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28. Wandspiegel aus dem Merkantilgebäude in Bozen.

seines Schildes die wichtigsten Elemente der majestätischen
Decoration des ganzen Gemaches zusammensaßt, in Reihen
nebeneinander geordnet die Wandflächen nicht nur am
Abend, wenn der Glanz des Lichtes, von den Schilden
und Spiegeln zurückgeworfen, hin und hergeht von Wand
zu Wand, sondern auch am Tage, wo der figürliche
Schmuck das Interesse des Beschauers fesselt.

Als an die Stelle der würdevollen Dekors Lebruns
Bsrains heitere Groteskenwelt einzog, büßte der Schild-
leuchter viel von seiner dominirenden Stellung ein, um
freilich noch bis tief ins f8. Jahrhundert hinein ein Nach-
leben zu führen. Neben ihm treten jetzt andere Formen
der Wandbeleuchtung auf. Besaß der Wandleuchter im
Allgemeinen bis dahin als selbständiges Geräth Beweglich-
keit und Unabhängigkeit vom Ort, gehörte er zu der
Gattung von Geräthen, die sozusagen eine persönliche
Existenz führen, so schließt ihn der Meister des Bandel-
werks eng an die Bestandtheile der Wandflächc an und
läßt ihn nur als einen Auswuchs der die Wand gliedernden
Pilaster, Gesimse, Rahmen u. s. w. erscheinen. Berain ist
der Erste, der den Wandleuchter an den Kamin und seinen Aus-
satz ansügt und die Beleuchtung der Wand an diese Stelle
des Gemaches concentrirt. Der Kamin, des pauses Altar, um
dessen wärmende Gluth in Stunden trauten Beisammenseins
die Familie sich zusammenfindet, wird so auch als Spender
des Lichtes der Mittelpunkt des Gemaches, um dessen Aus-
schmückung sich der erfinderische Geist des Künstlers ganz
besonders bemüht. Aut ihm tritt der Wandleuchter nun
in mannigfache Allianzen.*) Zuerst fetzt er sich als selbst- *)

*) Vergl. bte betr. Abbildungen tu: ioo planches principales de
1’oeuvre de Jean Berain. Paris, Quantin.

ständiger, abnehmbarer, schmaler Wandschild auf die den
gesummten Kaminaufbau flankirendcn Pilaster, um all-
mählich immer enger mit diesem zu verwachsen, bald als
starker Accent die Mitte derselben zu betonen, bald als
ornamentales Glied am unteren Theile des Pilasters mit
dem entsprechenden Ornament am oberen Theile in Tor-
respondenz zu treten. Ein anderes Mal tritt er von den Seiten
her an die Pfeiler der Kaminwand heran, aus einer kräftig
geschwungenen Bolute entwickelt sich eine menschliche palb-
figur, die aus dem Kopfe das Lichterbündel trägt. Eigen-
thümlich für Berain's Kamin ist der rauchfangartige Auf-
satz, der sich über dem eigentlichen Kamin erhebt, um-
rahmt von dem Rechteck der Kaminwand. Gewöhnlich
begrenzen zwei gewaltige Voluten seitlich den Aussatz. Dort,
wo sie sich zusammenrollen, entsprießt, wie von der ver-
borgenen Kraft der schwellenden Spirale emporgetrieben,
ein Büschel lichtertragender Arme. Zuweilen taucht auch aus
der mit Akanthus belaubten Volute ein Fabelthier auf,
aus dessen Rachen die Lichterarme herausschauen. Der
beliebteste Platz aber ist das Kamingesims selbst. Bald
stehen vasenartige Leuchterträger, in ihrer Gestaltung den
Kaminpfeilern angeglichen, darauf, bald halten Sphinxe
und Greifen, wie Schildwachen nebeneinander postirt, die
Wacht, bald sitzen gefesselte Sklaven aus dem Bord, auf
dem Kopf die schwere Last der Lichtarme. Besonders
reizvoll ist die Fülle der figürlichen Motive, die sich hier
entfaltet. Zumeist sind es kleine Amoretten, die wie in
leichtem Spiel die Leuchter tragen, zuweilen zu dem anderen
figürlichen Schmuck des Kammes in sinnvolle und decorativ
wirksame Beziehung gesetzt. Auch die tektonischen Theile
des Kamines selbst wachsen zu lichttragenden Gliedern
aus, die einfassenden Gewände entsenden anmuthige Frauen-
gestalten oder bilden sich zu permen aus. Manchmal

schwillt auch das Gesims selbst in der Mitte aus, um einer
lichtertragcnden Maske oder einer kleinen Amorette platz zu
geben. Inwieweit freilich diese Entwürfe, wie überhaupt
die der Ornamentstecher, in die Wirklichkeit übertragen
 
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