwaldsen's den alten Glanz bewahrt hat, scheint er
sich noch länger in alter Strenge zu halten, während er
im Süden Deutschlands sich mit einer gewissen Anmuth
zu umkleiden verstanden hat. Das sympathische Stück mit
dein Idealkopf der Stadtgöttin von Dresden, eine Arbeit

des Aarlsruher Professors Rud.
.Mayer (f. Abb. \2), mag als
Beispiel dafür stehen.

Die große Aunstbewegung,
die in den sechziger Jahren von
Frankreich ausging und die
deutsche Bildhauerei ergriff, die
Emancipation der modernen
Plastik von dem falsch ver-
standenen Ideal der Antike,
ging an der deutschen Medaillen-
kunst spurlos vorüber. Sie wurde
von der akademischen Formen-
sprache des Llafficismus, die
ja auch auf dem Gebiete der
Großplastik die Aunstsprache der romantischen Epoche ge-
blieben war, nach wie vor in Fesseln gehalten. Während
Wagmüller in München für das neue Ideal warmblütiger
Auffassung, malerischer Foringebung und schwungvoller
Tomposition mit Muth und Erbitterung stritt, während
in Berlin Reinhold Begas mit seinen im neuen Geiste
ausgefaßten Porträtbüsten hervortrat, blieben die Voigt,
Stanger, Ries, Wiener, Drentwett und was noch zu den:
damaligen hofmedailleurenthum gehörte, von
dem frischen hauch unberührt.

Wollen wir das Wiederaufleben der
deutschen Aunstmedaille begrüßen, so
müssen wir den Blick über die
Grenzen des Reichs nach Wien
lenken. In der alten Aaiferstadt,
einer hervorragenden pstege-
stätte der Stempelschneidekunst
seit Alters her, sind die Be-
dingungen für eine gedeihliche
Entwicklung dieser Aunst auch
heute noch abnorm günstige:
ein kunstliebender und reicher
Hof hat hier der Medaille eine
durch alte Tradition überkommene
Gunst bewahrt, und in bestimmten
Bürgerkreisen der Residenz ist ein
gewisses Interesse dafür lebendig ge-
blieben. Tautenhayn und Scharff
wirken hier, wenngleich in verschiedener
Richtung, so doch beide entschieden fort-
schrittlich. Der Aeltere, Tautenhayn,
wurzelt noch in der vergangenen Periode. In seinen
früheren Arbeiten ist die Tendenz, das Leben in stilisirter
Abstractheit wiederzugeben, die Zeitgenossen in heroisirter
Gestalt vorzuführen, noch vielfach zu spüren. An: so freu-
diger muß ein neueres Werk des Meisters, der sich inzwischen
mehr der Großplastik zugewandt hat, überraschen, ein plakett,
welches die Naturforscher- und Aerzteversammlung in Wien
im Jahre dem Airdenken helmholtz' widmete (s.Abb.sZ


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;5. portraitmebaillon des prof. A. Schön«,
von A. Scharff; nach einem Gipsabguß.
 
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