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76. Schlußviguetto aus Furtmeyrs llliffalc von ;^8;. (Nach dein „Gberbayr. Archiv". Bd. II.)

(etwa 2/8 der wirk!. Größe.)

Auf einen dritten Zug, an dein sich die Entwicklung
des Naturalismus in den Randverzierungen der Bücher
des (5. Jahrhunderts deutlich verfolgen läßt, weifen uns
die beiden Bären in Furtmeyr's Schlußvignette (Abb. 76)
hin. Thiere, wie auch Menschen, mit dem Ornament zu
verflechten, liebte die gefaminte mittelalterliche Buchmalerei.
Zn der früheren Zeit werden sie, meist streng stilisirt, fest
mit dein Ornament verbunden, aber zuweilen, namentlich
bei flüchtigen Zeichnungeii, erscheinen sie auch hier schon
in freierer Bewegung, iu naturwahrer Gestalt, und immer
mehr nimmt dies gegen den Schluß des Mittelalters zu.
Zn Deutschland lieben es ganz besonders die Buchmaler
des (5. Zahrhunderts, Menschen uiid Thiere sich möglichst
frei in dem Randornament tummeln zu lassen. So treffen
wir auch schon in der mehr erwähnten Salzburger Bibel
am Rande des Blattes, das die Schöpfungsgeschichte er-
zählt, den Tanzbär, pirsch, Reh, Mildschwein, ldas und
Lfund, Ratz und Maus, sowie den stolzen j)fau; um so
interessanter ist es, daß derselbe Aünstler in dem gleichen
Buche offenbar rein aus künstlerischen Rücksichten zu stili-
sirten Vögeln zurückgreift, die übrigens ganz prächtig
diesen: Ornament angepaßt sind (Abb. 7 s). Furtmeyr
ist in den Randverzierungen des Miffales mit Thieren
höchst sparsam, offenbar passen sie ihm zumeist nicht in
sein einheitlich entworfenes, in großem
Zug durchgeführtes Ornament; wenn sie
aber ausnahmsweise bei ihm Vorkommen,
sind sie stets ganz naturwahr und höchst
lebendig behandelt. Daß er aber, obwohl
er sie so geschickt zu behandeln wußte, mit
ihnen so sparsam ist, sie nur da bringt, wo
sie wirklich passen, wie in dieser phantasti-
schen Schlußvignette die drolligen Bären,
ist ein Beweis seines feinen Geschmackes.

[L

Auch die französische Buchmalerei des (5. Zahr-
hunderts schlingt häufig das Ornament in Ranken um
den Text, wie beispielsweise bei der charakteristischen Rand-
zier aus der (458 von Zean Foucguet illustrirten Boccaccio-
ksandschrif t(Abb. 78 Gal. 6 cim. 38). Der Grundgedanke
erscheint hier somit der deutschen Art verwandt, wesentlich
verschieden aber ist die Durchführung, und dieser Unter-
schied ist um so interessanter, als er in Gegensätzen des
Charakters und in Folge dessen auch der Aunst beider
Völker gründet. Bei dem deutschen Ornament ist das
Maßgebende der feste Aern, nämlich die
energisch geschlungene, klar heraus-
tretende, großzügige, manchmal viel-
leicht ein wenig derbe Ranke; das
Französische besitzt allerdings auch
dieses Rankenmotiv, aber man findet
es nur, wenn man sorgfältig den kleinen,
graziös geschwungenen und zart ver-
ästeten Fäden folgt, in die etwas zu-
fammenhanglos, fast wie fremde Ein-
dringlinge die zierlichen Stiefmütterchen
und der nette Nelkenstock gemalt sind.

Zn der Randleiste eines fran-
zösischen Gebetbuches der zweiten

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Bildeinfassung aus Furtmeyrs tNissale von

(etwa x/2 der wirk!. Größe.)

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