30 +
Denkmale möglichst eingehend und vielseitig zu studiren,
daher ebenso interessant wie praktisch werthvoll ist. Zu
einer Zeit, wo, wie heut zu Tage, der alte Florentiner
Sandro Boticelli einen so erheblichen Einfluß auf die
Randornmnent der Salzburger Bibel van
(etwa 1I2 der wirk!. Größe.)
Malerei und Decorationskunst gewinnt, besitzt auch sein
Zeitgenosse und Landsmann Antonio Sinibaldi erhöhtes
Interesse, und ist manches Werk, das damals diesseit der
Alpen entstand, schon dadurch besonders anziehend, daß es
in Folge des mächtigen Bandes gleicher Entstehungszeit
jenen innerlich verwandt erscheint, trotz aller Unterschiede
der Tharaktere.
Das f5. Jahrhundert diesseit der Alpen muß man
im pinblick auf das Ganze unbedingt zum Mittelalter
rechnen, wird ja doch unser ganzes Bild von mittelalter-
lichem Leben und mittelalterlicher Aunst auf das wesent-
lichste gerade durch diese Periode bestimmt, andererseits
aber bildet entschieden einen ihrer interessantesten Züge
das mächtige Aufkeiinen der neuen Zeit. So auch das
Ornament in diesen Ländern während des so. Jahrhunderts.
Es basirt auf dem mittelalterlichen Ornament, fein Grund-
charakter ist gothisch, aber allenthalben sehen wir neue
Ideen austauchen, die bald mehr, bald minder deutlich
hervortreten, verschieden nach Zeit und Land, wann und
wo die Aunstwerke entstanden, nach der Aufgabe, die
dem Aünstler gestellt wurde, und nach der
Persönlichkeit desselben.
Die Miniaturen diesseit der Alpen theilen
sich vor allem in drei große Gruppen:
s) Die oberdeutsche, welche sowohl in der
Art der Verwerthung, als auch in der
Ornamentform selbst den mittelalterlichen
^so.
cciosafccndiffccmft
MS.lprtiuanmett
72. Randornament des Tegernseer Nissales von ^so.
(etwa 1I2 der wirk!. Größe.)
Charakter streng bis zum Schluß des Jahrhunderts, ja
oft noch über diese Grenze hinaus bewahrt (Abb.70—77).
2) Die französische Gruppe, deren leichteres, eleganteres
Ornament (Abb. 78, 7st, Taf. \3, ,) mehrfach den Aeber-
gang bildet zu 3) der niederländischen (Abb. 82, Taf. (3,2-4,
Taf. {H, 3), die in ihrer rein malerischen und naturalisti-
schen Art die neuen Probleme am consequentesten zun:
Ausdruck bringt. Das zähe Festhalten am mittelalterlichen
Stil ist für die oberdeutsche
Aunft jener Periode ja
überhaupt charakteristisch,
bei diesen Miniaturen be-
günstigen dasselbe noch zwei
Factoren, nämlich derStand
zahlreicher Maler und die
Art der Bücher.
Die Aünstler der hier-
her gehörigen Bücher waren
zu einem großen Theil
Mönche, wie z. B. unter
den vorliegenden Proben
Nr. 70,72,73 in der Tegern-
seer Alosterschule gemalt wurden. Daß aber gerade das
Aloster zähe am Alten festhielt, daß ein Ort wie Tegernsee
trotz des regen wissenschaftlichen und künstlerischen Lebens,
das sich dort in der zweiten pälfte des (5. Iahrh. unter Abt
Aonrad entfaltete, doch unmöglich geeignet sein konnte,
energisch in die neuen Bahnen der Malerei einzulenken,
ist selbstverständlich. Die Aunst im Aloster blieb durch
ihre gesummten Lebensbedingungen möglichst lange mittel-
alterlich, und so behielt hier auch das Ornament streng
den gothischen Charakter. Nur leise zeigen sich da und
dort Ansätze zu der neuen Richtung, die inzwischen da,
wo ihr die Verhältnisse günstiger waren, wie etwa in der
Reichsstadt Regensburg bei dem Miniaturmaler Berthold
Furtmeyr (Abb. 75—77) schon sehr bedeutende Fortschritte
gemacht hatte. Da diese berufsmäßigen Maler vielfach
für Alöster thätig waren, so war zwischen den Alöstern
und den Malern der Städte eine beachtenswerthe Verbin-
dung hergestellt. Vergleicht man aber die Werke der
Mönche und dieser Berufskünstler, so sieht man in der
Regel recht deutlich die Ueberlegenheit der letzteren, sieht
namentlich, wie sie es sind, die in die neuen Bahnen ein-
lenken. Das so. Jahrhundert zeigt eben auch darin wieder
den Beginn der neuen Zeit, in der Forderung, daß der
Maler, der neue Bahnen erschließen, in solche einlenken
will, mitten iin Leben steht, nicht rnehr in der stillen Zelle
sitzt. Manches gar feine Aunstwerk entstand jetzt, wie
auch in der Folgezeit, noch im Aloster, aber charakteristi-
scher Weise sind es meist Werke alterthümlichen Stils, und
der große Fortschritt der Buchmalerei des j5. Jahrhunderts
ging nicht von den Alöstern, sondern von den Berufs-
künstlern aus.
Sieht man beim Betrachten einer Reihe von Hand-
schriften des (5. Jahrhunderts, wie in den Randverzie-
rungen meist gänzlich unbekümmert uin den Text, den sie
umrahmen, Thiere und Genrebilder angebracht sind, die
so lustig von froher Jagd und Minne oder aus der Fabel
erzählen, so sollte man meinen, die Decorationsweise habe
damals auf die Art des zu schmückenden Buches keinerlei
Denkmale möglichst eingehend und vielseitig zu studiren,
daher ebenso interessant wie praktisch werthvoll ist. Zu
einer Zeit, wo, wie heut zu Tage, der alte Florentiner
Sandro Boticelli einen so erheblichen Einfluß auf die
Randornmnent der Salzburger Bibel van
(etwa 1I2 der wirk!. Größe.)
Malerei und Decorationskunst gewinnt, besitzt auch sein
Zeitgenosse und Landsmann Antonio Sinibaldi erhöhtes
Interesse, und ist manches Werk, das damals diesseit der
Alpen entstand, schon dadurch besonders anziehend, daß es
in Folge des mächtigen Bandes gleicher Entstehungszeit
jenen innerlich verwandt erscheint, trotz aller Unterschiede
der Tharaktere.
Das f5. Jahrhundert diesseit der Alpen muß man
im pinblick auf das Ganze unbedingt zum Mittelalter
rechnen, wird ja doch unser ganzes Bild von mittelalter-
lichem Leben und mittelalterlicher Aunst auf das wesent-
lichste gerade durch diese Periode bestimmt, andererseits
aber bildet entschieden einen ihrer interessantesten Züge
das mächtige Aufkeiinen der neuen Zeit. So auch das
Ornament in diesen Ländern während des so. Jahrhunderts.
Es basirt auf dem mittelalterlichen Ornament, fein Grund-
charakter ist gothisch, aber allenthalben sehen wir neue
Ideen austauchen, die bald mehr, bald minder deutlich
hervortreten, verschieden nach Zeit und Land, wann und
wo die Aunstwerke entstanden, nach der Aufgabe, die
dem Aünstler gestellt wurde, und nach der
Persönlichkeit desselben.
Die Miniaturen diesseit der Alpen theilen
sich vor allem in drei große Gruppen:
s) Die oberdeutsche, welche sowohl in der
Art der Verwerthung, als auch in der
Ornamentform selbst den mittelalterlichen
^so.
cciosafccndiffccmft
MS.lprtiuanmett
72. Randornament des Tegernseer Nissales von ^so.
(etwa 1I2 der wirk!. Größe.)
Charakter streng bis zum Schluß des Jahrhunderts, ja
oft noch über diese Grenze hinaus bewahrt (Abb.70—77).
2) Die französische Gruppe, deren leichteres, eleganteres
Ornament (Abb. 78, 7st, Taf. \3, ,) mehrfach den Aeber-
gang bildet zu 3) der niederländischen (Abb. 82, Taf. (3,2-4,
Taf. {H, 3), die in ihrer rein malerischen und naturalisti-
schen Art die neuen Probleme am consequentesten zun:
Ausdruck bringt. Das zähe Festhalten am mittelalterlichen
Stil ist für die oberdeutsche
Aunft jener Periode ja
überhaupt charakteristisch,
bei diesen Miniaturen be-
günstigen dasselbe noch zwei
Factoren, nämlich derStand
zahlreicher Maler und die
Art der Bücher.
Die Aünstler der hier-
her gehörigen Bücher waren
zu einem großen Theil
Mönche, wie z. B. unter
den vorliegenden Proben
Nr. 70,72,73 in der Tegern-
seer Alosterschule gemalt wurden. Daß aber gerade das
Aloster zähe am Alten festhielt, daß ein Ort wie Tegernsee
trotz des regen wissenschaftlichen und künstlerischen Lebens,
das sich dort in der zweiten pälfte des (5. Iahrh. unter Abt
Aonrad entfaltete, doch unmöglich geeignet sein konnte,
energisch in die neuen Bahnen der Malerei einzulenken,
ist selbstverständlich. Die Aunst im Aloster blieb durch
ihre gesummten Lebensbedingungen möglichst lange mittel-
alterlich, und so behielt hier auch das Ornament streng
den gothischen Charakter. Nur leise zeigen sich da und
dort Ansätze zu der neuen Richtung, die inzwischen da,
wo ihr die Verhältnisse günstiger waren, wie etwa in der
Reichsstadt Regensburg bei dem Miniaturmaler Berthold
Furtmeyr (Abb. 75—77) schon sehr bedeutende Fortschritte
gemacht hatte. Da diese berufsmäßigen Maler vielfach
für Alöster thätig waren, so war zwischen den Alöstern
und den Malern der Städte eine beachtenswerthe Verbin-
dung hergestellt. Vergleicht man aber die Werke der
Mönche und dieser Berufskünstler, so sieht man in der
Regel recht deutlich die Ueberlegenheit der letzteren, sieht
namentlich, wie sie es sind, die in die neuen Bahnen ein-
lenken. Das so. Jahrhundert zeigt eben auch darin wieder
den Beginn der neuen Zeit, in der Forderung, daß der
Maler, der neue Bahnen erschließen, in solche einlenken
will, mitten iin Leben steht, nicht rnehr in der stillen Zelle
sitzt. Manches gar feine Aunstwerk entstand jetzt, wie
auch in der Folgezeit, noch im Aloster, aber charakteristi-
scher Weise sind es meist Werke alterthümlichen Stils, und
der große Fortschritt der Buchmalerei des j5. Jahrhunderts
ging nicht von den Alöstern, sondern von den Berufs-
künstlern aus.
Sieht man beim Betrachten einer Reihe von Hand-
schriften des (5. Jahrhunderts, wie in den Randverzie-
rungen meist gänzlich unbekümmert uin den Text, den sie
umrahmen, Thiere und Genrebilder angebracht sind, die
so lustig von froher Jagd und Minne oder aus der Fabel
erzählen, so sollte man meinen, die Decorationsweise habe
damals auf die Art des zu schmückenden Buches keinerlei