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Auch in Frankreich sind ja die Propheten nicht vom
Pimmel gefallen; woran ponscarme, der Schöpfer des
modernen Medaillenstils und Lehrer der jetzigen Generation,
sich bildete, waren ausgesprochener Maaßen die nun über
zweitausend Jahre alten,
aber ewig jungen Werke
der griechischen Stempel-
schneider, eines Kimon und
Euainetos.
Die französische Kunst-
medaille auf der Stufe der
Vollendung, wie wir sie in
den Werken eines Roty und
Thaplain bewundern, ist
kein spontanes Erzeugniß
des Tages. Tine lange,
durch das Interesse großer
Bildhauer begünstigte Ent-
wicklung liegt hinter ihr.
Die Großplastik mit ihrer
Tendenz zuin Malerischen
hat in Frankreich den
modernen Meistern der
Medaillenkunst die Wege
geebnet. So reicht die
Thätigkeit des genialen
David d'Angers tief in das
Empire hinein, und was
dieser Künstler in seinen
bekannten Medaillons er-
strebte, — er hat über 500, darunter die Porträts
von den Größten seiner Zeit gefertigt — bedeutete
die folgenreichste Reaktion, einen förmlichen Protest
gegen die antikisirende Tendenz seiner Zeit. Die Kühnheit
und Freiheit seiner Mache, die aus gesunder Scheu vor
süßlicher Glätte sich bisweilen wohl etwas rüd aus-
nimmt, hat der französischen Plastik und nicht zuletzt der
Medaillenarbeit ein drastisches Beispiel gegeben für die
Bortheile jener derben malerisch-decorativen Formgebung,
die in Frankreich heute noch vielfach an der Tagesordnung
ist. Was man an den modernen Medaillons eines Ringel
d'Illzach, die inan auf den Münchener Kunstausstellungen
zu sehen Gelegenheit hatte, bewundert, kann wohl als
eine Fortentwicklung jenes Kunststils ausgefaßt werden.
Was David die Frührenaissance, was ihn: Luca della
Robbia oder gelegentlich Donatello mit feiner Büste von
Niccolo d'Uzzano ge-
wesen ist, das war für
Ringel Michel Angelo
und die Pochrenaissance.
Schon als Schüler der
ecole ckes beuux urts
beurkundete er feine Be-
geisterung für den großen
Meister durch eine Topie
des Moses, eine Arbeit,
die freilich nicht nur die
poffnung auf Mittel zur
Fortführung seiner Stu-
dien grausam täuschte,
sondern auch seine körperlichen Kräfte auf lange Zeit lahm
legte. Ein Leben voll tragischen Mißgeschicks, das ihn
bis zum Toncertbildhauer herabsinken ließ, hat seine Kraft
nicht vernichten können. Erst auf den Ausstellungen des
Salons von J878 und
begann er mit verschiedenen
Kunstgegenständen das
Publikum zu interessiren.
Im Jahre f880 feierte er
mit der bekannten Figur
des Racoczy-Spielers, die
auch auf einer der letzten
Ausstellungen im Mün-
chener Glaspalast zu sehen
war, einen Triumph. Als
Porträtist hatte er schon mit
einer vielköpfigen Darstel-
lung von Tollegen, einer
Reliefcomposition voll
sprühenden Lebens, in
Künstlerkreisen bedeutendes
Aufsehen erregt. Nun konnte
er mit einiger Aussicht auf
Erfolg die langgehegte Idee
einer Serie von Medaillon-
porträts berühmter Zeit-
genossen in Angriff nehmen,
ein Werk, das in Paris,
wie namentlich auch in
Deutschland gelegentlich der
Ausstellungen in München und Nürnberg, durch die energische
Auffassung und die, freilich etwas allzu flotte, Ausführung
besonders bei Künstlern ungetheilten Beifall fand. Bon
feinen Arbeiten bringen wir (Abb. q.2) das Porträt des
greisen Ehevreul, ein ungernein charakteristisches Beispiel für
Ringel's Kunst. So groß die Aehnlichkeit und fo treffend die
Lharakteristik ist, nian wird die Bortragsweise nicht frei
von Manier finden können. Die Werthlegung auf die
Technik, der pang nach breiter Modellirung verführt
Ringel zu einer etwas utrirten Formgebung. Neben
seinem großen Borbild David wirkt Ringel's Manier wie
eine absichtlich zur Schau getragene Genialität. Er ist
denn auch, nachdem sein Name mehrere Jahre in aller
Mund war, wieder aus der ersten Reihe zurückgetreten.
paben wir in David d'Angers und Ringel Anfang
und Endpunkt einer Entwicklungsreihe, in die auch ein
Theil von Thapu's
Thätigkeit fällt, so hat
man, um zu der eigent-
lichen modernen fran-
zösischen Medaillenkunst
eines Roty und Lhaplain
zu gelangen, von dem
schon genannten pons-
carme auszugehen.
Mit seiner Medaille auf
den Geschichtsschreiber
Naudet hat er zuerst
wieder den Sinn für den
feinen Medaillenreliefstil
<*3. Medaillen-Studie von Lhaplain.
(Nach einem Lichtdruck des „pan" verkleinert.)
44 u. 45. Brieftauben-Medaille von Degeorge. (Abdruck nach dem „pan".)
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Auch in Frankreich sind ja die Propheten nicht vom
Pimmel gefallen; woran ponscarme, der Schöpfer des
modernen Medaillenstils und Lehrer der jetzigen Generation,
sich bildete, waren ausgesprochener Maaßen die nun über
zweitausend Jahre alten,
aber ewig jungen Werke
der griechischen Stempel-
schneider, eines Kimon und
Euainetos.
Die französische Kunst-
medaille auf der Stufe der
Vollendung, wie wir sie in
den Werken eines Roty und
Thaplain bewundern, ist
kein spontanes Erzeugniß
des Tages. Tine lange,
durch das Interesse großer
Bildhauer begünstigte Ent-
wicklung liegt hinter ihr.
Die Großplastik mit ihrer
Tendenz zuin Malerischen
hat in Frankreich den
modernen Meistern der
Medaillenkunst die Wege
geebnet. So reicht die
Thätigkeit des genialen
David d'Angers tief in das
Empire hinein, und was
dieser Künstler in seinen
bekannten Medaillons er-
strebte, — er hat über 500, darunter die Porträts
von den Größten seiner Zeit gefertigt — bedeutete
die folgenreichste Reaktion, einen förmlichen Protest
gegen die antikisirende Tendenz seiner Zeit. Die Kühnheit
und Freiheit seiner Mache, die aus gesunder Scheu vor
süßlicher Glätte sich bisweilen wohl etwas rüd aus-
nimmt, hat der französischen Plastik und nicht zuletzt der
Medaillenarbeit ein drastisches Beispiel gegeben für die
Bortheile jener derben malerisch-decorativen Formgebung,
die in Frankreich heute noch vielfach an der Tagesordnung
ist. Was man an den modernen Medaillons eines Ringel
d'Illzach, die inan auf den Münchener Kunstausstellungen
zu sehen Gelegenheit hatte, bewundert, kann wohl als
eine Fortentwicklung jenes Kunststils ausgefaßt werden.
Was David die Frührenaissance, was ihn: Luca della
Robbia oder gelegentlich Donatello mit feiner Büste von
Niccolo d'Uzzano ge-
wesen ist, das war für
Ringel Michel Angelo
und die Pochrenaissance.
Schon als Schüler der
ecole ckes beuux urts
beurkundete er feine Be-
geisterung für den großen
Meister durch eine Topie
des Moses, eine Arbeit,
die freilich nicht nur die
poffnung auf Mittel zur
Fortführung seiner Stu-
dien grausam täuschte,
sondern auch seine körperlichen Kräfte auf lange Zeit lahm
legte. Ein Leben voll tragischen Mißgeschicks, das ihn
bis zum Toncertbildhauer herabsinken ließ, hat seine Kraft
nicht vernichten können. Erst auf den Ausstellungen des
Salons von J878 und
begann er mit verschiedenen
Kunstgegenständen das
Publikum zu interessiren.
Im Jahre f880 feierte er
mit der bekannten Figur
des Racoczy-Spielers, die
auch auf einer der letzten
Ausstellungen im Mün-
chener Glaspalast zu sehen
war, einen Triumph. Als
Porträtist hatte er schon mit
einer vielköpfigen Darstel-
lung von Tollegen, einer
Reliefcomposition voll
sprühenden Lebens, in
Künstlerkreisen bedeutendes
Aufsehen erregt. Nun konnte
er mit einiger Aussicht auf
Erfolg die langgehegte Idee
einer Serie von Medaillon-
porträts berühmter Zeit-
genossen in Angriff nehmen,
ein Werk, das in Paris,
wie namentlich auch in
Deutschland gelegentlich der
Ausstellungen in München und Nürnberg, durch die energische
Auffassung und die, freilich etwas allzu flotte, Ausführung
besonders bei Künstlern ungetheilten Beifall fand. Bon
feinen Arbeiten bringen wir (Abb. q.2) das Porträt des
greisen Ehevreul, ein ungernein charakteristisches Beispiel für
Ringel's Kunst. So groß die Aehnlichkeit und fo treffend die
Lharakteristik ist, nian wird die Bortragsweise nicht frei
von Manier finden können. Die Werthlegung auf die
Technik, der pang nach breiter Modellirung verführt
Ringel zu einer etwas utrirten Formgebung. Neben
seinem großen Borbild David wirkt Ringel's Manier wie
eine absichtlich zur Schau getragene Genialität. Er ist
denn auch, nachdem sein Name mehrere Jahre in aller
Mund war, wieder aus der ersten Reihe zurückgetreten.
paben wir in David d'Angers und Ringel Anfang
und Endpunkt einer Entwicklungsreihe, in die auch ein
Theil von Thapu's
Thätigkeit fällt, so hat
man, um zu der eigent-
lichen modernen fran-
zösischen Medaillenkunst
eines Roty und Lhaplain
zu gelangen, von dem
schon genannten pons-
carme auszugehen.
Mit seiner Medaille auf
den Geschichtsschreiber
Naudet hat er zuerst
wieder den Sinn für den
feinen Medaillenreliefstil
<*3. Medaillen-Studie von Lhaplain.
(Nach einem Lichtdruck des „pan" verkleinert.)
44 u. 45. Brieftauben-Medaille von Degeorge. (Abdruck nach dem „pan".)
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