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Gelegenheit, auf welche die Medaille berechnet ist, gerade
poetisch zu nennen. Denn das ist ja der wunde Punkt in
unserer Medaillenkunst, daß sie nur bei besonderer Gelegenheit
in Anspruch genommen wird, rein menschliche naive oder
gar huinoristische Vorwürfe aber auf ihrem Gebiete
heutzutage so selten sind. Immerhin zeigt
sich Scharst in dieser Beschränkung doch
als Meister, Pier kommt ihn: das echt
wienerische Arrangeurtalent zu statten,
besonders da, wo es sich inehr um
gegenständliche Zusammenstellung han-
delt, wie z. B. bei der geistreichen und
effectvollen Decoration, welche die
Rückseite der Medaille auf den Walzer-
könig Strauß (f. Münzcabinet, siehe
Abb. s6) schmückt. Weniger befriedigen
die figürlichen Kompositionen. Naturgemäß,
oder richtiger dem Geschmack der Besteller
gemäß, spielt hier die Allegorie ihre ver-
hängnißvolle Rolle. Allegorisch gedachte
Figuren aber mit warmem Leben zu be-
seelen, dazu gehört ein Individualisirungs-
vermögen, das nur wenige große Künstler
ihr Ligen nennen. Dazu kommt, daß Scharst Figürliches,
insbesondere das Nackte, nicht soweit beherrscht, als daß
er sich ungestraft des Modells entschlagen könnte. Auch
in der Draperie gibt er mehr dem Bedürfniß nach dem
flotten Eindruck einer Decorationsmalerei nach, als daß
er streng dem zeichnerischen Studium der Natur folgte.
Um so uneingeschränkter wird man Lob spenden, wo land-
schaftliche Motive gewählt sind. Wie zart und feinfühlig
andeutend ist z. B. die Dorfgegend auf seiner Rosegger-
Medaille gehalten, wie leicht und luftig verschwimmen
seine Stadthintergründe. £jier bewährt sich eben der Maler,
der in Scharst steckt. (Vgl. Taf. 3, oben Mitte.)

Noch sei auf die Medaille zur Enthüllung des
Tilgner'schen Mozartdenkmals (Taf. 5 unten rechts
und oben links) hingewiesen, die gleich dem
seiner Zeit auf das Maria-Theresiendenkmal
geschlagenen Stück die Leichtigkeit er-
kennen läßt, mit der Scharff's Talent
sich auch im Stil vergangener Epochen
bewegen kann, ohne in Affectation
zu verfallen. Gleiche Beweglichkeit
des Geistes und die ganze Liebens-
würdigkeit seines Künstlernaturells
offenbaren die hübschen, sogenannten
G'schnas-Medaillen, die anläßlich von
Künstlerfesten, Maskeraden u. dergl. ent-
standen sind. Angesichts dieser heiteren Er-
zeugnisse ausgelassener Künstlerlaune wird
nian sich des Goethe'schen Worts bewußt,
das dieser in Betrachtung einer Medaille
classicistischen Stils äußerte, daß in der
Kunst alles Denken nichts helfe; man müsse von Natur-
richtig sein, „so daß die guten Einfälle immer wie freie
Rinder Gottes vor uns stehen und uns zurufen: Da sind
wir". (Abb. 24-.)

Um schließlich von Scharff's Einfluß auf Jüngere
einen Begriff zu geben und zugleich auf ein ernst

strebendes Talent hinzuweisen, bringen wir zwei charakter-
volle Arbeiten des jungen Wiener Medailleurs Franz
Pawlick, nach den inr Münchener Labinet befindlichen
Originalen (Abb. {7 und f8).

In Deutschland sind künstlerische Erscheinungen
in der Medaillenarbeit bis jetzt nur ver-
einzelt. Nur in Ausnahmsfällen lassen
sich bedeutendere Künstler herab, ihre
pand dem Stempelschneider zu leihen.
Das bekannteste Beispiel ist die von
Böcklin entworfene und von Scharff
geschnittene Medaille auf Gottfried
Ueller (k. Münzcabinet München). Wir
geben die Rückseite davon, Orpheus
unter den Thieren darstellend, ein Idyll
voll lieblicher und großartiger Züge, in
Abb. sfl. Was im Uebrigen Bildhauer,
wie Begas mit seiner Menzel-Medaille oder
Schaper mit der Denkmünze, die Bismarck
als Ritter Georg darstellt, versucht haben,
kann sowohl, was die Lonception betrifft,
wie nach Stil und Ausführung kaum als
geglückt bezeichnet werden. Selbst das in
einzelnen Zügen originelle Stück, das A. Vogel als Be-
lohnungsmedaille für die bei der Tholeragefahr in Ham-
burg geleistete ärztliche Pilse entworfen hat, eine Darstel-
lung des Herakles im Kampf mit der lernäischen Schlange,
macht als Ganzes einen etwas schwerfälligen Eindruck; es
liegt das an einer gewissen Gedrängtheit der Komposition,
die auf der Rückseite dadurch noch erhöht wird, daß das Or-
namentale etwas zu stark ins Kraut geschossen ist. (Abb. 20.)

Ganz einzig in ihrer Art steht dagegen die Denk-
münze zunr 80. Geburtstage unseres Erzreichskanzlers von
Adolf pildebrand da, eine Arbeit, die wir nicht anstehen,
für die bedeutendste Leistung der deutschen Medaillenkunst
in der Neuzeit zu erklären. (Abb. 2s.)

Die bisher betrachteten Medaillen waren theils ge-
prägt, teils gegossen; doch durften wir das im
Einzelnen unberührt lassen, da ein künst-
lerischer Nnterschied nicht zu bemerken
war. Selbst vor den Mriginalen ist
es oft schwer, zu unterscheiden, ob
man es mit einem Erzeugnis des
Prägestockes oder der Gußform zu
thun hat. Angesichts der pildebrand-
fchen Arbeit — wir geben die Ab-
bildung der Pauptseite nach dem eiser-
nen Originalmodell, das eine Zierde des
Münchener Labinets bildet — Angesichts
dieser kernig-massiven Anlage des Ganzen
kann inan nicht inr Zweifel sein, daß hier
Alles von vornherein nrit dein Vorbedacht
eines uiirsichtigen Kunstverstandes auf die Aus-
führung vermittelst des Prägestockes berechnet
ist. Diese rasche Vervielfältigungsart war die erste Bedingung
für deir Künstler. Ferner durfte die Denkmünze, unr nicht
durch Kostspieligkeit dem populären Zweck zu schaden, die
Größe eines Zweimarkstückes nicht überschreiten. Recht
eigentlich ein Prägestück, eine Münze sollte es fein. And
welchen Eindruck von Größe und Gewalt hat der Künstler

p). Rückseite der Medaille auf
Gottfried Aeller, entworfen von Arnold
Böcklin, ausgeführt von A. Scharff,
k. Müirzcabinet München.

20. Medaille für die Stadt Hamburg,
entworfen und niodellirt von A. Vogel,
k. Münzcabinet München.
 
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